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Wien - Ungeachtet der angespannten Lage auf Europas Strommärkten hat das Anlegen von Erzeugungsreserven wie beim Öl (sprich: Kraftwerke) für die EU keine Priorität. Beim Öl müssen die EU-Länder Sicherheitsreserven für mindestens 90 Tage lagern. Die EU meint, drohende Engpässe mit der Umsetzung des Strombinnenmarkts und mehr grenzüberschreitendem Handel abfangen zu können.

Diese Rechnung hat aber einen Haken: Wenn wie jetzt mehrere große Erzeugerländer unter wetterbedingten Stromengpässen leiden, fällt die Möglichkeit flach, Erzeugungslücken durch Importe zu decken. Genau das passiert derzeit: Weil zahlreiche Atomkraftwerke wegen Kühlungsproblemen (Grund sind die hohen Wassertemperaturen der Flüsse) nicht fahren können, wackelt die Sicherheit der Versorgung.

Allein in Frankreich steht ein Viertel der Kraftwerkskapazität nicht mehr zur Verfügung. Das hat auch Deutschland in die Bredouille gebracht, weil die Electricité de France (EdF) die Exporte gestoppt hat, um nicht die Versorgung zu Hause zu gefährden. Deutsche Versorger rufen zum Stromsparen auf. Auch Italien ist wegen des EdF-Exportstopps in einer Versorgungsklemme. Für Österreich gibt der Verbund dagegen Entwarnung, was drohende Blackouts betrifft.

Energie wird teurer

Treffen wird auch das Land am Strome allerdings die von Experten erwartete deutliche Verteuerung bei Strom, die mit viel stärkeren Schwankungen auf den Energiebörsen einhergehen werde. Auslöser des Preisanstiegs seien neben den klimatischen Verwerfungen der im Kioto-Abkommen festgelegte Handel mit Verschmutzungsrechten sowie das Abschmelzen der Erzeugungsreserven in Europa, heißt es beim Verbund. Auch die eingesetzte Primärenergie werde sich wohl verteuern.

Die Folgen der heurigen Wetterkapriolen könnten nur ein Vorgeschmack darauf sein, was auf die Branche zukommen könnte. Schon jetzt ist die Spreizung der Preise je nach Tageszeit extrem, in Zukunft dürften die Abstände noch stärker ausfallen. Beispiel: Am Montag kostete eine Megawattstunde an der auch für Österreich maßgeblichen Leipziger Strombörse um vier Uhr früh 13,40 Euro, um zwölf Uhr mittags dagegen 250 Euro. Noch teurer wurde eine Megawattstunde Spitzenstrom an der Amsterdamer Strombörse gehandelt (900 Euro), in Paris waren es 600 Euro. Preistreibend wirkten dabei die massiven Käufe der EdF.

Mit dem heurigen heißen Sommer ist ein Dogma der E- Wirtschaft verdampft, nämlich dass Strom im Winter teurer ist als im Sommer. Dass diese Formel keine Gültigkeit habe, sei schon im Vorjahr zu beobachten gewesen, so die Verbundgesellschaft. (Clemens Rosenkranz, Der Standard, Printausgabe, 13.08.2003)