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Wladimir Putin, quasi der erste Eishockeyspieler seines Landes.

Foto: Reuters

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Der von Palmen gesäumte Olympic Park in Sotschi ist fertig. Das Symbol der Spiele sind derzeit aber noch nicht die Ringe.

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Weihnachtlicher Empfang für das olympische Feuer: In Kirow, 900 Kilometer östlich von Moskau, nahm Snegurotschka - zu deutsch Schneeflöckchen und im russischen Weihnachtsmärchen Enkeltochter und Begleiterin von Väterchen Frost - persönlich am Bahnhof den Sonderzug aus Perm mit der Olympiafackel an Bord in Empfang. Den auserwählten Läufern bescherte Snegurotschka festliche Winterstimmung. Minus sieben Grad, leichter Schneefall und eine begeisterte Menge am Straßenrand erwarteten die Fackelträger. "Es war sehr schön und bewegend. Du hast dich als Teil eines großen Feiertags gefühlt, weil dich alle angelächelt und dir zugewinkt haben", berichtete Slawa, ein 27-jähriger gebürtiger Kirower und einer von mehr als 60 Läufern in der Stadt, über seine Eindrücke.

Seit Oktober wird das olympische Feuer quer durch Russland getragen und hat seitdem in mehr als 100 Ortschaften von Kaliningrad bis nach Petropawlowsk-Kamtschatski Station gemacht, um für die Winterspiele zu werben. Tatsächlich stehen Umfragen nach knapp zwei Drittel der Russen Olympia positiv gegenüber, auch wenn gleichzeitig 40 Prozent mit negativen Folgen für die Wirtschaft rechnen. Auf Prestigegewinn und Medaillenregen hofft nicht nur der Kreml, sondern auch das einfache Volk.

Sehnsucht Stadtflucht

In Sotschi selbst teilt man die Begeisterung nur bedingt: "Ich würde die Stadt während der Spiele am liebsten verlassen", sagt Swetlana Tschikurowa. Die Mittfünfzigerin, die seit mehr als 30 Jahren in Sotschi lebt, kritisiert die "Nebenwirkungen". Um das Megaprojekt rechtzeitig fertigzustellen, haben die Behörden teilweise rücksichtslos Natur und Einwohner zur Seite geschoben. Tausende wurden zwangsumgesiedelt, Gebirgsflüsse umgeleitet, einbetoniert und verdreckt - einzigartige Naturlandschaften zerstört.

Und während der Spiele selbst werde dann auch noch die Bewegungsfreiheit der Bewohner eingeschränkt, fürchtet Tschikurowa. Zurecht: Seit Dienstag ist die höchste Sicherheitsstufe in Kraft. Die Kontrollen wurden massiv verschärft. Insgesamt sind nun 37.000 Polizei- und Sicherheitskräfte im Einsatz, auch Kriegsschiffe und Kampfjets überwachen die Stadt und ihr Umfeld.

Immerhin hat Präsident Wladimir Putin angekündigt, das vor einiger Zeit für die Spiele erlassene Versammlungsverbot wieder zu lockern, ehe er im Bolschoi-Eispalast von Sotschi zusammen mit seinem weißrussischen Kollegen Alexander Lukaschenko für ein Showmatch gegen russische Ex-Internationale zum Eishockeyschläger griff.

Demos mit Geheimdienst absprechen

Während Olympia darf nun doch demonstriert werden, wenn auch nicht in der Nähe der olympischen Objekte und nur nach Absprache mit dem Geheimdienst FSB. Putin, prompt vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) belobigt, ist der Motor der Spiele. Dementsprechend wichtig ist deren Erfolg auch für sein eigenes Image.

Einen Monat vor Beginn musste er sich bei einer Inspektionstour allerdings davon überzeugen, dass trotz der Rekordausgaben von umgerechnet 40 Milliarden Euro immer noch nicht alles bereit ist. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach beschwichtigend von "kleineren Lücken".

Absrpung

Die größten Sorgen bereiten dabei nach wie vor die Sprungschanzen "Russkije Gorki". Vor einem Jahr flog nach Putins Schanzenkritik der Vizepräsident des nationalen russischen Olympischen Komitees (NOC) Achmed Bilalow aus dem Amt und flüchtete nach Korruptionsvorwürfen gar gleich bis nach London. Diesmal blieb ein Köpferollen aus. German Gref, Präsident der als Investor verantwortlichen staatlichen Sberbank, versprach, die Arbeiten bis zum 20. Jänner abzuschließen. Verzögerungen gibt es zudem bei den Hotels. Einige werden erst nach Olympia eröffnen.

Die Meinungen über die Erfolgsaussichten Sotschis als Winterkurort nach den Spielen gehen dabei auseinander. Während vor allem offizielle Stellen einen deutlichen Zuwachs bei den Touristenzahlen prognostizieren und Sotschi als Konkurrenz zu österreichischen und Schweizer Ski-Kurorten sehen, sind die Experten von Jones Lang LaSalle skeptischer: "Eine mittlere jährliche Auslastung der Berghotels von 50 Prozent wäre schon ein Erfolg", heißt es seitens des im Immobilienbereich tätigen US-Managementunternehmens.

Fehlender Service und hohe Preise gelten immer noch als größte Minuspunkte Sotschis. Auch der Schnee könnte zum Problem werden. Derzeit ist es am Schwarzen Meer frühlingshaft warm, und das bisserl Schnee schmilzt vielerorts in den niedrigeren Höhenlagen. Für Olympia soll es allerdings reichen, auch wenn sich an der Wetterlage nichts ändert. "Notfalls karren wir aus ganz Russland den Schnee zusammen, um ihn hierherzubringen", sagte Frau Tschikurowa mit ironischem Lächeln. (André Ballin, DER STANDARD, 8.1.2014)