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Die Deutsche Diabetes Gesellschaft rät, auch nur bei Verdacht auf Unterzuckerung sofort Zucker zu verabreichen.

Im Herbst des vergangenen Jahres hatte im deutschen Osnabrück ein 15-jähriges Mädchenmit Typ-1-Diabetes und akuter Unterzuckerung – in der Fachsprache Hypoglykämie genannt – in einer Apotheke um Hilfe gebeten. Der Apotheker weigerte sich, eine Packung Traubenzucker anzubrechen und schickte das Mädchen weg. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zwischenzeitlich wegen unterlassener Hilfeleistung, der Apotheker bedauerte sein Verhalten. Das Verfahren soll jetzt kurz vor der Einstellung stehen, wie Medien berichten.

Im Blog einer Apothekerzeitschrift bewerteten Leser das Verhalten des Mädchens überwiegend als "Schnorren". Auch wurden das Mädchen und seine Eltern für die Unterzuckerung verantwortlich gemacht, weil der diabeteskranke Teenager weder Geld noch Nahrungsmittel bei sich hatte. 

Mögliche Bewusstseinsminderung

"Solche Vorwürfe gegenüber Menschen mit Diabetes und Unterzuckerungen sind weit verbreitet und falsch", so Andreas Fritsche, Pressesprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). "Wir weisen die Patienten darauf hin, immer Traubenzucker bei sich zu tragen. Trotzdem kann es in seltenen Fällen vorkommen, dass dieser nicht zur Hand ist und ungewollt eine Unterzuckerung entsteht."

Eine Unterzuckerung kann mit verwirrtem Verhalten und Bewusstseinsminderung einhergehen, was Außenstehende oft falsch einschätzen. "Einige halten unterzuckerte Diabetespatienten dann irrtümlich für betrunken", erklärt Fritsche. 

Kein Schaden durch Zuckergabe

Hilfe zu leisten ist vergleichsweise einfach. Eine Unterzuckerung kann mit einem gezuckerten Getränk, gezuckerten Nahrungsmitteln oder etwas Traubenzucker behandelt werden. "Sollte doch keine Unterzuckerung vorliegen, kann man durch eine einmalige Gabe von Traubenzucker jedenfalls keinen Schaden anrichten", versichert Fritsche.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft rät daher, auch nur bei Verdacht auf Unterzuckerung sofort Zucker zu verabreichen. "Es muss lediglich darauf geachtet werden, dass der Patient noch bei Bewusstsein ist", erklärt der DDG Experte. Ist der unterzuckerte Diabetespatient bewusstlos, sollte immer ein Notruf erfolgen. 

Kein eigenes Verschulden

Der Fall des 15-jährigen Mädchens weist die DDG darauf hin, dass Unterzuckerungen in der Regel schicksalhaft entstehen und nicht aus eigenem Verschulden bewusst herbeigeführt werden. "Manche Menschen mit Diabetes leiden auch unter Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen, die Unterzuckerung überfällt sie sozusagen ohne Vorwarnung", so Fritsche. Leider würden Unterzuckerungen oft verharmlost und in der Bevölkerung allgemein mit Hunger und Müdigkeit verwechselt.

Darüber hinaus erhöhen viele Diabetesmedikamente die Unterzuckerungsgefahr. "Deshalb sind blutzuckersenkende Tabletten und Insuline, die mit weniger Unterzuckerungen einhergehen, für Patienten von großem Vorteil", so der Experte. Dass diese Vorteile von den Kostenträgern nicht in ausreichendem Maße anerkannt werden, kritisiert die DDG. (red, derStandard.at, 14.1.2014)