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Eine Bombe zerstörte Ende Dezember das Gebäude in dem die "Vijesti"-Redaktion untergebracht ist.

Foto: REUTERS/Stevo Vasiljevic

"Schläge, Steine, Bomben gegen kritische Journalisten", so lautete dieser Tage eine Schlagzeile der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Nein, das ist keine Räubergeschichte aus einem finsteren Eck der Welt. Schauplatz ist das gar nicht so ferne Montenegro, das seit drei Jahren Beitrittskandidat sowohl der NATO als auch der EU ist. Schutz seitens der Regierung können dort gefährdete Medien bisher nicht erwarten. Vielmehr neigt Premier Milo Djukanovic dazu, kritische Journalisten als bezahlte Söldner, als Marionetten des Auslandes zur Schwächung des Staates, schlichtweg als "krank" zu verunglimpfen. Dass diese vermehrt krankenhausreif geschlagen werden, kümmert ihn weniger.

Journalistin niedergeknüppelt

Kein Wunder könnte man sagen, nimmt doch Montenegro Rang 113 auf der Pressefreiheitsrangliste von "Reporter ohne Grenzen" ein, knappe 66 Plätze vor dem traditionellen Schlusslicht Eritrea. Dass derzeit mit der EU in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verhandelt wird, macht die Situation auch nicht besser. Bereits am dritten Tag dieses neuen Jahres wurde Lidija Nikcevic, Redakteurin der Zeitung "Dan" in Niksic, der zweitgrößten Stadt des Landes, vor dem Redaktionsgebäude niedergeknüppelt. Ein schwarz maskierter Mann hatte ihr auf dem Parkplatz aufgelauert, brutal auf ihren Kopf eingeschlagen und war dann geflüchtet. Nikcevic landete schwer verletzt im Krankenhaus. Sie hatte über Korruptionsfälle recherchiert und berichtet.

Bombe vor "Vijesti"-Redaktion

Eine Woche zuvor detonierte in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica vor der Redaktion der Tageszeitung "Vijesti" eine Bombe. Verletzt wurde niemand, der Sachschaden ist beträchtlich. Auch hier verschwand der Täter unbehelligt. "Vijesti" und "Dan" sind die wichtigsten verbliebenen regierungskritischen Tageszeitungen des Landes. Der Rest schweigt bereits. Die Angst geht um unter den Journalisten des Landes. Gewalt gegen Medien bleibt ungestraft.

Appell der Eigentümer

"Im Schulterschluss mit der Regierung will die Mafia freie Medien ersticken und die Meinungsfreiheit umbringen", empört sich der Verband der Bürgerinitiativen "MANS". Für "Reporter ohne Grenzen" ist die Toleranz der Justiz gegenüber den Angreifern von Journalisten inakzeptabel. Die "Vijesti"-Mehrheitseigentümer, also auch die Styria Media Group AG, richten einen Appell an Premier Djukanovic, die "Feindseligkeiten" gegen unabhängige Medien einzustellen. Manche interpretieren die jüngsten Vorfälle als Auftakt für eine neue Etappe der landesweiten Einschüchterungspolitik gegenüber Journalistinnen und Journalisten.  

Keine Einzelfälle

Tatsächlich handelt es sich bei diesen Attacken auf die Meinfreiheit nicht um Einzelfälle. Im November vergangenen Jahres war die "Vijesti"-Redaktion einem Steinhagel ausgesetzt. Im Sommer verprügelten Unbekannte drei Journalisten. Die Herausgeberin der Wochenzeitung "Monitor" wurde in einer Flut von SMS-Nachrichten massiv bedroht. Sie hatte Montenegro als rechtsfreien Staat bezeichnet. Vor der Wohnung des Journalisten Tufik Softic, Mitarbeiter von "Vijesti" und "Monitor" in Berane, explodierte eine Handgranate. Zuvor waren in steter Regelmäßigkeit "Vijesti"-Fahrzeuge in Brand gesetzt worden. Auch in diesen Fällen wurden die Täter nie gefunden, obwohl Sicherheitskameras installiert waren.

"Um sein Leben fürchten"

"In einem Land, im dem die Regierung mit der organisierten Kriminalität gewachsen ist, muss  jeder, der spricht oder schreibt wie er denkt, um sein Leben fürchten", postuliert die gemeinnützige NGO "MANS". Die EU gibt sich diplomatischer: Die Verwicklung besonders der Polizei bei Gewalt-Attacken gegen Journalisten sei besorgniserregend.

Seit acht Jahren ist der kleine Adriastaat selbständig und von Serbien unabhängig. Seit James Bond alias 007 in "Casino Royale"  2006 seiner Lizenz zum Töten nachkam preist sich Montenegro als balkanisches Monaco der Zukunft. Dass die Dreharbeiten wo anders stattgefunden haben dürften und Montenegro nur als landschaftliche Kulisse diente, spielt dabei keine Rolle. Im Kino ist Schummeln erlaubt.

Mafiöse Praktiker

Im wahren Leben allerdings, so behaupten böse Zungen immer noch, sei nicht nur das Land sondern auch Premier Djukanovic durch Zigarrettenschmuggel und Kontakten zur italienischen Mafia zu Reichtum und Macht gekommen. Reporter des "International Consortium of Investigative Reporters" (ICIJ) bezifferten vor einiger Zeit sein privates Vermögen mit rund 15 Millionen US-Dollar. Nicht wenige Familienangehörige sitzen in Schlüsselpositionen.

Mafiöse Praktiker scheuen bekanntlich Transparenz und Tageslicht. Montenegro hingegen ist ein seriöser EU-Beitrittskandidat und rechnet damit, 29. Mitgliedsland zu werden. Wie reagiert also die Regierung in Podgorica auf die allgemeine Besorgnis um die Medienfreiheit: Zur Klärung der genannten Fälle wird eine Sonderkommission eingesetzt. (Rubina Möhring, 12.1.2014)