Das Bildnis des Ex-Dikators sei laut Merino für immer in den Köpfen der Spanier "eingefroren": 2012 avancierte "Always Franco" im Zuge der Arco-Kunstmesse zum Aufreger. Die Franco-Stiftung zerrte den Bildhauer vor den Kadi - und verlor.

Foto: Roberto Ruiz / ADN Galeria

Über Geschmäcker lässt es sich wunderbar streiten und über vermeintliche Geschmacklosigkeiten noch viel mehr. So sind die provokanten, satirischen Werke des spanischen Bildhauers Eugenio Merino stets Garant für Polemik im Umfeld der auf Zeitgenössisches fokussierten Kunstmesse Arco (19.-23. Februar 2014) gewesen. Und je heftiger die Kontroverse geführt wurde, desto sicherer war der Verkauf der Kunstwerke.

2008 präsentierte der 1975 in Madrid geborene Künstler etwa Zombie-Fidel-Castros (¡Viva Fidel zombie!, 2007, 3er Ed., je 24.000 Euro, eine Plastik, die Kubas Revolutionsführer übrigens amüsiert haben soll. 2009 schoss sich dann seine Damien-Hirst-Puppe (4 the love of Go(l)d) als Replik auf dessen gleichnamigen Brillant-Schädel in den Kopf. Auch diese waren um je 37.000 Euro noch während der Messe verkauft. Als Merino 2012 Ex-Diktator Francisco Franco in einen Kühlschrank (Always Franco, 3er Ed., je rd. 30.000 Euro) steckte, trieb die Empörung dann kuriose Blüten. Denn die um das Ansehen des von 1939 bis 1975 amtierenden "Generalisimo" bemühte Franco-Stiftung (Fundación Nacional Francisco Franco) klagte den Künstler prompt wegen Ehrenbeleidigung des Diktators auf 18.000 Euro.

Daraufhin sah sich José María Álvarez del Manzano, Präsident der Ifema-Messe, der Sitz der Arco, veranlasst, ein Entschuldigungsschreiben zu formulieren, wonach die Arbeit nie hätte präsentiert werden dürfen.

Der Prozess endete nach eineinhalb Jahren Verfahrensdauer im Sommer 2013: Das Gericht erkannte das Verfassungsrecht auf die Freiheit der Kunst an und sprach Merino frei.

Nun setzte er nach und "montierte" in Punching Ball Francos Visage auf ein gleichnamiges Boxtrainingsgerät - die blaue Lippe und eine zerschlagene Carrera-Sonnenbrille inklusive. Während das Werk über ein Tauschgeschäft in den Besitz des spanischen Konzeptkünstlers Santiago Sierras wechselte, folgte postwendend die zweite Klage der Hüter des Franco-Erbes. "Eine Geschmacklosigkeit, die an Niedertracht nicht zu überbieten ist", empörte sich deren Vizepräsident Jaime Alonso und drohte Klagen gegen Künstler an, die sich des Ex-Diktators bedienten: "Beleidigung ist in keinem zivilisierten Land rechtlich geschützt."

Jüngste Reformen des Bürgerschutzgesetztes, die bereits den Ministerrat passierten, belegen solche Taten, "die Spanien diskreditieren", mit Strafen von bis zu 30.000 Euro. Er, der 2013 mit Mistschaufeln Demokratie buchstabierte ("Um die Zerbrechlichkeit des Systems zu zeigen") und den Wappenspruch Plus Ultra gegen Spanien ist voller Hurensöhne tauschte, scherzt: "Ich hoffe, sie wenden das Gesetz nicht rückwirkend an."

Die Welle der Always-Franco-Entrüstung war auch für seinen Galeristen überraschend, gerade weil es sich ja tatsächlich "nur" um einen Teil eines insgesamt siebenteiligen Werkzyklus zu Diktatoren handelte, betont Miguel Ángel Sánchez (Galerie ADN, Barcelona). "Vielleicht war es naiv", so Sánchez, aber keinesfalls Kalkül, da derart mediale Aufmerksamkeit punkto Kaufentscheidungen auch polarisiere.

Und ja, Merino sei selbstverständlich auch im aktuellen Messeprogramm vorgesehen. Ein vorprogrammierter Eklat? Nun, es soll sich um etwas handeln, das - versichert der Künstler - "nicht derart echauffieren wird". (Jan Marot, Album, DER STANDARD, 11./12.1.2014)