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SPD-Chef Sigmar Gabriel, Kanzlerin Angela Merkel und vor allem CSU-Chef Horst Seehofer marschieren noch nicht ganz im Gleichschritt.

Foto: Reuters / Fabrizio Bensch

Angenehm ist ein Anbruch des hinteren Beckenknochens, verursacht durch einen Sturz beim Langlaufen, nicht. Die Ärzte haben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel daher auch zur Schonung geraten. Daheim soll sie sich auskurieren, möglichst nicht ins Büro gehen.

Am Mittwoch jedoch ließ sich Merkel schon wieder ins Kanzleramt fahren. Auf dem Programm stand, drei Monate nach der Wahl, die erste reguläre Kabinettssitzung der großen Koalition. Die Leitung derselben wollte die Kanzlerin nicht ihrem Vize, SPD-Chef Sigmar Gabriel, überlassen. Lieber humpelte sie auf Krücken in den großen Kabinettssaal.

Besser gleich einmal allen Novizen am großen ovalen Tisch klarmachen, wie der Hase laufen soll – das mag sie sich dabei gedacht haben. Denn von der guten Laune, die die schwarz-rote Riege bei ihrer Vereidigung sieben Tage vor Weihnachten noch versprüht hatte, ist nicht mehr viel übrig.

Es gibt Streit um Sozialleistungen für Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, Zank um den Mindestlohn (das Prestigeprojekt der SPD), Uneinigkeit in der Pensionspolitik (siehe Artikel unten). Und dann preschte der neue Justizminister Heiko Maas (SPD) auch noch beim heiklen Thema Vorratsdatenspeicherung vor und verkündete, das Projekt vorerst nicht verfolgen zu wollen.

Nicht zufrieden mit dem Start der "GroKo" ist Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Diese sollte zeigen, "dass wir eine Regierung sind, die dem Land dient" , klagt er und gibt gleich mal "Neuling" Maas – natürlich via Medien – einen guten Rat: "Die Chancen, dass ein Vorschlag eines Ministers umgesetzt wird, sind dann am größten, wenn er vorher mit den Fraktionsvorsitzenden gesprochen hat – nicht über die Zeitung, sondern direkt."

Mit Schrecken erinnert man sich in Berlin schon an den Fehlstart von Schwarz-Gelb im Jahr 2009. Damals hatte Merkel zwar ihr Wunschbündnis mit der FDP schmieden können. Aber wenige Wochen nach dem Start waren Union und FDP bereits heillos zerstritten und boten ein denkbar schlechtes Erscheinungsbild.

"In die Zustände des Beginns einer Regierung, wie wir sie vor Jahren hatten, werden wir nicht zurückkehren", versichert der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Anspielung an 2009. Thomas de Maizière, früher Verteidigungs-, jetzt wieder Innenminister, meint: "Wir müssen uns wohl alle noch daran gewöhnen, dass wir jetzt Koalitionspartner sind. Das verlangt im Umgang ein anderes Verhalten als früher."

Schließlich war die SPD in den vergangenen vier Jahren nicht nur in Opposition gewesen, sondern hatte CDU und CSU im Wahlkampf noch massiv bekämpft. Entsprechend lange hatten auch die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl gedauert.

Machtkampf in Bayern

Apropos Wahl: Zwar gibt es erst im Herbst die nächsten Landtagswahlen in Deutschland. Doch in Bayern stehen schon Mitte März die Kommunalwahlen auf dem Programm. Bis dahin wird Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer noch einige Male den starken Mann geben wollen, was die Koalitionsarbeit in Berlin nicht erleichtern dürfte.

Auch in seinem eigenen Kabinett hat Seehofer gerade deutlich gezeigt, wer das Sagen hat: nämlich nur er selbst. Ilse Aigner (CSU), die neue bayerische Wirtschaftsministerin und Kandidatin für die Seehofer-Nachfolge, hatte vorgeschlagen, die Energiewende auf Pump zu finanzieren. Doch Seehofer ließ sie abblitzen. Daraufhin meinte Aigner zwar noch, es reiche nicht, "immer nur Nein zu sagen" , zog aber letztendlich den Kürzeren.

Für Aufregung sorgt auch SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel mit seiner Ankündigung, seine zweijährige Tochter Marie jeden Mittwoch im niedersächsischen Goslar aus dem Kindergarten abholen zu wollen. Toll, sagen die einen. Nicht machbar in seiner Spitzenfunktion, die anderen. Immerhin hat Gabriel bald wieder eine Hilfe in der SPD-Zentrale: Die Gewerkschafterin Yasmin Fahimi wird neue Generalsekretärin. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, 9.1.2014)