Wien - Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, ist enttäuscht darüber, dass die finanzielle "Soforthilfe" aller Voraussicht nach bis ins neue Jahr auf sich warten lässt. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) hat Mitte Juli eine neun Mio. Euro-Vorauszahlung aus dem Länderpaket zur Entschädigung jenes Gemeindevermögens zugesagt, das der Kultusgemeinde in der NS-Zeit entzogen worden ist. "Sehr, sehr viele Leute fühlen sich hineingelegt", beschreibt der IKG-Präsident im Interview mit der APA die Stimmung in der Gemeinde.

In der dieswöchigen Kultusratsitzung sei daher auch ein Abbruch der Gespräche mit der Regierung diskutiert worden, bestätigte Muzicant. Die Alternative wäre gewesen, zu klagen. Dafür hätte es Stimmen quer durch alle Fraktionen gegeben. Eine ganz knappe Mehrheit habe sich aber dann für das Festhalten des Verhandlungsweges ausgesprochen. Wobei Muzicant seine Forderung in Richtung Gehrer erneuert, dass der Bund nun so lange einspringt, bis die Länder die von ihnen zugesagten Mittel überweisen können.

Zum ersten Mal hat der IKG-Präsident diesen Wunsch nach Bekanntwerden der formalrechtlichen Probleme der Länder hinsichtlich einer sofortigen Auszahlung der neun Mio. Euro Ende Juli formuliert. Gehört hat er seitdem aus dem Bildungsministerium nichts. Vielmehr werde verbreitet, "die Bundesministerin geht das nichts an". Das gehe aber nicht, denn "als gelernte Politikerin muss sie wissen, dass die Länder formale Probleme haben, die sechs Monate dauern können".

Keine Antwort gebe es auch bezüglich der Subventionsansuchen der Gemeinde im Bildungs-, Innen- und Sozialministerium. Diese seien kurz nach dem Gespräch Mitte Juli eingebracht worden, so Muzicant. Denn man sei mit der Ministerin übereingekommen, die von der Gemeinde geforderten 2,7 Mio. Euro, die die IKG jährlich zur Aufrechterhaltung ihrer Infrastruktur braucht, auf diesem Weg zu beantragen. In der Vergangenheit hatte Gehrer angesichts der 2,7 Mio. Euro-Forderung der IKG immer wieder auf die Möglichkeit von "Projekten" verwiesen. Dazu hält nun Muzicant fest: man habe sich inzwischen "darauf geeinigt, dass das keine Projekte sind, sondern es um die Finanzierung der Infrastruktur geht".

Und warum ist es nicht möglich, die Sache mit Regierungschef Wolfgang Schüssel (V) zu regeln? Dazu Muzicant: "Schüssel hat sich einfach entschieden, dass er das alles der Frau Bundesministerin Gehrer delegiert und über den GSF (kurz für "General Settlement Fund", also Allgemeiner Entschädigungsfonds, Anm.) nicht spricht und das ist der Status Quo und alles andere wird ausgesessen. Das ist halt so."

Vermittlungsangebot von Haider bestätigt

Inzwischen hat jemand anderer seine Hilfe angeboten. So bestätigte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, im APA-Interview das Gerücht, Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (F) sei bereit, zu vermitteln: "Der Kärntner Landeshauptmann hat auf einen Brief, den ich an alle Landeshauptleute geschrieben habe, reagiert und hat gemeint, man habe 2001 etwas vereinbart, die Länder hätten ihren Teil eingehalten, der Bund aber nicht. Er wäre sehr interessiert, zu einer Lösung zu kommen und hat angeboten, dass man hier miteinander spricht." Ob er, Muzicant, dieses Angebot annehmen werde? "Ich rede in dieser Sache selbstverständlich mit jedem."

Sparpaket bleibt bis zu Lösung mit Bund in Kraft

Bis es zu einer Lösung mit dem Bund kommt, hält die finanziell schwer angeschlagene jüdische Gemeinde Wiens jedenfalls an ihrem zu Sommerbeginn geschnürten Sparpaket fest. Dieses sieht neben Kürzungen von u.a. Subventionen und Stipendien auch Kündigungen vor. Wie viele es nun seien? "Insgesamt 14", so der IKG-Präsident. Einige davon seien bereits ausgesprochen, einige seien kurz davor, ausgesprochen zu werden. Und: insgesamt sei die Bestürzung und die Frustration der Gemeindemitglieder groß. "Wir haben Eltern, die ihre Kinder am 1. September nicht in die jüdische Schule schicken können, weil sie kein Stipendium mehr bekommen."

Dabei ist Muzicant davon überzeugt, dass eine Einigung zwischen IKG und Regierung auch an einer anderen Front von Nutzen sein könnte: nämlich endlich die beiden noch in den USA gegen Österreich aus dem Titel "Restitution" anhängigen Klagen vom Tisch zu bekommen. Erst wenn diese abgewiesen sind, tritt Rechtssicherheit ein. Und diese ist wiederum nötig, dass aus dem mit 254 Mio. Euro gefüllten Allgemeinen Entschädigungsfonds (kurz: GSF für General Settlement Fund) auch tatsächlich Gelder ausbezahlt werden können. Aus dem GSF sollen größere in der NS-Zeit erfolgte Vermögensentzüge entschädigt werden.

"Ich bin seit zweieinhalb Jahren der Meinung, dass diese Verfahren dem Staat und dem Ruf des Staates nur schaden können", so Muzicant weiter. Er verweist auch auf die hohen Anwalts- und Gerichtskosten, die bereits aufgelaufen seien. Nach dem Washingtoner Abkommen im Jänner 2001 "hätten wir die Chance gehabt, mit etwas gutem Willen eine Lösung zu finden". Doch die Republik habe versucht, einerseits die Schuld der Kultusgemeinde, andererseits den Opfern zuzuschieben. Er, Muzicant, verstehe aber die Sorgen der hinter den Sammelklagen stehenden Opfer: sie fürchten, dass der GSF durch die Anträge der IKG "ausgeräumt" werde - Anträge, die die Kultusgemeinde nicht einbringen habe wollen, aber angesichts der Nicht-Bewegung der Regierung einbringen habe müssen.

Muzicant hält daher fest: "Wir sollten das nicht vor amerikanischen Gerichten austragen, sondern miteinander reden". Und zwar bald - damit die Kultusgemeinde noch in die Lage versetzt werde, ihr drastisches Sparpaket, das mit Beginn 2004 greifen soll, wieder aufzuschnüren.(APA)