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István Töröcskei, einer der 100 reichsten Männer in Ungarn, hat Appetit auf mehr.

Foto: EPA/MTI/Kovacs

STANDARD: Wer gehört hat, dass Sie eine Großbank in Ungarn kaufen wollten, hält Sie vermutlich für verrückt: Die meisten Kreditinstitute dort schreiben seit Jahren Verluste. Warum wollten Sie die Raiffeisen in Ungarn erwerben, ist der Bankensektor im Land interessant?

Töröcskei: Ungarns Bankensektor wird immer interessanter. Nach der Privatisierungswelle in den 1990er-Jahren und nach der Wirtschaftskrise muss das Land neu organisiert werden. Es gibt viele Miniunternehmen, besonders in der Landwirtschaft. Auch gut laufende internationale Konzerne haben sich angesiedelt. Aber in der Mitte klafft ein Loch: Es gibt in Ungarn nur wenige mittelständische Betriebe. Damit die Wirtschaft wieder erstarkt, müssen die Miniunternehmen zu echten Mittelständlern werden. Dafür brauchen sie Kapital und Kredite und damit eine Art des an Kunden orientierten Bankensystems, das es in Ungarn nicht gibt.

STANDARD: Die meisten Banken in Ungarn sind in ausländischem Eigentum. Premier Viktor Orbán will das radikal ändern. Wo wäre der Vorteil?

Töröcskei: Das Konzept richtet sich nicht gegen Ausländer: Ausländische Beteiligungen sind so wie beim Marktführer OTP willkommen. Aber die Konzernzentralen sollten in Ungarn liegen. Wir haben 2008 und 2009 gesehen, was passiert, wenn das nicht der Fall ist: In einer Krise versucht jeder zuallererst seinen eigenen Schrebergarten in Ordnung zu bringen. Die ausländischen Eigentümer haben sich auf die Rettung der Mutterbanken konzentriert und sich erst mit viel Verzögerung um die Probleme im Ungarn gekümmert. Dies hat zu einem Zeitverlust bei den Aufräumarbeiten geführt, worunter die Wirtschaft leidet.

STANDARD: Es geht aber nicht um eine Verstaatlichung der Banken.

Töröcskei: Nein. Primäres Ziel muss es sein, private ungarische Investoren anzulocken. Der Staat kann dabei helfen, diesen Prozess in Gang zu bringen.

STANDARD: Dann verstehe ich die Argumentation nicht: Investoren interessiert Gewinn. Warum sollte ein inländischer Geldgeber anders agieren als ein ausländischer?

Töröcskei: Mit einem stärkeren inländischen Anteil wären wir in einer neuerlichen Krise deutlich weniger von Entwicklungen im Ausland abhängig. Und es geht um noch einen Punkt: Die Kunden der österreichischen Banken sind primär österreichische Unternehmen, diese sollen wachsen und Märkte erobern. Damit habe ich kein Problem. Aber wenn wir wollen, dass unsere eigenen Firmen konkurrenzfähig bleiben, brauchen wir Kreditinstitute, deren Fokus auf dem Erfolg der heimischen Unternehmen liegt.

STANDARD: Ungarns Banken zahlen eine hohe Sondersteuer. Raiffeisen und Erste liefen dagegen Sturm. Sehen Sie auch ein investorenfeindliches Klima in Ungarn?

Töröcskei: Nein. Die Regierung hat 2010 und 2011 alle darum ersucht, einen Anteil daran zu leisten, dass das Land nicht bankrottgeht. Diesen Teil können logischerweise nur jene leisten, die Geld haben.

STANDARD: Ein Vertreter der Raiffeisen würde wohl entgegnen: Wir zahlen die Sondersteuer, obwohl wir keine Gewinne machen.

Töröcskei: Aber auch Banken, die neu auf den Markt gekommen sind, müssen die Sondersteuer zahlen. Dabei haben sie im Gegensatz zu den etablierten Instituten in den Jahren vor der Krise nicht üppige Profite mit nach Hause genommen. Ungarn war ja für Banken ab den 90ern bis zur Krise einer der profitabelsten Märkte. Ich sehe die Bankensteuer als einen Beitrag dafür, dass das Land wieder auf die Beine kommt.

STANDARD: Wäre die Raiffeisen Ungarn einen Euro - das war der kolportierte Kaufpreis - trotz der laufenden Verluste wert gewesen?

Töröcskei: Wir haben die Sache mit Raiffeisen sehr positiv gesehen. Das Ganze ist verfrüht an die Öffentlichkeit gelangt und hat sich auch deshalb so entwickelt, wie es sich eben entwickelt hat. Mehr möchte ich zur Raiffeisen zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.

STANDARD: Könnte aus dem Deal denn noch etwas werden?

Töröcskei: Das weiß der liebe Gott.

STANDARD: Wird Ungarn im Ausland zu negativ dargestellt?

Töröcskei: Es ist gelungen, Ungarn so darzustellen, dass man uns im Ausland für ein faschistisches Land hält. Als mein Schwiegersohn zu Weihnachten aus Hamburg nach Hause gekommen ist, wurde er gefragt, wohin er fährt. Als er sagte, Ungarn, lautete die Reaktion: "In dieses faschistische Land. Hast du keine Angst?" Das ist völliger Nonsens. Einige haben bewusst ein falsches Bild gezeichnet.

STANDARD: In Ungarn ist die Jobbik, eine antisemitische und rassistische Bewegung, drittstärkste Kraft im Land mit Potenzial nach oben.

Töröcskei: Solche Parteien gibt es fast überall in Europa. Und im Vergleich mit Rechtsextremen in Frankreich etwa ist die Jobbik sogar noch eine solide Partei. (András Szigetvari, DER STANDARD, 16.1.2014)