Uhrmachermeister Christian Umscheid verwirklichte seinen Lebenstraum.

Foto: Nathan Murrell

Die "weinVierteluhr" ist das erste Sondermodell der Viertelserie von Montre Exacte. Neben der Aufmachung des Zeitmessers, die regionaltypische Stilelemente des Weinviertels aufgreift, fällt besonders das Hilfszifferblatt bei 3 Uhr mit der Beschriftung "Viertel" , "Halb", "3Viertel" und "Voll" auf. Der kleine Zeiger innerhalb des Hilfszifferblatts hüpft immer um ein Viertel weiter, wenn der zentrale Sekundenzeiger, der aus der Mitte kommt, 15 Sekunden durchlaufen hat. Dafür wurde ein eigenes Uhrwerk (Kaliber K4-1-1) mit einem "Vierteljumper" als zentraler Schaltstelle entwickelt. Fein finissiert, kann man es durch den Saphirglasboden des Gehäuses (Durchmesser 42 Millimeter) bei der Arbeit betrachten. 3570 Euro wird sie kosten.

Foto: Montre Exacte

Wenn Uhrmachermeister Christian Umscheid aus dem Fenster seines Ateliers blickt, sieht er passenderweise eine Sonnenuhr am gegenüberliegenden Gebäude und etwas weiter im Hintergrund die Kirchturmuhr. Aber diese Aussicht war für den 45-Jährigen nicht das entscheidende Kriterium, seine Uhrenmanufaktur Montre Exacte hier in Poysdorf, mitten im Weinviertel, anzusiedeln.

Durch Zufall sei er vor zwei Jahren auf das ehemalige Postgebäude am Dreifaltigkeitsplatz 4 gestoßen, schildert er. 2012 hat er es gekauft, 2013 wurden Renovierung und Umbau zur Werkstatt abgeschlossen: "Für mich war wichtig, dass ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren kann, weil ich vom Auto wegkommen möchte", erklärt er pragmatisch. Es sind rund sechs Kilometer von seinem Wohnort Herrnbaumgarten bis zur Werkstätte.

Seit September 2013 haben die Marke und das Unternehmen Montre Exacte, das Umscheid schon 2011 gegründet hat, somit ein offizielles, repräsentatives Zuhause. Mit allem, was dazugehört, um eine "hochgenaue Uhr" ("Montre Exacte") in der Qualität der hohen Uhrmacherkunst, der "Haute Horlogerie", nach dem Vorbild der Schweizer zu bauen: ausgefeilte, feine mechanische Uhren, wo jedes Zahnrädchen sitzt. Quarz und elektronische Bauteile wird man vergebens suchen.

Dort, wo früher Briefe und Pakete aufgegeben wurden, sind jetzt das Büro und der Showroom. Hier arbeitet Veronika Wilfing, sie schupft das Sekretariat. Im zweiten Stock, wo anno dazumal das Fräulein vom Amt für Telefonverbindungen sorgte, ist jetzt der Maschinenraum mit den einschlägigen Gerätschaften untergebracht. Und davon durch eine Glaswand getrennt, das Atelier. Es ist das Heiligtum der Manufaktur, das niemand außer Umscheid und seiner Kollegin/Angestellten Betina Heinz betreten darf. Auch sie ist gelernte Uhrmacherin.

Der Uhr Leben einhauchen

Der Raum ist lichtdurchflutet und sollte absolut staubfrei sein, deswegen "Eintritt verboten". Denn hier werden all die kleinen Teilchen, die Schräubchen, Brücken, Triebe, haarfeinen Spiralen verbaut. Hier wird der Uhr Leben eingehaucht. Wo der Meister selbst sitzt, ist leicht zu erkennen: Sein Werktisch ist vollgeräumt mit Werkzeug. Feinsäuberlich sortiert und alles in Griffweite. Dagegen sieht der Tisch von Betina Heinz nahezu leer aus. "Je mehr Erfahrung der Uhrmacher hat, desto mehr Werkzeug liegt auf seinem Tisch", erklärt Umscheid.

Draußen rauscht der Schwerverkehr durch Poysdorf. Stört das nicht bei der Arbeit? "Das kriegst du im Atelier gar nicht mit", sagt der gebürtige Niederösterreicher. Man sei beim Kauf des Gebäudes außerdem davon ausgegangen, dass es bis zum Bezug schon die Autobahn nach Tschechien gibt. Jetzt heißt es, sie kommt 2016. Aber die Verkehrssituation habe auch etwas Gutes, sagt Umscheid: "Die Leute bleiben bei der Ampel stehen, sehen unser Firmenlogo und googeln uns." Die Zugriffe auf die Website hätten massiv zugenommen.

 Ein Lebenstraum

Montre Exacte ist die Verwirklichung eines Lebenstraums. Schon als Kind habe er sich für mechanische Uhren interessiert, sagt der 45-Jährige. Das kann jeder sagen - aber bei ihm ist es authentisch. Das merkt man, wenn man seinen Anekdoten lauscht und mit ihm über seinem Lebensweg plaudert. "Als Bub hat es mich wahnsinnig gemacht, den Zeigern zuzusehen und nicht zu wissen, warum sich der kleine so langsam und der dünne lange wiederum so schnell bewegt", erzählt er. "Deshalb hab ich die Uhren zerlegt. Für die Eltern war damit bald klar: 'Der Bua ghert auf die Uhrmochaschul'", wie Umscheid mit einem Grinsen erzählt. Gesagt, getan. Jung-Christian kam auf die Fachschule Karlstein im Waldviertel, die Ausbildungsstätte für angehende Uhrmacher in Österreich.

Dort holte er sich das erste Rüstzeug, dort entstand die Idee, etwas Eigenes aufzuziehen. Bestärkt wurde er in diesem Ansinnen auch während seiner Lehrzeit in der Schweiz, als er - nach Stationen im Handel und der Restauration von Uhren - 2000 für die Highend-Uhrenschmiede Audemars Piguet (AP) in Le Brassus zu arbeiten begann. In der Schweiz holte er sich den letzten Schliff in Sachen Fingerfertigkeit und Perfektion.

Harte Aufnahmeprüfung

Als erster Österreicher überhaupt schaffte er die harte Aufnahmeprüfung und durfte den Service für AP in Österreich übernehmen. Es folgten weitere Aufenthalte im Land der hochfeinen Uhren. Er lernte Philippe Dufour kennen, der Meister, der sein Mentor wurde, und ihm den Weg wies, wie es gelingen kann, eine Manufaktur aufzuziehen. "Bis 2011 habe ich mich praktisch auf die Manufaktur vorbereitet. Ich habe mir sämtliche Kenntnisse angeeignet, gelernt, mit CAD zu zeichnen, und so weiter", sagt Umscheid. Dann war es endgültig.

Der Businessplan steht, die Finanzierung ebenso. Fehlen nur noch die Uhren. Die gibt's derweil nur auf dem "Papier", genauer: als digitalen Prototyp. Sämtliche Bestandteile der Uhr sind schon im Haus, die Produktion läuft langsam an. "Es ist momentan schwierig, alles parallel zu machen. Am liebsten würde ich natürlich nur im Atelier sitzen", seufzt Umscheid. Im Februar 2014 werden die ersten Uhren fertig sein. Sein Ziel ist ein Output von 100 Stück pro Jahr.

Die "Vierteluhr"

Die "Vierteluhr" aber ist, das lässt sich jetzt schon sagen, eine Uhren-Kollektion, die etwas erzählen kann, die Witz und Charme hat. Sie spielt dezent mit Klischees. "Natürlich haben wir dabei an die niederösterreichischen Viertel gedacht", sagt Umscheid über die erste Viertel-Serie, die aus insgesamt fünf Modellen besteht. "Die Grundaufgabe der Vierteluhr ist, Stilelemente und Gegebenheiten des Weinviertels auf einer Armbanduhr zu transportieren", erklärt Umscheid. "Und zwar so, dass man nicht mit der Tür ins Haus fällt." Es sollte also nichts Plakatives sein. "Sonst hätten wir gleich eine Weinflasche aufs Zifferblatt knallen können", meint er. Und so lehnt sich die Gestaltung des Zifferblatts mit seinen Rillen an die Holzbretter der Stadltore an, die man im Weinviertel allerorts sieht.

Das Uhrband wiederum wird aus dem regionaltypischen, indigoblauen Gradl-Stoff, aus dem über Jahrzehnte die Schürzen, die sogenannten Fiata, der Winzer gemacht wurden, hergestellt. Verpackt wird die Uhr in Kisten aus Eichenholz, das von alten Weinfässern stammt. Logisch, dass eine Flasche Wein nicht fehlen darf: Die gibt's zum Zeitmesser dazu. Weitere Uhren für jedes Viertel Niederösterreichs sollen folgen, verspricht Christian Umscheid. Mit der "V2" auch ein eigenes Damenmodell, die "Viertlerin".

"Das wird richtig geil"

Danach soll's ein bisschen "komplizierter" werden. Das heißt in der Sprache der Uhrmacher: Es wird eine Uhr kommen, die neben der Zeit noch viele andere Dinge anzeigt und deren Werk dementsprechend komplexer zu gestalten ist. Die Entwicklung einer solchen komplizierten Uhr braucht gut vier bis fünf Jahre. "Das wird richtig geil." Mehr will Umscheid noch gar nicht preisgeben.

Sieht er sich als Künstler oder als Designer? "Als Techniker, besser als Technik-Freak", sagt Umscheid. "Ich vertrete die Philosophie der Funktion, wie ich es nenne. Zuerst muss die Funktion definiert sein. Daraus ergibt sich der Weg zum Design." Was sagen seine Frau und seine beiden Töchter zu seinen Plänen? "Sie stehen voll hinter mir. Was bleibt ihnen auch anderes übrig", sagt Umscheid. Und auch wenn er das nicht ganz ernst meint, merkt man doch, dass seine Familie und er sich auch mit der Frage des Scheiterns auseinandergesetzt haben.

Schritt für Schritt

Zehn Jahre, bis dahin will er sich mit Montre Exacte etabliert haben. Bis dahin muss er viel in Marketing, in Messeauftritte, in Kommunikation, in Konzeption und Bau neuer Kollektionen investieren. Alles Schritt für Schritt. "Wir stellen uns in eine Linie mit den ganz großen Schweizer Marken. Wir haben dieselben hohen Qualitätsansprüche, auch wenn wir nie den Schweizer Status bekommen sollten. Ich glaube fest daran, dass wir uns auch international etablieren können", ist Umscheid überzeugt. Er wisse, wie langsam sich die Dinge bei Audemars Piguet entwickelt hätten, auch dort hätte nicht alles auf Anhieb geklappt. "Jetzt ist AP eine Weltklasse-Manufaktur."

Das Interesse der Juweliere an seinem Produkt sei groß. Das, die ersten Vorbestellungen und viele Kundenanfragen stimmen ihn zuversichtlich. "Der Erfolg ist ein Gesamtpaket und scheint nicht nur von einem einzelnen Zahnrad abzuhängen", sinniert Umscheid am Ende des Gesprächs: "Wir haben jedenfalls die besten Zahnräder." (Markus Böhm, Rondo, DER STANDARD, 17.1.2014)