Man kann es als Sieg der normativen Kraft des Faktischen sehen: Im US-Bundesstaat Colorado darf seit 1. Jänner Marihuana gekauft, geraucht und inhaliert werden. Die Vorstellung, dass der Joint zwangsläufig zum "Goldenen Schuss" in einer heruntergekommenen Bahnhofstoilette führt, hat also offenbar ausgedient. Denn beschlossen wurde die Änderung von den Bürgern.

Kritiker der Legalisierung fürchten, dass nun die halbe Welt in den Gebirgsstaat kommt, um sich dort zuzudröhnen. Und, dass die organisierte Kriminalität frohlockt - denn obwohl der Anbau legal ist, wird der Bedarf wohl steigen. Andererseits: Die Befürworter argumentieren, dass der "War on Drugs" eindeutig gescheitert ist und erst die Prohibition das große illegale Geschäft ermöglicht.

Die Vorgehensweise in Colorado ist jedenfalls ein Zeichen, wie die Grenzen zwischen legalen und illegalen Drogen derzeit weltweit zu verschwimmen beginnen.

Nicht so in Österreich. Meinungsumfragen zeigen, dass die Bevölkerung gegen eine Cannabislegalisierung ist, die Parteien werden sich hüten, an dem Thema zu rühren. Dabei ist es eine Farce: Die überwiegende Mehrheit der Drogenanzeigen betrifft Kiffer - und die überwiegende Mehrheit der Anzeigen wird zurückgelegt, hat also keine strafrechtlichen Konsequenzen. Die Regierung könnte das Faktische ruhig zur Norm werden lassen - und den Joint vom Straf- ins Verwaltungsrecht wandern lassen. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 2.1.2014)