Bei Raiffeisen steckt der Wurm drin. Das Imperium hat nicht nur mit vielfältigen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, es legte in den letzten Monaten auch eine beispiellose kommunikationspolitische Pannenserie hin, die am Mittwochabend ihren vorläufigen Höhepunkt fand: Der Verkauf der Ungarn-Bank musste nach einem peinlichen Wirrwarr abgeblasen werden.

Offenbar nicht zuletzt durch heftige interne Intrigen befeuert machte der grüne Riese vor allem mit Autounfällen, Steueraffären und Widersprüchen in der Öffentlichkeitspolitik von sich reden. Dass Raiffeisen-Niederösterreich-Obmann Erwin Hameseder seinen mit Sommerreifen bei Winterbedingungen zu Schrott gefahrenen Porsche bei der hauseigenen Versicherung zur Entschädigung einreichte, war da nur ein besonders pikanter Fehltritt. Die Boni und Offshore-Geschäfte des abgetretenen Chefs der Raiffeisen Bank International, Herbert Stepic, trafen den tief im christlich-bürgerlichen Lager verwurzelten Bankkonzern ebenfalls hart. Die Gier der Raiffeisenbosse kam an der Basis gar nicht gut an.

Was intern besonders Kopfzerbrechen bereitet: Eine Affäre nach der anderen wurde genüsslich in der Öffentlichkeit ausgebreitet. Was Beobachter als klares Zeichen dafür werten, dass es im Sektor ordentlich brodelt. Die Pensionierung von Raiffeisen-Grande Christian Konrad kam offenbar zur Unzeit. Die Streitereien mit der "Kronen Zeitung" – mit Raiffeisen indirekt im Krone-Kurier-Vertrieb Mediaprint verbandelt – tun ihr Übriges.

Nicht gerade gefestigt hat Stepic-Nachfolger Karl Sevelda seine Position mit seinen jüngsten Kapriolen. Kurz nach Amtsantritt brachte er im STANDARD-Interview die Hereinnahme eines strategischen Partners ins Spiel, um kurz danach von "seinem" Präsidenten und Generalanwalt Walter Rothensteiner zurückgepfiffen zu werden. Im November dann legte Sevelda ein Bekenntnis zur Ungarn-Tochter ab, um zwei Tage später offiziell den möglichen Verkauf des defizitären Instituts verkünden zu müssen. Dass die Bank lediglich um einen Euro an den Mann zu bringen war und die Transaktion letztlich abgeblasen werden musste, ist nicht nur finanziell schmerzhaft, sondern nagt auch an der Glaubwürdigkeit des Managements.

Nun werden wohl neuerlich hohe Summen gen Osten geschickt werden müssen, die RBI so dringend zur Eigenkapitalstärkung benötigte. Frisches Geld besorgt sich die Bank am Kapitalmarkt. Genau dieser Schritt wird durch die Pannen ordentlich erschwert. Investoren wollen sich auf Unternehmen und Führung verlassen können. Und selbst wenn das Vorhaben gelingen sollte, ist der Preis dafür hoch: Angesichts des niedrigen Aktienkurses muss Raiffeisen viel Einfluss abgeben, um verhältnismäßig wenig Geld dafür zu bekommen.

Klar scheint nun auch, dass die Raiffeisen-Landesbanken zu keiner Stärkung der Zentrale bereit oder in der Lage sind, weshalb eben fremde Geldgeber angezapft werden. Neben dem Margendruck macht den einst mächtigen Provinzinstituten das umfassende Beteiligungsgeflecht schwer zu schaffen. In Oberösterreich wird gerade die Hinterlassenschaft von Ludwig Scharinger durchforstet, in Niederösterreich hat der Abverkauf bereits begonnen. Die Verlustbringer Epa Media und Nöm Großbritannien sowie Do&Co wurden abgestoßen. Dazu kommen bei Raiffeisen bisher nicht gekannte harte Einschnitte beim Personal, etwa bei der Raiffeisen-IT. Auch hier schaffte es die Gruppe nicht, die Maßnahmen ohne mediale Begleitmusik durchzuziehen.

Keine Frage: Der Sektor befindet sich im Umbruch. Dass sich Raiffeisen den Herausforderungen stellt, kann eigentlich nur begrüßt werden. Dass Strategie und Umsetzung passen, muss freilich erst gezeigt werden. Die letzten Monate haben diesbezüglich nicht gerade zuversichtlich gestimmt. (Andreas Schnauder, derStandard.at, 9.1.2014)