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Gleichklang in der Atompolitik: Russlands Präsident Wladimir Putin (re.) sicherte Ungarns Premier Viktor Orbán einen Milliardenkredit für den Bau neuer Reaktorblöcke im Atomkraftwerk Paks zu. Es wäre das erste von Russland in der EU gebaute AKW.

Foto: Reuters

Russland und Ungarn haben eine Kooperation beim Bau zweier neuer Reaktorblöcke im Kernkraftwerk Paks, 100 Kilometer südlich von Budapest an der Donau vereinbart. Das Memorandum wurde in Moskau bei einem Treffen von Ungarns Premier Viktor Orbán mit Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnet.

Die Reaktoren vom Typ WWER 1200 sollen 2023 ans Netz gehen und haben eine Leistung von je 1,2 Gigawatt. Damit verdoppelt Ungarn seine Atomkapazitäten. Die ungarische Regierung hofft damit, langfristig die Strompreise zu senken. Schon jetzt deckt das Land seinen Energiebedarf zu 40 Prozent aus Atomstrom.

Das AKW Paks wurde in den 80er Jahren mit sowjetischer Technologie gebaut. Der schon 2009 vom ungarischen Parlament beschlossene Ausbau sollte ursprünglich über eine Ausschreibung laufen. Doch das Angebot aus Russland war schlussendlich zu verlockend. Um die Auftragsvergabe an den eigenen Staatskonzern RosAtom sicherzustellen, ist Moskau bereit, das Projekt zu 80 Prozent mit eigenen Langzeitkrediten zu finanzieren. Derzeit werden die Kosten auf zehn bis zwölf Milliarden Euro geschätzt. Das Kreditlimit liege bei zehn Milliarden Euro, "doch die Zahl wird niedriger", versicherte der ehemalige russische Premier und jetzige RosAtom-Chef Sergej Kirijenko.

"Die Inbetriebnahme neuer Reaktoren erhöht die Energieunabhängigkeit Ungarns und trägt zur Verbesserung von Sicherheitsaspekten bei", sagte Putin nach der Unterzeichnung.

Reviermarke in der EU

Ganz so unabhängig wird Ungarn nicht sein, vermutet der russische Ökologe Wladimir Sliwjak. "Das Land, welches das AKW baut, stellt meist auch den Brennstoff", sagte er dem Standard. Tatsächlich sind weltweit alle Reaktoren der sowjetisch-russischen WWER-Technologie (also in insgesamt 15 Ländern) auf angereichertes Uran der RosAtom-Tochter Twel angewiesen. Daher gebe es in den Ländern eine gewisse Energieabhängigkeit von Russland, erläutert Sliwjak.

Innerhalb der EU wäre es der erste Reaktor, den Russland bauen würde. Die Meiler, die es in Paks und anderen osteuropäischen Ländern gibt, stammen alle noch aus sowjetischer Zeit, das Projekt des AKW-Baus im bulgarischen Belene scheiterte im vergangenen Jahr. Umso wichtiger wäre es für Moskau, sich in Ungarn ein Standbein innerhalb der EU zu sichern.

Russland hat seinen Energiereichtum zuletzt verstärkt für politische Ziele eingesetzt. Die Gasstreitigkeiten mit den Nachbarländern Ukraine, Weißrussland und im Baltikum zeugen davon. Den Kurswechsel Kiews weg vom EU-Assoziationsabkommen verbinden viele politische Beobachter mit Moskaus Sanktionsdrohungen und dem Versprechen über Gaspreisrabatte. Auch für die EU ist Russland der wichtigste Energielieferant. Allerdings mehren sich in Brüssel die Befürchtungen vor einer zu starken Abhängigkeit von Moskau.

In Ungarn selbst spekulierten die Medien heftig darüber, warum ausgerechnet ein russisches Unternehmen mit dem AKW-Bau beauftragt wurde und nicht etwa die französische Areva-Gruppe. Eine mögliche Erklärung: 2015 läuft der aktuelle Gasliefervertrag zwischen Ungarn und Russland aus, weshalb es für Budapest nicht schlecht wäre, sich mit den russischen Energieriesen gut zu stellen. Die ungarische Regierung versucht zudem die Wirtschaft des Landes zu diversifizieren, also auch Investoren aus neuen Regionen außerhalb der EU anzulocken. Dass die Union Ungarns wichtigster Partner bleibt, daran ändert freilich auch der Atomdeal nichts. 70 Prozent der ungarischen Exporte gehen laut Welthandelsorganisation in die EU, nur 3,3 Prozent der Ausfuhren werden in Russland verkauft. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 16.1.2014)