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Readception: Leser lesen Bücher auf Lesegeräten, die ihre Leser lesen.

Foto: AP

Digitales Lesen – am PC, am Tablet oder E-Reader – erfreut sich immer höherer Beliebtheit. Das Internet bietet Autoren zudem neue Möglichkeiten, sich auch ohne großem Verlag im Hintergrund selbst zu vermarkten. Wichtig dafür sind und bleiben natürlich die Qualitäten der jeweiligen Texte. Hier eröffnen moderne Technologien Möglichkeiten, die literarischen Gewohnheiten der Menschen intensiver zu studieren und mithilfe der Bücher ein wenig in die Köpfe der Leser zu sehen.

Die Self-Publishing-Plattform Smashwords gehört zu jenen Firmen, die versuchen, sich dieses Potenzial zu erschließen, berichtet die New York Times. Besonders für Autoren, die ihre Werke selbst vertreiben, soll sich Studieren des Leserverhaltens besonders interessant sein, ermöglicht es doch, seine Zielgruppen noch besser zu bedienen.

All-you-can-read zum Datengewinn

Smashwords ist dazu einen Deal mit dem Verlegungsdiensten Scribd und Oyster Books eingegangen, wo der Katalog aus mittlerweile 225.000 Büchern nun ins Angebot aufgenommen wurde. Die Plattformen legen ihren Usern im Gegenzug ein Angebot, das jenem von Musik-Streaming-Services wie Spotify ähnelt. Für zehn Dollar pro Monat können sie aus der Smashwords-Sammlung so viele Bücher lesen wie sie wollen, liefern im Gegenzug dafür aber Daten zu ihrem Textkonsum. Freilich werden die Informationen anonym erhoben, erklären Scribd und Oyster.

Die Autoren sollen davon auch finanziell profitieren. Liest ein User bei Oyster mehr als zehn Prozent eines Buches, gilt dies als "gelesen" und der Herausgeber erhält eine fixe Summe als Belohnung. Bei Scribd zählt ein Konsum von zehn bis 50 Prozent eines Werks als Zehntel eines Verkaufs, alles darüber als vollständiger Verkauf. Das Angebot ist freilich mit einem gewissen Risiko für die beiden Unternehmen verbunden, da sehr eifrige Leser somit mehr kosten, als sie einbringen.

Kleinere Kapitel verlocken zum Fertiglesen

Die gewonnenen Daten erlauben allerdings einige Rückschlüsse. Erste grobe Auswertungen zeigen etwa, dass Leser bei längeren Mystery-Romanen öfter an den Schluss springen, um herauszufinden, wie die Geschichte endet. Biographien werden häufiger zu Ende gelesen als Wirtschaftsliteratur, bei Yoga-Büchern reicht den Lesern häufig ein einziges Kapitel.

Romanzen werden schneller konsumiert als religiöse Bücher, am eiligsten haben es die Nutzer jedoch bei Erotikbüchern. Werke, die in viele kleine Abschnitte gegliedert sind, haben eine um 25 Prozent höhere Chance, fertig gelesen zu werden, was man als Konsequenz der Verlagerung des Literaturkonsums auf mobile Endgeräte ansieht.

"Frauenversteher"-Buch als Lesemagnet

Man gewinnt auch Erkenntnisse über die aktuellen Bestsellerlisten. Bei Oyster gehört derzeit das Werk "What Women Want" ("Was Frauen wollen") zu den nachgefragtesten Titeln. Es verspricht den Lesern, sie "in den Kopf einer Frau" zu entführen, um zu lernen "wie man sie verblüfft". So gut wie jeder, der mit diesem Buch anfängt, liest es auch zu Ende. Im Gegensatz dazu kommt nur weniger als ein Prozent der Leser bei "The Cycles of American History" von Arthur Schlesinger bis zum Schluss.

Auch spezifischere Dinge lassen sich mit der Zeit in Erfahrung bringen. So könnte man auch herausfinden, welche Teile eines Buches besonders von Interesse waren, ob Nutzer Erotikpassagen übersprungen oder bestimmte Sequenzen öfters gelesen haben. Nicht nur Smashwords wertet aus, wie Bücher konsumiert werden, auch große Konzerne wie Amazon oder Barnes & Noble erfassen die Gewohnheiten über ihre E-Reader, veröffentlichen aber keine Angaben dazu.

"Nehme alle Daten, die ich kriegen kann"

Autorin Quinn Loftis, die sich mit in paranormalen Szenarien angesiedelten Liebesgeschichten eine treue Fangemeinde erarbeitet hat, sieht Chancen als auch Risken in der erschlossenen Datenflut. Sie steht in regem Austausch mit ihren Lesern auf Plattformen wie Facebook, Twitter, YouTube, Goodreads oder ihrer eigenen Website und verdient über 100.000 Dollar im Jahr.

"Welcher Autor würde sich die Möglichkeit entgehen lassen, in die Köpfe der Leser zu blicken?", meint sie. Erkentnisse zum Verhalten ihrer Leser ermöglicht effizientere Vermarktung der Bücher. Die Gefahr liegt für die Schreiber allerdings darin, sich langfristig vielleicht zu sehr an die Statistiken zu klammern.

"Wenn man nicht aufpasst, könnte man seine eigene Kreativität einschränken", so Loftis. "Aber das größere Risiko ist, den Lesern nicht zu geben, was sie wollen. Ich nehme [also] alle Daten, die ich kriegen kann." (red, derStandard.at, 12.01.2014)