Toll" ist ein Wort, das Ferry Ebert häufig verwendet. Immer noch. Begeistert rutscht der 69-Jährige auf seinem Sitz hin und her, als begänne gerade ein Abenteuer. Der Wirt des griechischen Lokals, in dem wir uns getroffen haben, sei übrigens ein guter Freund, und Freundschaft ein tolles Thema, heute wichtiger denn je. Ob es für Ebert ein Schlüsselerlebnis zum Thema Freundschaft gebe? "Das ganze Leben ist eines."

Ebert muss es wissen. Seine Gummibären-, Pez-, Brieflos- und Kondomautomaten haben für Jahrzehnte das österreichische Straßen- und Toilettenbild geprägt und Ebert zum "Automatenkönig" gemacht, zum "Don Kondomi" auch. Ende der 50er-Jahre, als in Vorarlberg noch die Pfarrer von der Kanzel herab gegen die "Verhüterli" und gegen die Teufelskisten, die solches anonym ausspucken, predigten, war Ebert ausgezogen, seine Automaten in alle Häusl zu bringen.

Drei Jahrzehnte später machte die "Ferry Ebert GesmbH&Co KG" einen Umsatz von 174 Millionen Schilling (in den besten Zeiten waren es 500 Millionen gewesen). Er produzierte die Apparate nun selber, exportierte in alle Welt und hatte Dutzende von Angestellten. Sein natürlich nicht ganz uneigennütziger Kampf gegen die "Provinz-Spießer-Sexual-Krampf-Scheinheiligkeit", wie der Wiener einmal schrieb, hatte ihn zum österreichweit bekannten Original gemacht. Der Ebert, das hieß automatisch der Ebert mit den Kondomautomaten.

Gekostet hatte ihn das Ganze viel Energie, eine gehörige Portion Überzeugungskraft, zwei Millionen kreuz und quer durch Österreich zurückgelegte Autokilometer und die Gesundheit. "Ich saß mit 40 in einem Invalidenauto und war von der Hüfte weg fast gelähmt. Aufbauphasen sind Phasen der Bewusstlosigkeit, im Sinne mangelnden Bewusstseins", so habe ihn das Streben nach dem Materiellen blind für die wesentlichen Dinge des Lebens und auch die Freundschaft gemacht. Dafür öffnete ihm der geschäftliche Erfolg die Türen zu Generaldirektionen und Vorstandsetagen. Damals, sagt Ebert, habe er leichtsinnigerweise viele Menschen als Freunde bezeichnet, die keine waren, es hätten sich durch die zahlreichen Geschäftskontakte ein paar Hundert Scheinfreundschaften ergeben.

Dass es vielleicht nicht banale, aber doch oberflächliche Freundschaften waren, sollte sich Ende der 80er-Jahre weisen. Ein langjähriger "so genannter Geschäftsfreund" in den USA habe ihn in einem Manöver, gegen das sich Der Große Bluff wie ein Krippenspiel ausnimmt, hereingelegt. Ebert verlor 70 Millionen Schilling; was er über drei Jahrzehnte aufgebaut hatte, war gefährdet. Aber nicht nur beim Kreditinstitut, wo er nunmehr der dritten Generation von Bankdirektoren (die erste war gestorben und die zweite in Pension) gegenübersaß, zeigte man ihm die kalte Schulter, auch das Feld der anhin so zahlreichen Freunde dünnte sich schlagartig aus. Auf einmal stand er fast alleine da.

Das alles sei mitentscheidend dafür gewesen, dass er die Geschäfte seiner Familie übergab und sich in einer zweijährigen Reise auf die Suche nach dem Sinn des Lebens machte, die ihn bis in die Wüste Sinai führte. Es sei eine zeitlose und egolose Lebensphase gewesen, ohne Spiegel, in der er seine Gedanken neu ordnete und niederschrieb.

Ebert wäre nicht Ebert, hätte er bei seiner Rückkehr nicht sofort einen neuen Automaten, eine Art mechanischen Philosophen, konstruiert, dem unter dem Titel "Gedanken von Mensch zu Mensch" 183 Themen wie Glück, Harmonie, Zweifel, Freundschaft entnommen werden konnten. Unterschrieben sind die kleinen - von Ebert geschriebenen - Traktate mit "ein Freund". Es sei ihm, sagt Ebert, darum gegangen, seine Erfahrungen weiterzugeben und so eine Brücke in die Zukunft zu bauen. Er wisse, wie schnell sich alles ändern könne. Er habe viel Geduld entwickeln müssen - mit sich und anderen -, um das einzusehen. Zudem ginge es doch in jedem Leben und in jeder Freundschaft um immer dieselben Geschichten von Hoffnungen und Enttäuschungen, von Liebe und Verrat. Als er sich zwecks Finanzierung und Suche nach Stellplätzen an seine alten Geschäftspartner wandte, ließ man ihm ausrichten, man wolle nichts mit Sekten und Sektierern zu tun haben oder mit Spinnern, und überhaupt solle er doch seine "Gedichte" für sich selber schreiben.

Das tat er dann auch, allerdings für Kinder und in Märchenform. So wurde aus dem Automatenkönig der Märchenschreiber Radomir Runzelschuh. Seine Märchen vertreibt er natürlich wiederum mittels Automaten. Auf der Rückseite seiner Märchenbriefe fordert er die Kinder auf, ihm ein eigenes Märchen zu schreiben. Tausende sind per Post gekommen und füllen, fein säuberlich in Ordnern abgelegt, einen ganzen Aktenschrank. Sein Geschäft hat er mittlerweile aufgegeben, die Euro-Umstellung der Automaten hätte zwei Millionen Euro gekostet, zu teuer. Also gibt er nun Märchenbücher heraus und überzeugt Schriftsteller wie Alfred Komarek, für das "Rote Nasen Geschichtenbuch", das demnächst erscheint, Märchen zu schreiben. Auch Wolfgang Schüssel hat schon eines geschrieben, es geht darin um einen mächtigen Sultan, den niemand heiraten will.

Das alles klingt so, als wenn da einer vom Saulus zum Paulus geworden wäre, zudem könnte man in diesem Rückzug in die märchenhafte Welt eine Realitätsverweigerung sehen. Ebert weist das von sich. Wenn er sehe, mit welcher Hingabe die Märchen der Kinder geschrieben seien, und wenn ihm ein kleiner Zuhörer nach einer Lesung im Kindergarten sage, "du bist mein großer, lieber Freund", dann wisse er, dass er nun seine Zeit den richtigen Menschen schenke und die richtigen Prioritäten setze. Natürlich sei er immer noch in einer Phase der Regeneration, ihm sei lange Zeit nach nichts gewesen, "aber nichts ist alles. Wenn Sie wollen, können Sie sagen, für diese Erkenntnis habe ich aber einen hohen Preis bezahlt. Ja, dann soll es so sein." Nun muss der charmante Plauderer mit dem Mut zum Skurrilen aber aufbrechen, schließlich gibt es auf dem Märchensektor noch genug zu tun. Nur eines will er noch sagen: Nicht wer die Freundschaft verloren hat, ist arm dran, sondern der, der sie nie suchte. Er wünscht noch einen "strahlenden Tag", dann verabschiedet er sich von den Gästen, die ihn natürlich kennen, und vor allem von seinem Freund, dem Wirt. []