Bregenz - Der Grüne Bildungssprecher Harald Walser sieht Österreich in der Diskussion um eine Gesamtschule für die Zehn- bis 14-Jährigen vor einer "historischen Weichenstellung". Es gebe nun eine reale Chance auf eine Modellregion. Walser will demnächst einen parteiübergreifenden Entschließungsantrag im Nationalrat einbringen, die Rückmeldungen der Vorarlberger Abgeordneten dazu seien "durchaus positiv".

Ziel des Antrags ist es, "größere Regionen oder auch ganze Bundesländer" als Modellregion für die Gemeinsame Schule führen zu können, so Walser bei einer Pressekonferenz am Freitag. Er habe alle Vorarlberger Nationalratsabgeordneten eingeladen, mitzumachen und führe kommende Woche Gespräche mit SPÖ- und ÖVP-Vertretern. Allein die Vorarlberger Abgeordneten der FPÖ hätten bisher erklärt, nicht mitgehen zu wollen.

FPÖ will föderale Entscheidungen nicht boykottieren

Die FPÖ will Modellversuche aber nicht unmöglich machen: Bildungssprecher Walter Rosenkranz sagte am Donnerstag, trotz der grundsätzlichen Ablehnung einer Gesamtschule wolle man eine föderale Entscheidung nicht boykottieren. Vorarlbergs FPÖ-Chef Dieter Egger sah diese Zustimmung als sein Verdienst: Er habe bei Rosenkranz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache erreicht, dass eine föderale Entscheidung in Vorarlberg akzeptiert werden wird. "Das heißt, dass die FPÖ im Parlament einen Vorarlberger Modellversuch einer gemeinsamen Schule im Sinne eines richtig verstandenen Föderalismus unterstützen wird."

Walser: "Brauchen sicher noch zehn Jahre"

"Eine Situation wie jetzt hatten wir noch nie", erklärte Walser angesichts der derzeitigen Entwicklung. Auch in Tirol, Salzburg, der Steiermark und Wien werde die Einrichtung von Modellregionen gefordert. Er sah die Volkspartei vor einer Zerreißprobe. Vizekanzler ÖVP-Chef Michael Spindelegger sei in der Defensive, denn nur noch Teile des ÖAAB seien gegen die Reform. "Es ist nur die Frage, wer sich durchsetzen wird", sagte Walser. Vorarlberg halte er für eine ideale Modellregion, denn nirgends gebe es so viele Befürworter einer Gesamtschule, so der ehemalige Direktor eines Gymnasiums. Anders als Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ihm unterstelle, glaube er nicht an eine rasche Umsetzung einer Gesamtschule. Nach einer Beschlussfassung, die noch in weiter Ferne liege, werde man sicher noch an die zehn Jahre brauchen.

Von SPÖ enttäuscht

Wichtig sei es nun, die Diskussion über die ÖVP-interne Debatte hinaus zu führen, sowohl im Unterrichtsausschuss mit einem Expertenhearing als auch bei einem Bildungsgipfel. Von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, der von Streitereien gesprochen hatte, zeigte sich Walser enttäuscht. Die SPÖ habe sich als gestaltende Kraft in der Bildungsfrage offenbar verabschiedet.

Der zweite Nationalratspräsident Karleinz Kopf (ÖVP) und sein Parteikollege und Landsmann Norbert Sieber wollen dem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Kopf begründete, man wolle erst die Erkenntnisse aus dem Vorarlberger Forschungsprojekt abwarten und unterstütze das Vorgehen der Vorarlberger Landesregierung voll und ganz. Das gelte auch für allfällig erforderliche Gesetzesänderungen auf Bundesebene, wenn es dann darum gehe, die Ergebnisse der Studie umzusetzen.

Derzeit sei keineswegs abzusehen, ob solche Änderungen nötig sein werden. Keinesfalls könne man davon ausgehen, dass automatisch eine flächendeckende Umstellung in ganz Vorarlberg der nächste Schritt sein werde. Die Vorarlberger ÖVP-Abgeordneten rechneten eher mit "einzelnen Pilotprojekten". (APA, 10.1.2014)