Beirut/Istanbul - Fünf Monate nach verheerenden Giftgas-Angriffen in Syrien hat der Abtransport der chemischen Waffen aus dem Bürgerkriegsland begonnen. Die erste Ladung der hochgiftigen Kampfstoffe sei am Dienstag von zwei Standorten in Syrien zur Hafenstadt Latakia gebracht und auf ein dänisches Schiff geladen worden. Das teilte die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag mit.

Das Schiff habe begleitet von dänischen, norwegischen und syrischen Schiffen syrisches Gewässer verlassen. Ursprünglich sollten die Chemiewaffen bereits zum 31. Dezember aus Syrien abtransportiert sein. Die syrische Regierung schaffte es aber nicht, die Bestandteile rechtzeitig nach Latakia zu bringen. Als Gründe wurden die Kämpfe, schlechtes Wetter sowie logistische Probleme angeführt. Ein neuer Zeitplan wurde nicht vorgelegt.

Schiff bleibt auf See

"Das Schiff wird solange in internationalen Gewässern bleiben, bis eine neue Ladung in Latakia bereit steht", teilte OPCW-Sprecher Michael Luhan der Nachrichtenagentur dpa mit. Rund 500 Tonnen mit den giftigsten Kampfstoffen sollen in den nächsten Tagen auf Lastwagen zur Hafenstadt gebracht und dann in Etappen auf das dänische Schiff umgeladen werden. Aus Sicherheitsgründen wird es nach Angaben des Sprechers in der Zwischenzeit auf See bleiben, bewacht von dänischer, norwegischer, russischer und chinesischer Marine. Einzelheiten zu dem ersten Transport und zu der Art und Menge der Chemiewaffen wollte Luhan nicht nennen.

Nach dem vom UNO-Sicherheitsrat und der Kontrollbehörde verabschiedeten Vernichtungsplan sollen zunächst rund 500 Tonnen der giftigsten Kampfstoffe wie Sarin und Senfgas vernichtet werden. Die Chemiewaffen werden nach den Plänen in einem noch nicht genannten italienischen Hafen auf das US-Spezialschiff "MV Cape Ray" umgeladen und dann auf See neutralisiert. Insgesamt soll das Regime von Präsident Bashar al-Assad über etwa 1.500 Tonnen Giftgas sowie waffentaugliche Chemikalien verfügt haben.

Bis Mitte des Jahres sollten alle Chemiewaffen Syriens laut UNO-Sicherheitsrats-Beschluss vernichtet sein. "Diese Frist kann trotz der Verzögerung eingehalten werden", sagte der OPCW-Sprecher.

Syrien hatte unter internationalem Druck der Zerstörung seines Chemiewaffenarsenals in einem Abkommen mit dem Verbündeten Russland und den USA zugestimmt. Die USA hatten mit einem Militärschlag gedroht, nachdem bei einem Giftgasangriff in Damaskus im August Hunderte Menschen getötet worden waren. Die Den Haager Kontrollbehörde, die im vergangen Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, soll den Transport und die Vernichtung kontrollieren.

Am Mittwoch wollen der UNO-Sicherheitsrat und der Exekutivrat der OPCW über Fortschritte der Operation beraten, an der sich zahlreiche Länder mit logistischen und finanziellen Mitteln beteiligen.

Assad tritt an

Präsident Assad will trotz des seit Jahren tobenden Aufstands gegen seine Herrschaft heuer offenbar erneut zur Wahl antreten. Damit würde er die in zwei Wochen geplante Syrien-Friedenskonferenz infrage stellen. Sowohl die USA als auch die syrische Opposition lehnen eine künftige Rolle für Assad in der neuen Regierung ab. Allerdings ist die Opposition so zerstritten, dass sich ihre politischen Vertreter bisher nicht über eine Teilnahme an der Friedenskonferenz einig werden konnten und sich Rebellengruppen im Norden gegenseitig bekämpfen, was Assad in die Hände spielt.

Der für Propaganda zuständige Informationsminister Omran Soabi sagte in einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz, das syrische Volk wünsche, dass Assad für eine weitere Amtszeit antrete. "Es ist seine persönliche Entscheidung, aber ich versichere Ihnen, dass es einen Druck der Straße geben wird, dass Präsident Bashar al-Assad sich um die Präsidentschaft der Republik bewirbt."

Soabi sagte auch, jede Übereinkunft bei der Friedenskonferenz müsse durch eine Volksabstimmung abgesegnet werden. Seine Regierung verlange zudem die Teilnahme des Iran an der für 22. Jänner geplanten Konferenz. Die USA lehnen eine direkte Beteiligung der Regierung in Teheran ab, solange der Assad-Verbündete nicht die Forderung nach einem Rückzug des Präsidenten vom Amt mitträgt. US-Außenminister John Kerry hat aber ein Mitwirken des Iran am Rande des Treffens angeregt, was wiederum die Regierung in Teheran zurückwies. "Wenn wir offiziell eingeladen werden, dann werden wir an dem Treffen teilnehmen", erklärte Außenminister Jawad Zarif iranischen Medienberichten zufolge.

Während eines Treffens der Nationalen Syrischen Allianz in Istanbul kam es unterdessen zu einem heftigen Streit, wie es aus Delegationskreisen hieß. 40 Mitglieder des Oppositionsbündnisses drohten nach einer Abstimmung über die Neubesetzung der Führungsgremien mit Austritt. Der Dissident Kamal Labwani warf dem Vorsitzenden der Allianz, Ahmad al-Jarba, vor, dieser habe Oppositionellen Geld gegeben, damit sie für seine Wiederwahl stimmen. "Al-Jarba kauft alle", sagte Labwani der Nachrichtenagentur dpa. Jarba war am Montag für weitere sechs Monate als Oppositionschef bestätigt worden. Er gilt als Schützling von Saudi-Arabien.

Der Streit über die Teilnahme des Bündnisses an den Friedensverhandlungen verlief nach Angaben eines anderen Teilnehmers so kontrovers, dass die Oppositionellen die Debatte vertagten. Sie wollen am 16. Jänner erneut über das heikle Thema diskutieren. Die Friedensverhandlungen mit dem Assad-Regime (Genf 2) sollen nur sechs Tage später in Montreux beginnen. (APA, 7.1.2014)