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Foto: derStandard.at/von Usslar

"Warum sind EU-Mitgliedschaft und der Euro irreversibel? Müsste es nicht in einer echten Gemeinschaft auch Möglichkeiten zum Austritt geben?", fragt Poster Dr. Viktor Frankenstein.

Aus der Europäischen Union, lieber Dr. Viktor Frankenstein, kann man sehr wohl austreten. Das ist rechtlich im Vertrag von Lissabon unter Artikel 49a geregelt. Dort heißt es: "Ein jeder Mitgliedsstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten ..." Dezidiert geregelt ist die Austrittsoption allerdings tatsächlich erst seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon 2009. In den Vorgängerverträgen war die Option umstritten, weil nicht eindeutig darauf Bezug genommen wurde.

Kosten nicht kalkulierbar

Allerdings kann ein Land nicht von einem auf den anderen Tag austreten, sondern muss darüber erst in Verhandlungen mit der EU treten. Die Einzelheiten des Austritts werden dann rigide eine um die andere verhandelt. Finanziell und institutionell sind die Länder ja stark mit der EU verwoben. Solch ein Verfahren der Entflechtung wird mitunter vermutlich eher Jahre als Monate dauern. Beispiele existieren ja aktuell noch nicht. Auch sind die Kosten, die ein Austritt für ein Land verursachen würde, kaum kalkulierbar. Experten gehen aber davon aus, dass ein Austritt auf jeden Fall teuer würde.

In fast allen Staaten existieren allerdings Interessengruppen und Parteien, die mit der Forderung nach einem EU-Austrittsverfahren Politik machen. In Österreich wurde im Dezember 2011 ein eingebrachter Antrag auf Abhaltung eines Volksbegehrens wegen formaler Mängel abgewiesen. Die Initiatoren sammeln aktuell noch einmal Unterstützungserklärungen, um das "EU-Austritts-Volksbegehren" doch noch durchführen zu können. Die Hälfte der benötigten 8.500 gemeindeamtlich bestätigten Erklärungen habe man schon vorliegen, berichteten die Initiatoren Ende Dezember. Erst vor einem Jahr hat der britische Premier David Cameron die Union in eine massive Austrittsdebatte gestürzt. Cameron hatte - aus innenpolitischem Kalkül - eine Abstimmung über den Verbleib in der EU nach den nächsten Parlamentswahlen 2015 angekündigt. Großbritannien gilt als eines der EU-kritischsten Länder der Union.

Österreichische EU-Zustimmung wächst

Die Zustimmung der Österreicher zur Europäischen Union wächst allerdings in den letzten Jahren. Während 2008 36 Prozent der Österreicher die EU für eine gute Sache hielten, waren es 2013 bereits 47 Prozent. Die höchste Zustimmung hat laut einer aktuellen Gallup-Umfrage die Bevölkerung von Luxemburg, Deutschland und Belgien mit 67, 59 und 56 Prozent. In Griechenland liegt der Wert aktuell bei nur 19 Prozent, in Großbritannien bei 29 Prozent. Nur 14 Prozent der österreichischen Bevölkerung ist übrigens laut dem Meinungsforschungsinstitut GfK Austria für einen EU-Austritt (Stand: Mai 2013). Ähnlich die Bilanz bezüglich eines Euro-Austritts-Szenarios: Nur zwölf Prozent hielten einen solchen laut GfK für "sehr gerechtfertigt", 17 Prozent noch für "eher gerechtfertigt".

Austritt aus dem Euro

Die rechtliche Lage bezüglich eines Austritts aus der Eurozone ist ebenfalls komplex. Die Wege und Kriterien für die Aufnahme eines Landes in den Euroraum wurden im Vertrag von Maastricht festgeschrieben. Ein Ausstiegsszenario wurde nicht berücksichtigt. Wer allerdings aus der EU austritt (nach den obengenannten Bedingungen des Vertrags von Lissabon), gehört rein rechtlich auch nicht mehr zur Eurozone. Es kursieren unterschiedliche Szenarien, wie und unter welchen Umständen ein Austritt außerdem möglich wäre.

Das britische Wirtschaftsmagazin "The Economist" zum Beispiel meint, dass das betroffene Land einfach ein Gesetz verabschieden könnte, wonach die Gehälter seiner Staatsbediensteten, soziale Leistungen und auch Zinsen für Staatsschulden künftig in einer neuen Währung gezahlt werden. Der private Sektor müsste dann notgedrungen folgen. Logistische, finanzpolitische Fallstricke und Chaos an den Märkten inklusive. Ein Land müsste völlig verzweifelt sein, um einen solchen Schritt zu wagen, so die Autoren in "The Economist". Für eine mögliche Rückkehr zur Drachme sollen in Griechenland seit 2009 bei allen Kreditinstituten Notfallpläne vorliegen. (mhe, derStandard.at, 14.1.2014)