Wien - Der Schienenwärter hatte die Katastrophe kommen sehen. Er sah, wie der junge Mann mit zwei weißen Kübeln auf den Wenzelsplatz kam, sie abstellte, wie dieser seinen Mantel auszog, einen Kübel nach dem anderen aufhob, die Flüssigkeit über sich schüttete, wie er die Streichholzschachtel öffnete, ein Hölzchen entzündete - und es an seinen Körper hielt. Prag war grau am 19. Jänner 1969. 

Die Hilfe des Schienenwärters kommt zu spät. Jan Palach verbrennt und erliegt kurze Zeit später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. "Ich bin kein Selbstmörder", sagt er.

Die Selbstverbrennung des Geschichtsstudenten Palach fünf Monate nach dem Ende des Prager Frühlings steht am Beginn von "Burning Bush - Die Helden von Prag". Welche Folgen die extreme Tat des Protests für Familie, Freunde, Mitstreiter, Gegner, letzthin für das ganze Land hatte, erzählt die polnische Regisseurin Agnieszka Holland in zwei Teilen, diesen und nächsten Freitag, 22.40, ORF 2. Darunter jene von Dagmar Burešová (Tatiana Pauhofová), der Anwältin von Palachs Familie, die für die Rehabilitierung ihres Sohnes kämpfte.

Foto: ORF/Beta Film/Dusan Martincek

Denn für die tschechische Regierung kam der Anschlag zum ungünstigsten Zeitpunkt. Die Sowjets hielten sich in Lauerstellung. Sollte sich das Volk noch einmal erheben, würden sie die Regierung absetzen und das Land zentral regieren. Die tschechoslowakische Führung versuchte anfangs die Tat zu vertuschen, als dies nicht mehr möglich war, wurden haarsträubende Lügen über Palach und die Aktion verbreitet. Mutter und Bruder des Verstorbenen wollten dies nicht klaglos hinnehmen. Burešová war später erste Justizministerin der freien Tschechoslowakei.

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Die Polin Holland, geboren 1948, ist eine Zeitzeugin der Ereignisse. Als Filmstudentin in Prag war sie tief betroffen. "Burning Bush" inszeniert sie schnörkellos faktentreu, gleichzeitig voller Empathie für Palach und dessen Angehörige, denen die HBO-Produktion gewidmet ist, so dass das Bild einer Zeit entsteht, in der eine entmutigte Bevölkerung ganz kurz begann, Hoffnung zu schöpfen.

Palachs Abschiedsbrief: "Meine Tat hat ihren Sinn erfüllt. Aber niemand sollte sie wiederholen. Die Studenten sollten ihr Leben schonen, damit sie ihr ganzes Leben lang unsere Ziele erfüllen können, damit sie lebendig zum Kampfe beitragen. Ich sage euch 'Auf Wiedersehen'. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder." (Doris Priesching, derStandard.at, 10.1.2014)

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