Protagonistin Nele ist auch im Club für die wissenschaftliche Sache im Einsatz.

Foto: Sturm des Wissens

Wo genau liegt noch einmal Rostock? Auch nach Folge vier der neuen Wissenschaftssoap "Sturm des Wissens" werden das manche noch nicht wissen. Sie könnten sich aber dafür interessieren. Vielleicht sogar, um dort ein naturwissenschaftliches Studium zu beginnen. Zum Beispiel an der Robbenstation des Marine Science Center. Vielleicht sogar, wenn sie Mädchen oder junge Frauen sind.

15 Minuten Empowerment mit Herz-Schmerz

Die sind nämlich die explizite Zielgruppe des neuen Formates, das derzeit kostenfrei unter www.sturm-des-wissens.de gestreamt werden kann. Am Freitag, den 10. Jänner geht die fünfte und vorerst letzte Folge online. Knapp 15 Minuten dauert jeweils ein Teil des für den deutschen Sprachraum völlig neuartigen Projektes, das gezielt Frauen zwischen 14 und 20 Jahren für die so genannten MINT-Fächer (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) begeistern soll.

Zum Plot: Protagonistin Nele, eine sympathische Abiturientin oder Maturantin wie man bei uns sagt, wird von ihrem strengen Vater in die Ausbildung zur Hotelfachfrau gedrängt, ist aber mathematisch hoch begabt. Das zeigt sich, als sie zufällig an die Universität Rostock gerät und dort einem netten Dozenten gleich einmal die falsche Formel ausbessert. Bis sie ihrer Neigung, dem Physikstudium, folgen kann, müssen jedoch noch einige Abenteuer bestanden werden.

Schönes Ganzes mit dramaturgischen Schwächen

Hilfreich sind dabei Anastasija und Julia, die beide schon studieren. Dass die coolen Mädels für einen komplizierten DNA-Abgleich aber erst wieder einen Fachmann dafür in der Disco aufreißen müssen, um mit seiner Hilfe heimlich ins Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung einzudringen, ist in Sachen Aufweichung der klassischen Rollenverteilungen kein Gewinn. Diese dramaturgischen Details sollen uns an dieser Stelle aber nicht das schöne Ganze aus den Augen verlieren lassen.

"Sturm des Wissens" ist hochprofessionell gemacht und spielt gekonnt mit dem Genre der Fernseh-Soap. Dass Naturwissenschafter ebenfalls die Helden von Comedy-Serien sein dürfen, wurde mit der "Big Bang Theory" ja bereits hinlänglich bewiesen. Dass auch Frauen das Zeug zum Nerd haben, muss am Flimmerschirm jedoch erst gezeigt werden. Die Figur der Anastasija liefert dafür zumindest vielversprechende Ansätze, zum Beispiel, wenn sie am Schreibtisch ihres Professors immer wieder einmal zwanghaft die Stifte zurecht rückt.

Frauen als Rolemodels

Frauen als Rolemodels in naturwissenschaftlichen Fächern zu zeigen, darum ging es Uwe von Lukas, Professor am schon genannten Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung, als die Idee für "Sturm des Wissens" geboren wurde. Ausgangspunkt war ein Wettbewerb des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft, an dem sich 32 Städte beteiligten und bei dem Rostock 2012 als eines von zehn Siegerprojekten mit 50.000 Euro dotiert wurde. Der Verein "Rostock denkt 365 Grad" übernahm die weitere Organisation.

Die Recherche für das Filmskript passierte unter Mitwirkung von Studierenden der Universität Rostock, darunter überwiegend Frauen, bei einem Seminar von Elizabeth Prommer, Direktorin des Instituts für Medienforschung. Die DarstellerInnen kommen von der Rostocker Schule für Musik und Theater, ein Heimspiel also.

Dass die Science-Soap trotzdem nicht provinziell daherkommt, ist allen Beteiligten hoch anzurechnen - auch wenn die Bildsprache, vor allem was die Ostseeküste betrifft, manchmal sehr werblich wirkt. Auch die modischen Inserts à la "konsumierte Liter Kaffee" oder "Windgeschwindigkeit" hätte man sich sparen können, aber das ist eine Geschmacksfrage.

Positiv fällt auch die jugendgerechte Aufbereitung im Netz auf: hier kann man in einem "Drehblog" Details nachlesen oder "Sturm des Wissens" auf Facebook folgen. Wie viele der derzeit 1098 Personen unbestimmten Geschlechts, denen die Serie bisher gefällt, es dann wirklich nach Rostock verschlägt, das steht irgendwann in den Statistiken der Universität.

Neue weibliche Rollenbilder in die Köpfe heranwachsender Frauen zu bringen, wird nicht mit knapp 60 Minuten Science-Soap getan sein. Ein origineller Ansatz, der vielleicht mehr bringt als bemühte Science-Days, ist es allemal. Wem Nele, Julia und Co noch ein bisschen gar zu undifferenziert wirken, dem steht es ja frei, es besser zu machen. Eine "Boy-meets-girl" oder gar "Girl-meets-girl"-Soap zum Beispiel an der Technischen Universität Wien wäre sicher eine Herausforderung. (Tanja Paar, dieStandard.at, 8.1.2014)