Wien - Um ein Haar erwischt mich der Elefant. Er kommt von hinten, und erst im letzten Moment greift die Mutter ihrem Kind in den Lenker, um auszuweichen. Ich gehe einen Schritt zur Seite, dann fährt das batteriegetriebene Stofftier samt minderjährigem Reiter und Begleitperson weiter auf seiner Runde durch das unterste Stockwerk des Einkaufszentrums.

Es ist Freitagabend, kurz vor 20 Uhr in der Lugner-City im 15. Wiener Gemeindebezirk. Richard Lugner ist der Erste, der die Möglichkeit nutzt, bis 21 Uhr offen zu halten. Für den Merkur-Markt zahlt es sich offensichtlich aus. Fast alle Kassen sind geöffnet, trotzdem drängen sich lange Schlangen in den Gängen.

Auch bei der Modekette H&M sind die Umkleidekabinen voll. Aber nicht überall ist man zufrieden. "Seit einer dreiviertel Stunde war keiner da", erklärt der Verkäufer bei "Videospiele Precan". "Ich weiß nicht, ob es mehr Umsatz bringt, ich glaube eher, dass es sich nur auf den ganzen Tag verteilen wird", meint er.

Mörtel-Potenzwein

Christine Lugner, die vor dem Mausimarkt Mörtel-Potenzwein ausschenkt, hofft Gegenteiliges. "Drei bis fünf Prozent neue Kunden werden kommen", gibt sie sich optimistisch. Ansprechen will man vor allem Familien, die sonst keine Gelegenheit haben, gemeinsam einzukaufen.

Ob diese Zielgruppe auch sein Geschäft besucht, weiß Herr Martin, Filialleiter des Sexshops "Love and Fun", noch nicht. "Vielleicht, dass die Männer sagen, sie gehen schnell zum Merkur - und dann bei uns schnell zwei, drei DVDs kaufen. Oder sich in die Videokabinen setzen." An diesem ersten langen Freitag kann sich der umsatzbeteiligte Angestellte jedenfalls noch nicht über mehr Verdienst freuen.

Schuld daran könnte auch das schöne Wetter haben. Am Nachmittag war der Besucherandrang lau, erst gegen 20 Uhr haben sich die Parkplätze gefüllt, gesteht Richard Lugner ein. Umsatzzahlen gibt es erst am Montag. Sein Eindruck ist aber, dass viele Leute erst einmal zum Bummeln gekommen sind.


Schauen, nicht kaufen

So wie Julia und Helena. Die beiden Teenager sind aus Meidling gekommen, "um sich die Geschäfte anzusehen." Kaufen wollen sie vorerst nichts, dennoch finden sie es "schade, dass nicht alle Geschäfte in der ganzen Stadt so lange offen sind."

Nicht alle Besucher teilen diese Meinung. Herr Leopold lehnt an der Brüstung im ersten Stock und beobachtet das Treiben auf der darunter liegenden Showbühne. "Mir tun die Verkäufer Leid", meint er. "Wenn die Wirtschaft keinen Umsatz macht, dann liegt es nicht an den Öffnungszeiten. Die Löhne der Arbeiter sollten angehoben werden, dann können sie auch mehr kaufen", ist er überzeugt.

Zehn Minuten nach 21 Uhr werden die Rollläden herunter gelassen. Die meisten Angestellten haben schon zusammengeräumt, andere werden es Samstagfrüh erledigen. Die Kunden gehen nach Hause oder besuchen die Restaurants im obersten Stock, die noch eine Stunde offen haben. Und der Stoffelefant steht wieder in einer Reihe mit seinen Kollegen und wartet auf den nächsten Einkaufstag samt unvorsichtigen Passanten. (Michael Möseneder, DER STANDARD, Printausgabe, 11.08.2003)