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Das Allerhöchste im Hohen Atlas ist für viele die Besteigung des Jebel Toubkal. Tourengeher lassen die Ameisenstraße da rauf lieber links liegen - und schauen in aller Ruhe runter auf die Sahara.

Der Reiseveranstalter Gta-Sky-Ways bietet auch im Winter Direktflüge von Wien, Linz, Graz und Salzburg nach Marrakesch an.

Sonst ab Wien immer mit Zwischenlandung, etwa mit Iberia und Air Nostrum, oder Swiss sowie Brussels Airlines. Achtung: Skigepäck und die dazugehörige Sicherheitsausrüstung nach den internationalen Regeln der IATA aufzugeben erfordert viel Zeit und Geduld. Wer individuell weiterreist: Die Touristeninfo und große Hotels in Marrakesch organisieren Tranfsers nach Imlil um rund 85 Euro pro Fahrzeug. Günstiger geht's mit dem Sammeltaxi. Landesinfos: www.visitmorocco.com

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Wer zum Toubkal reist, landet meistens in der Neltner-Hütte: Die sehr schlichte Hütte hat Platz für 150 Bergsteiger. Die drei Klos werden auch von den Campern ringsum benutzt. Räumliche und hygienische Bedingung sind "sehr basic".
Info: www.refugedutoubkal.com

20 Meter neben der Neltner-Hütte liegt das "Mouflon". Größer, komfortabler und in puncto Küche, Hygiene, Toiletten, Schlafplätze auf dem Level von einfachen Hütten in den Alpen.
Info: www.refugetoubkal.com

Äußerst man nicht nachdrücklich den Wunsch, im "Mouflon" zu nächtigen, bringen einen lokale Guides oder Träger ungefragt und mit Sicherheit in die Neltner-Hütte.

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Als Trainer und Guides des Alpenverein-Jugendprojektes "risk'n'fun" brachten Mathe Knaus und Christof Schett jungen Backcountryfans bei, worauf es am Berg in puncto (Lawinen-)Sicherheit ankommt. Dabei wuchs über die Jahre eine Klientel heran, die auch nach der Ausbildung gemeinsam unterwegs sein wollte. Aus dem, was die beiden dann als "Insider-Trips" für diese Community starteten, ist mittlerweile ein Start-up für Bergreisen geworden. Im Programm finden sich  Freeride- und Touren-Trips unter anderem nach Island, Norwegen, Kreta - und eben Marokko.
Info: www.yellowtravel.net

"Mais aujourd'hui: Toubkal? – aber heute: Toubkal?", fragte Djamal Belhajam jeden Morgen hoffnungsvoll. Und sein Bruder Mustafa schrieb am dritten Tag sogar mit Zimt "Toubkal" auf den kunstvoll zu einem schroffen Gipfel geformten Berg Reis, den er gemeinsam mit Djamal servierte. Zusammen mit dem Koch schüttelten sie nur verständnislos den Kopf.

Wieso das Rudel Verrückter aus Österreich partout nicht auf den Jebel Toubkal hinaufmarschieren wollte, konnten auch andere kaum verstehen: Die Hüttencrew des Toubkal-Hauses ebenso wenig wie die Träger, die das Gepäck der Touristen von der Schneegrenze – ab der die Mulis nicht mehr weitergehen – bis zur Hütte schleppten. Die vielen Kollegen der Belhajam-Brüder, ebenfalls erfahrene Guides, und auch die 140 anderen Bergfexe in der engen Hütte – alle fragten sie sich: Was machen die neun Österreicher da? Oder besser gefragt: Was machen sie nicht? Mit seinen 4167 Metern ist der Jebel Toubkal immerhin der bekannteste Gipfel im Hohen Atlas!

Genau das gebucht

Die Stadt Imlil
Foto: Thomas Rottenberg

Wer sich zuerst von Marrakesch in die Stadt Imlil auf 1740 Metern plagte und von dort weiter auf einem Trekkingpfad zur Toubkal-Hütte auf 3207 Metern, hat nämlich in der Regel genau das gebucht: mit irgendeinem der zahllosen Touranbieter den höchsten Berg Nordafrikas zu besteigen. Der dramatische Blick auf die Viertausender ringsum und bis tief hinein in die Sahara ist ebenso inkludiert wie eine kurze Nacht im Schlaflager, der Gipfelsieg und der rasche Abstieg am nächsten Tag. Weil so ein Package ja auch noch die zweitägige Jeep-Safari in der Sahara vorsieht. Zeit ist da ein rares Gut.

Foto: Thomas Rottenberg

Der Tiroler Bergführer Klaus Zwirner und seine Gruppe nahmen sich einfach Zeit – und obendrein das Recht heraus, den Toubkal besser auszulassen. Schließlich war schon der erste Blick auf die Ameisenstraße zum Gipfel eher Realsatire als Ansporn: Die meisten Guides eskortierten ihre Halbschuhtouristen geradezu, zogen und schoben sie hinauf, pickten ihnen die Steigeisen mit Tape auf die Turnschuhe.

Imposante Nachbarschaft

Rasch wurde klar: Imposante Berge – und der Toubkal ist zweifellos einer – bleiben auch dann noch mächtig, wenn man nur vom Nachbargipfel hinüberschaut. Er ist dann vielleicht 20 oder 50 Meter niedriger, bietet aber einen exzellenten Vorteil: Ruhe. Beim Aufstieg. Am Gipfel. Und bei der Abfahrt – vorausgesetzt, man ist mit Tourenski hinaufgegangen.

Vier Viertausender bei strahlendem Sonnenschein an fünf Tourentagen – nur einmal kam bei genau 3980 Metern so dichter Nebel auf, dass Weitergehen sinnlos war – sind Grund genug, diesem einen Gipfel keine Träne nachzuweinen. Und der Blick hinüber, auf die Ameisenstraße, bot Zwirners Gruppe sowieso immer Trost: Wo hunderte Menschen über Schneefelder stapfen, ist Skifahren eh nur mühsam. Dort hingegen, wo keiner hingeht, weil alle ganz brav auf der Ameisenstraße bleiben – dort war man selber gerade.

Foto: Thomas Rottenberg

Und so zogen sie Morgen für Morgen Felle auf, glitten an den Ameisen und ihren Guides vorbei und bogen dort ab, wo deren Aufstiegsroute sich in mehrere kleinere Talkessel aufteilte. Mit den Fellen kamen sie so weit, dass die Kessel zu Flanken und die Flanken zu Hängen wurden. Nur wenn diese zu steil und zu eisig für die Harscheisen wurden, befestigten sie ihre Ski auf den Rücksäcken, die Steigeisen an den Skischuhen und nahmen ihre Pickel in die Hand. Aus dem Stapfen wurde ein Steigen und aus dem Steigen ein Klettern – für die kleine Gruppe abtrünniger Ameisen.

Neun Bergsteiger – das ist auf den Viertausendern des Hohen Atlas genau nichts: Mehr als vier oder fünf andere Bergsteiger und Bergsteigerinnen traf man nie auf dem Weg zu einem der vier Viertausender, Afella, Akiud, Biiguinnoussen und Ras n' Ouanoukrim. Jeder der Gipfel war besonders, immer auf eine andere Art. Gemein hatten sie eines: den Blick bis tief hinein in die Sahara. Und natürlich auf den Jebel Toubkal. Sitzen und schauen, schauen und sitzen. Warten, bis die Zeit reif ist – das war das Leitmotiv. Denn die Sonne, die jeden Tag hoch über dem Toubkal stand, brauchte ein paar Stunden, um das über Nacht bocksteif gefrorene Eis auf den Flanken wieder in Firn zu verwandeln: in den ganz speziellen, knisternd-zischenden "Afrika-Firn".

Foto: Thomas Rottenberg

Es war kein stiebender Pulverschnee, sondern weicher, gut formbarer, gerade noch nicht wässriger Zauberschnee, der beim Drüberfahren leise flüsternd vom roten Saharasand erzählte. Der Wind trägt ihn aus der Wüste hierher und manchmal noch weiter, bis übers Meer nach Europa. Samtschnee. Schaumschnee, der Skifahrern glaubhaft vorgaukelt, die Fahrt ins Tal sei ein Ritt auf einer Welle. Irgendwo am fernen Strand. Natürlich ist es keine Welle – obwohl man in Marokko tatsächlich wunderbar surfen kann.

Doch davon erzählen dann später in der Hütte wieder die anderen. Die, die dafür noch mehr als genug Zeit hatten, weil sie schnell oben waren auf dem Toubkal, und auch wieder unten. Die, die während des Schwärmens vom Surfen im Meer ihre Turnschuhe – mit denen sie die Ameisenstraße hinauf- und auch gleich wieder hinuntergestapft sind – jetzt in der wärmenden Toubkal-Hütte trocknen lassen. Auch spannend. Auch intensiv. Auch ein Erlebnis. Keine Frage. Doch wie es sich anfühlt, auf dem Firn des Hohen Atlas über der Sahara zu surfen, das bleibt wohl für alle in nassen Turnschuhen ein ewiges Geheimnis.

Foto: Thomas Rottenberg

Und weil aber doch für die allermeisten dieser eine Viertausenders das Allerhöchste ist, stellen die Guides Klaus Zwirner Abend für Abend dieselbe Frage: "Mais demain: Toubkal? – aber morgen: Toubkal?" Der Tiroler nickt. Und sagt dann: "Peut-être – vielleicht." Abend für Abend. Dabei sehen einander die abtrünnigen Ameisen an, und jeder unter den Tourengeher weiß, was die anderen denken. Nicht die anderen! (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Album, 4.1.2014)