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Wien - Geht es nach Udo Weinberger, Präsident des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI), müsste die "Treffsicherheit im sozialen Wohnbau erhöht werden". Denn die niedrigen Einkommensbezieher seien "überproportional, nämlich zu 32 Prozent, auf private Vermieter angewiesen".

In den Wohnbauten der Gemeinnützigen und in den Gemeindewohnungen seien vergleichsweise wenig Bezieher niedriger Einkommen, betonte Weinberger am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Nachsatz: Und das, obwohl die Gemeinnützigen Steuervorteile gegenüber den gewerblichen Bauträgern hätten.

Hohe Eigenmittel

Den Grund für diese Situation vermutet Weinberger, der im Zivilberuf Hausverwalter ist, bei den relativ hohen Einstiegskosten in Form von Eigenmitteln. Und in Zeiten wie diesen, wo sich die Gemeinnützigen aufgrund der großen Nachfrage die Mieter aussuchen könnten, dürften diese eher auf die gut verdienende Klientel setzen.

Herbert Ludl, Chef der größten gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Sozialbau, widerspricht Weinberger im Gespräch mit dem STANDARD vehement: Der ÖVI wolle offenbar "Armengettos schaffen". Die Situation im sozialen Wohnbau sei hierzulande einzigartig in Europa, weil es in den Häusern eine gute soziale Durchmischung gebe. Dafür sorgen schon die Belegungsrechte der Gemeinde Wien. Es sei einfach falsch, dass bei den Gemeinnützigen oder der Gemeinde nur Gutverdienende leben: "Bei mir wohnt die Bedienerin neben dem Bankdirektor", berichtet der Sozialbau-Chef. Gebe es in einem Haus nur Sozialfälle, würden alle anderen Mieter ausziehen. "Wenn nur Alkoholisierte in einem Haus leben, habe ich ein Alkoholproblem."

Hohe Grundstückskosten

Auch den Vorwurf der Steuerbegünstigung könne er schon nicht mehr hören. Denn aufgrund der Abschreibungen auf das Anlagevermögen tendiere die Steuerlast der gewerblichen Bauträger "vermutlich gegen null", so Ludl. Im Übrigen betrage die Durchschnittsmiete bei den Gemeinnützigen 3,70 Euro/m², bei den gewerblichen Bauträgern hingegen gut das Doppelte.

Die wahren Probleme lägen in den hohen Grundstückskosten. Die Wohnbauförderung in Wien gibt einen Maximalwert von 230 Euro/m² erzielbare Nettofläche vor. Tatsächlich bezahlt würden aber 600 bis 800 Euro/m². In Wien leben etwa 40 Prozent in Mietwohnungen von privaten Vermietern und 60 Prozent der Bevölkerung in Wohnungen von Gemeinnützigen und der Gemeinde.

Wohnrecht: "Wien gegen Rest der Welt"

Die Experten von ÖVI rechnen noch im ersten Halbjahr 2014 mit "diskutablen Vorschlägen für ein einheitliches Wohnrecht". Ob die von der Politik angenommen werden, sei freilich offen. In Wien wird 2015 gewählt, und der heutige Anwendungsbereich des Mietrechts treffe hauptsächlich die größeren Landeshauptstädte. Eine Reform des Mietrechts sei also eine politische Entscheidung "Wien gegen den Rest der Welt", so die Einschätzung Weinbergers. Es würden jedenfalls jährlich 10.000 Wohnungen mehr gebraucht.

Unzählige Details

Der Leidensdruck sei jedenfalls sehr groß, so Klaus Wolfinger, der die tausenden technischen Vorgaben im Wohnbau gern reduzieren würde. 1999 zählte das Normungsinstitut 10.000 Normen, mittlerweile seien es 24.600. Es gebe Kommunen, die renovieren die Wohnungen bei der Neuvermietung nicht, weil es sich nicht mehr rechne. Mehr als 35 Prozent der Mieter im privaten Altbau würden keinen kostendeckenden Mietzins zahlen, und es gebe Häuser, die vor 1994 errichtet wurden, wo Familien einen Mietzins zahlen müssen, der um das Zehnfache höher sei als der anderer Mitbewohner.

Viele private Vermieter schrecken auch vor einer Wohnungsteilung zurück: Wenn etwa eine 180-m²-Wohnung geteilt wird, müsse der Vermieter in Wien entweder einen zusätzlichen Parkplatz bereitstellen oder es wird die Stellplatzabgabe von derzeit rund 15.000 Euro fällig. (Claudia Ruff, DER STANDARD, 9.1.2014)