Der Anlass ist gut gewählt: Wann, wenn nicht anlässlich der Verabschiedung des Pakets der Budgetbegleitgesetze sollte der Bundespräsident seiner Pflicht nachkommen, das verfassungsmäßige Zustandekommen von Gesetzen zu prüfen? Normalerweise ist dies ja bloß Formsache: Üblicherweise gilt, was der Nationalrat beschließt - und es bedürfte schon einer besonders arglistigen Manipulation, einen solchen Beschluss so zu verfälschen, dass nicht der durch die gewählten Mandatare beschlossene Volkswille zum Zuge käme. Denkbar wäre natürlich eine falsche Zählung oder Protokollierung des Abstimmungsergebnisses oder ein nachträgliches, putschartiges Feilen am Gesetzestext - in solchen Fällen müsste der Bundespräsident in seiner Funktion als "Staatsnotar" aufschreien.

Aber bei der vorliegenden Materie ist die Sache komplizierter.

Erstens sind die Budgetbegleitgesetze selbst so vielschichtig, dass man mit einigem Recht fragen kann, ob die Nationalratsabgeordneten auch nur geahnt haben können, welchen Willen sie beim Beschluss kundgetan haben: Pensions- und Steuerreform im selben Gesetz, beide mit zahlreichen Sonderbestimmungen. Dazu der Abfangjägerkauf. Und die Krankenversicherungsbeiträge. Und die Selbstbehalte. Hat irgendjemand mitbekommen, dass dasselbe Gesetz auch die Förderung von Breitband-Internetanschlüssen beinhaltet? Zweifel sind angebracht.

Zweitens lässt die von der Koalition inszenierte Bundesratsabstimmung ohne klare Zurückweisung oder Zustimmung zum Gesetz auch noch Spielraum für Zweifel des Präsidenten.

Und das besonders Schöne daran: Keinen Zweifel kann es daran geben, dass sich der von Klestil ungeliebte Wolfgang Schüssel darüber ärgert, dass der Bundespräsident nun genau so wichtig ist, wie er sich macht. So will es die Verfassung.(DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2003)