"Ich hätte dort an den Blüten herumriechen sollen", erzählt Ewald Stadler, Spitzenkandidat der Reformkonservativen für die EU-Wahl, dem Neos-Abgeordneten und Laizisten Niko Alm von seinem kirchlichen Eheunterricht. Für die Abkehr von der katholischen Kirche seien Bischöfe, Priester und Laien verantwortlich. Diese hätten nämlich versagt. Mit seinem "Missionsauftrag" müsse er – so wie alle Katholiken – dafür sorgen, "dass die Mehrheit wieder katholisch wird", so Stadler.

Von Stadlers Missionseifer hält Alm wenig: "Sie machen keinen Hehl daraus, dass Sie in Ihrer politischen Funktion missionieren wollen und sogar müssen. Und dass Sie von einer ordentlichen Trennung von Staat und Kirche nichts halten." Über das Kruzifix im Klassenzimmer, die Fristenlösung und Stadlers Tätigkeit als Scheidungsanwalt diskutieren Alm und Stadler im derStandard.at-Interview.

derStandard.at: Herr Stadler, Sie haben eine hauseigene Kapelle. Dürfte ein Pastafari wie Herr Alm diese betreten?

Stadler: Ein was? Was ist ein Pastafari?

Alm: Der Pastafarianismus ist meine Religion, das ist die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters. Aber wir nutzen keine Kapellen. Selbst wenn ich dürfte, wüsste ich nicht, was ich dort mache.

Stadler: Meine Kapelle kann jeder betreten, der mein Gast ist und der dort keinen Unfug betreibt.

derStandard.at: Fällt der Pastafarianismus für Sie unter Blasphemie?

Stadler: Das ist einfach nur verrückt, das ist die Verhöhnung religiöser Gefühle. Ich kann damit nichts anfangen, das ist ein neuheidnischer Klub.

Alm: Warum fühlen Sie sich dadurch verhöhnt, dass andere Menschen eine andere Religion haben?

Stadler: Ist es eine Religion?

Alm: Ja, natürlich.

Stadler: Dann können Sie mir sicher die theologischen Eckpfeiler nennen.

Alm: Das Universum wurde von einem Fliegenden Spaghettimonster geschaffen, das hat weniger als eine Sekunde gedauert, es gibt wesentliche Glaubensgrundsätze, das sind die acht "Am liebsten wäre mir". Kernelement ist das achte, das der Goldenen Regel entspricht.

Stadler: Gut, wenn das Ihre Religion ist, ist das unter Narretei abzuhandeln. Das Fliegende Spaghettimonster soll die Welt erschaffen haben? Da brauchen wir gar nicht weiterzureden.

Alm: Ich finde das nicht mehr oder weniger absurd als andere Religionen. Ich fühle mich in meinen religiösen Gefühlen verletzt.

Stadler: Dann fühlen Sie sich das. Den lieben Gott als Fliegendes Spaghettimonster abzutun ist närrisch.

Ist Pastafarianismus eine Religion? Ewald Stadler befürchtet eine Verhöhnung religiöser Gefühle. Foto: Der Standard / Cremer
Foto: Der Standard/Cremer

derStandard.at: Herr Alm, Sie waren Initiator des Antikirchenprivilegienvolksbegehrens: Was haben Sie eigentlich gegen Religionen?

Alm: Ich habe ausschließlich etwas gegen Sonderrechte, mir geht es im Wesentlichen um Demokratie.

derStandard.at: Was Sie beide aber eint, ist die Ablehnung der Kirchensteuer?

Alm: Die Kirchensteuer ist eine vereinsinterne Angelegenheit. Wenn das Ihre Mitglieder zu entrichten haben, dann geht mich das als Nichtmitglied gar nichts an. Es darf aber daraus keine steuerliche Absetzbarkeit resultieren.

Stadler: Ich sehe es etwas differenzierter. Die anerkannten Religionsgemeinschaften haben einen Wert für den österreichischen Staat. Sie schaffen moralische, sittliche Werte, dazu ist der Staat nicht in der Lage.

derStandard.at: Welche moralisch-sittlichen Werte meinen Sie?

Stadler: Die Werte der Zehn Gebote beispielsweise. Darauf basiert die komplette Strafrechtsordnung. Sie dürfen niemanden ermorden, weil Ihnen danach ist oder weil Ihnen die moralische Berechtigung erteilt wird, wie zum Beispiel in der Scharia oder im Hinduismus.

derStandard.at: Sie schütteln den Kopf, Herr Alm.

Alm: Das stimmt natürlich nicht, die Werte kommen aus der Gesellschaft heraus, nicht von einer jenseitigen Macht. Natürlich basieren unser Zusammenleben und unsere Demokratie auf Werten, wie den Menschenrechten, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union oder der Verfassung. Sie kennen die Zehn Gebote.

Stadler: Ich kenne sie, aber kennen Sie sie? Wo ist dort das Tötungsverbot geregelt?

Alm: Die ersten drei Gebote haben in unserer Rechtsordnung nichts verloren.

Stadler: Können Sie sie nennen?

Alm: Ja: Du sollst an einen Gott glauben, du sollst den Namen des Herrn nicht achtlos aussprechen, du sollst den Tag des Herrn heiligen.

Stadler: Kommt fast hin.

derStandard.at: Sie haben sich auch wiederholt gegen Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen. Ist das Abtreibungsverbot, also auch das Ende der Fristenlösung, eine Forderung Ihrer neu gegründeten Partei?

Stadler: Meine religiöse Überzeugung ist, den Frauen Hilfe und nicht Abtreibung anzubieten. Die Abtreibung ist auch im Rahmen der Fristenlösung ein Tötungsdelikt, wird aber nicht verfolgt. Das ist die geltende Rechtslage. Ich würde das gerne ändern.

derStandard.at: Wollen Sie die Fristenlösung wieder zurücknehmen?

Stadler: Ich halte die Fristenlösung für inhuman. Jeder, der ein Leben umbringt, begeht damit ein Delikt. Der eigentliche Täter ist nicht die Mutter, sondern der Arzt. Der gehört bestraft. Die Mutter ist Beitragstäterin.

Wann beginnt das Leben? Niko Alm kritisiert Stadlers "Interpretation". Foto: Der Standard / Cremer
Foto: Der Standard/Cremer

Alm: Wir sind uns alle einig, dass Abtreibung keine Verhütungsmethode ist. Die Fristenlösung war in den 1970er-Jahren ein guter Kompromiss. Wenn es zu einer ungewollten Schwangerschaft kommt, ist die Abtreibung eine schwere Entscheidung für eine Frau. Sie darf dann nicht noch mit dem Strafgesetzbuch bedroht werden. Sie wollen die gesetzliche Lösung wieder zurücknehmen.

Stadler: Ich will jeden Schwachen schützen. Vom Beginn des Lebens bis zum natürlichen Ende des Lebens. Der Beginn ist die Empfängnis.

Alm: Das ist Ihre Interpretation.

Stadler: Das ist medizinisches Faktum.

derStandard.at: Das heißt, Sie sind auch gegen Sterbehilfe, Herr Stadler?

Stadler: Ja, ich lehne Sterbehilfe ab. Auch das ist ein Tötungsdelikt.

derStandard.at: Warum kann man Menschen nicht zugestehen, das selbst zu entscheiden?

Stadler: Das macht jeder Selbstmörder. Wenn Sie aber einem Selbstmörder helfen, machen Sie sich strafbar.

Alm: Ist Selbstmord für Sie ein Delikt?

Stadler: Nein, nicht im strafrechtlichen Sinn. Im theologischen Sinn ist es eine Tat gegen den Willen Gottes.

Alm: Es gibt keinen göttlichen Willen. Sorry, dass Sie es so erfahren müssen.

Stadler: Das ist Ihre Auffassung. Meine ist es nicht.

Alm: Es ist ein Faktum, dass Menschen ihrem Leben aus welchen Gründen auch immer ein Ende setzen wollen. Es steht uns nicht zu, die Motive zu bewerten. Sie können Menschen einen Selbstmord nicht verbieten. Es gibt auch komplizierte Fälle, wo Menschen nicht mehr in der Lage sind, das selbst zu entscheiden. Die moderne Medizin kann Leben verlängern, wo der natürliche Tod längst eingetreten wäre.

Stadler: Das zeigt, wie gefährlich es ist, die Büchse der Pandora aufzumachen. Ich sehe das immer aus der Sicht des Opfers. Der Betroffene, der nicht selbst entscheiden kann, ob er weiterleben will oder nicht. Seine Rechte sind entscheidend und nicht die der Verwandten.

Alm: Vielleicht sieht sich das Opfer aber als Opfer, wenn es weiterleben muss. Auf den Gedanken kommen Sie aber gar nicht. Die Büchse der Pandora ist geöffnet, aber nicht durch Sie. Wir haben Situationen in Spitälern, die weder Sie noch ich ändern können, aber wir müssen uns damit auseinandersetzen.

Stadler: Ich scheue mich nicht davor, mich damit auseinanderzusetzen. Aber ich habe eine klare Position dazu, die von der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung geteilt wird.

Alm: Das glaube ich nicht, es gibt eine Studie, die das Gegenteil beweist.

Stadler: Die Wahrheit ist auch nicht von der Mehrheit der Bevölkerung abhängig.

Alm: Sie haben aber gerade mit der Mehrheit argumentiert.

Stadler: Selbst wenn die Mehrheit das anders sähe, würde es an meiner Position nichts ändern.

Alm: Dann halten wir fest: Sie wollen Ihre Meinung nicht ändern und komplexe Fälle aussparen, indem Sie an Ihrer einfachen Position festhalten.

Stadler: Einfach wäre es, einen Menschen umzubringen, weil er nicht mehr ins System passt.

derStandard.at: Einer der meistdiskutierten Artikel auf derStandard.at im vergangenen Jahr war die Geschichte einer Mutter, die erwirkte, dass das Kreuz in der Schulklasse entfernt wurde. Wie stehen Sie dazu, Herr Stadler?

Stadler: Nicht nur das Kreuz, sondern das Kruzifix soll in der Klasse hängen. Es ist das tragende Heilssymbol unseres Landes.

derStandard.at: Auch wenn die Mehrheit der Schüler nicht christlichen Glaubens ist, soll das Kruzifix in der Klasse hängen?

Ewald Stadler sieht sich nicht nur als christlicher Politiker, sondern auch als Missionar. Foto: Der Standard / Cremer
Foto: Der Standard/Cremer

Stadler: Das hat damit nichts zu tun. Wir Katholiken haben einen Missionsauftrag und müssen dafür sorgen, dass die Mehrheit wieder katholisch wird.

Alm: Das machen Sie ja, indem Sie die Empfängnisverhütung verbieten. Damit viele Katholiken produziert werden.

Stadler: Auf diese Polemik gehe ich zunächst einmal nicht ein.

Alm: Das ist keine Polemik. Warum hat der letzte Papst denn Kondome verboten? Damit sich Ihre Religion fortpflanzt.

Stadler: Kommen wir zur Frage zurück. Unser Auftrag als Katholiken ist zu missionieren. Dass so viele aus der Kirche austreten, besagt, dass jene, die den Auftrag haben, versagt haben. Der Missionsauftrag richtet sich an uns Christen. Er ist ja nicht deshalb aufgehoben, weil die Bischöfe, Priester, Christen und Laien versagt haben.

Alm: Herr Stadler, Sie sprechen als privater Gläubiger. Als Politiker sind Sie die Legislative.

Stadler: Nein. Ich spreche als christlicher Politiker. Und der christliche Politiker hat einen Missionsauftrag, wie übrigens jeder, der getauft ist.

Alm: Herr Stadler, was ich an Ihnen schätze, ist Ihre Ehrlichkeit. Da haben Sie vielen Glaubensbrüdern und -schwestern einiges voraus.

Stadler: Ja, da ist wahr. Leider, leider.

Alm: Sie machen keinen Hehl daraus, dass Sie in Ihrer politischen Funktion missionieren wollen und sogar müssen. Und dass Sie von einer ordentlichen Trennung von Staat und Kirche nichts halten.

Stadler: Auch das ist wahr. Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht.

Alm: Ich sehe nicht ein, warum ein Zwang bestehen muss, ein religiöses Symbol in der Klasse aufzuhängen. Ich will mich einmal primär nur auf diesen Zwang beziehen. In unseren Gesetzen steht, dass das Kreuz anzubringen ist, wenn mehr als die Hälfte der Kinder einem christlichen Bekenntnis zuzurechnen ist. Es gibt aber nicht die umgekehrte Konsequenz, dass es abgehängt werden muss, wenn weniger als die Hälfte christlich ist. Eine öffentliche Schule ist keine geeignete Werbefläche für Religion. Meine Kritik an den Kreuzen richtet sich primär gegen die gesetzliche Grundlage. Erst dann können wir diskutieren, wie gefährlich oder ungefährlich diese Symbolik ist.

Stadler: Wissen Sie, in wessen Gesellschaft Sie sich mit dieser Argumentation befinden?

Alm: Jetzt kommen Sie wahrscheinlich wieder mit den Kommunisten oder den Nazis.

Stadler: Genau. Die Nazis waren es.

Alm: Sie wissen, was auf den Gürtelschnallen der Wehrmacht gestanden ist ("Gott mit uns", Anm.). Hitler war zeit seines Lebens römisch-katholisch und ist nie exkommuniziert worden. "Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn." Sie wissen, von wem dieses Zitat stammt.

Stadler: Nein.

Alm: Natürlich wissen Sie das.

Stadler: Die Nationalsozialisten waren die Letzten, die eine staatlich organisierte Kampagne zur Beseitigung des Kruzifixes aus Schulen geführt haben. Nur der entschlossene Widerstand von Kardinal Faulhaber an der Spitze einer Großdemonstration hat die Nazis damals davon abgehalten, die Kruzifixe aus den Schulen zu beseitigen.

Alm: Damit sie ihr eigenes Kreuz anbringen konnten. Weil sie nicht akzeptiert haben, dass wer anderer Herr im Hause ist.

Stadler: Ja, das was jetzt der Beweis, dass er den Herrn doch noch anerkennt!

Alm: Diese Interpretation muss ich zurückweisen.

Stadler: Natürlich, es geht um die Christkönigsherrschaft! Das ist genau der Punkt. Wer Christus aus der Öffentlichkeit weghaben will, der will seine Herrschaft beseitigen. Ich finde es gut, dass Sie das erkannt haben. Das ist der erste Schritt zur Besserung.

derStandard.at: Herr Stadler, Sie weisen Herrn Alm darauf hin, in welcher Gesellschaft er sich befindet. Aber erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Sie bei der FPÖ waren? Teile dieser Partei hatten und haben immer wieder Probleme, sich vom Nationalsozialismus abzugrenzen.

Stadler: Ich aber nicht. Was glauben Sie, welche Schwierigkeiten ich mit Strache und Co hatte? Ich bin immer der "Kerzerlschlucker" gewesen. Ich war grundverdächtig als jemand, der keinen einzigen Nazi in der Familie hat, dafür aber einen katholischen Widerstandskämpfer.

Alm: Wie haben Sie das alles in der FPÖ dann immer so leicht tolerieren können?

Stadler: Ich habe es nicht leicht toleriert. Ich habe harte Auseinandersetzungen gehabt.

Alm: Warum waren Sie nicht bei einer anderen Partei oder haben selbst eine gegründet?

Stadler: Das habe ich. Spät, aber doch. Ich war immer der Meinung, dass es besser ist, in einer bestehenden Partei seine eigenen Positionen durchzubringen. Nun habe ich die Rekos, die Partei der Reformkonservativen, gegründet.

derStandard.at: Herr Alm, wie definieren Sie Familie?

Alm: Familie setzt die Anwesenheit von Kindern voraus. Familie in einem traditionellen Kontext existiert heute vielfach nicht mehr. Ich bin kein großer Freund davon, Lebensformen in irgendeiner Form zu diskriminieren oder zu privilegieren. Das gilt für die Ehe, die Familie genauso wie für das Singledasein. Ich akzeptiere, dass es traditionell hergebrachte Modelle gibt, die man heute aber neu bewerten muss.

derStandard.at: Sie befürworten die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften?

Alm: Selbstverständlich. Man muss die religiöse Ehe von der zivilen Ehe unterscheiden. Eine Ehe ist eine Verantwortungsgemeinschaft. Es ist irrelevant, ob diese zwei Frauen, zwei Männer oder ein Mann und eine Frauen miteinander eingehen.

derStandard.at: Herr Stadler, was verstehen Sie unter Familie?

Stadler: Familie besteht aus Vater, Mutter, Kind. Sie ist nicht an das Institut der Ehe gebunden. Familie kann man auch haben, wenn man geschieden ist oder mit der Kindesmutter in einer Lebensgemeinschaft lebt. Familie ist sogar dann vorhanden, wenn die Lebensgemeinschaft aufgehoben ist.

derStandard.at: Sehen Sie homosexuelle Partnerschaften als Bedrohung für die Ehe?

Stadler: Die Ehe wird leider durch etwas anderes bedroht. Sie wird immer unattraktiver dadurch, dass man die Scheidungskonflikte vor Gericht löst.

derStandard.at: Würden Sie als Scheidungsanwalt arbeiten?

Stadler: Unsere Kanzlei ist sogar auf Familiencausen spezialisiert. Aber man muss bei Scheidungsverfahren schauen, dass das Kindeswohl im Vordergrund steht.

derStandard.at: Wenn Sie Scheidungen ablehnen, warum führt Ihre Kanzlei solche durch?

Stadler: Die zivile Ehe ist von der sakramentalen Ehe zu unterscheiden. Die Zivilehe gilt als Vertrag, der wie alle anderen Verträge vor Gericht gelöst werden kann. Wer eine sakramentale Ehe eingeht, hat damit eine andere Ebene betreten, die mit dem Staat und den Scheidungsgerichten nichts zu tun hat.

derStandard.at: Ist es für Sie als Katholik nicht problematisch, wenn Sie zivile Scheidungsverfahren begleiten und auch davon finanziell profitieren?

Stadler: Problematisch wäre es, wenn wir Scheidungsverfahren gezielt betreiben würden. Aber auch das müsste ich mir in erster Linie mit dem lieben Gott und meinem Beichtvater ausmachen. Ein Rechtsbeistand hat im Rahmen der geltenden Rechtsordnung seine Aufgabe wahrzunehmen.

Alm: Das verstehe ich nicht. Jetzt auf einmal gilt der Rechtsrahmen der Republik. Nach Ihrer Logik dürften Sie nur Scheidungen zwischen Nichtkatholiken durchführen.

Stadler: Nein. Wir halten uns an die Logik, dass wir im Scheidungsverfahren einen Zivilvertrag auflösen. Unabhängig davon bleibt das sakramentale Band aufrecht. Das sagen wir den Leuten auch. Die Leute, die zu uns kommen, wissen, dass sie in eine christliche Kanzlei kommen.

Alm: Diese saubere sachliche Trennung könnte man bei den Kruzifixen im Klassenzimmer doch genauso anwenden.

Stadler: Eben nicht! Die Auflösung einer zivilen Ehe hat auf die Gültigkeit des Sakraments keinen Einfluss.

derStandard.at: Sie haben ja gesagt, Sie haben einen Missionsauftrag. Müssten Sie demzufolge die Menschen, die sich vor dem Zivilgericht scheiden lassen wollen, versuchen zu bekehren und stärker an den Bund, den sie vor Gott geschlossen haben, erinnern?

Stadler: Vor dem Standesamt geschlossene Ehen sind kein Bund vor Gott. Prinzipiell ist das Verständnis für das Sakrament der Ehe stark verlorengegangen, weshalb sogar viele kirchlich geschlossene Ehen hinterfragt werden müssen.

derStandard.at: Da ist Ihr Missionsgeist plötzlich weg?

Stadler: Nein. Die Mission lautet: das Verständnis für die Ehe zu schärfen und die Leute erst dann zur Ehe zu bringen, wenn sie sich über das Wesen des Ehesakraments im Klaren sind. Deshalb gibt es ja den kirchlichen Eheunterricht, der aber am Boden liegt. Ich erinnere mich an mein eigenes Eheseminar, das von einem Studentenpaar durchgeführt wurde, das aber nicht einmal verheiratet war. Die haben mit uns Gruppentherapie gemacht. Am Schluss hätte mich meine zukünftige Frau mit verbundenen Augen zu einem Strauch führen sollen. Ich hätte dort an den Blüten herumriechen sollen. So grotesk spielen sich die Eheseminare ab. Die erhebliche Zahl von kirchlichen Ehen ist meines Erachtens nicht ordnungsgemäß zustande gekommen und deshalb potenziell nichtig. (Katrin Burgstaller, Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 15.1.2014)