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Noriaki Kasai ist einer der weltbesten Flieger.

Foto: AP/Schrader

Solle noch einer sagen, das Skispringen sei keine Weltsportart. Also hat ein Poster, der sich auf Thomas Diethart bezog, nach der ersten der vier Schanzen gewitzelt. Diethart, der Sensationsdritte von Oberstdorf, ist Niederösterreicher - und Niederösterreich ist tatsächlich nicht das erste Bundesland, das man bis dato mit dem Skisprung verbunden hat - sondern eher erst das siebente.

Doch schienen in Oberstdorf immerhin sechs Nationen unter den besten zehn auf. Neben dem Schweizer Sieger Simon Ammann, der seinen ersten Tournee-Gesamterfolg anstrebt, und neben Diethart ging das Abschneiden des japanischen Teams ein wenig unter. Dabei sind es die Japaner, die seit je das Skispringen quasi aus Europa hinaustragen. Und dabei ist Noriaki Kasai, der Sechste von Oberstdorf, "in der Form seines Lebens", wie Andreas Goldberger konstatierte.

Goldberger kennt sich erstens aus und Kasai zweitens wirklich gut, sie sind jahrelang gegeneinander gesprungen, vor allem in den Neunzigern. Kasai (41) ist ein knappes halbes Jahr älter als der Oberösterreicher, der vor acht Jahren zurücktrat. Kasai springt und springt, die aktuelle, also 62. Tournee ist für ihn die Nummer 23. "Und wenn er im Februar in Sotschi eine Olympiamedaille holt, schenkt er mir eine Golfausrüstung", sagt Andreas Gruber. Der 28-jährige Saalfeldener dient den Japanern seit 2010 als Servicemann. Davor war Gruber für die Skifirma Fischer tätig, noch früher war er Kombinierer, "aber eher erfolglos". Mit 18 hörte er auf.

Konzept ohne Jammern

Mit den Japanern hatte es Gruber zunächst nicht leicht. "Sie waren schüchtern, ich war schüchtern, wir haben kaum geredet. Mittlerweile reden wir über alles." Der Großteil der Verständigung passiert auf Englisch, Gruber kann ein paar Brocken Japanisch, und Japans Kotrainer Hideharu Miyahira lernt seit drei Jahren Deutsch. Auch Miyahira ist mit Goldberger und Kasai gesprungen, er ist ein Jahr jünger als die beiden. Gruber sagt, ihm tauge "die Art der Japaner. Sie haben ein Konzept, an dem halten sie fest. Sie werfen, wenn es einmal nicht so läuft, nicht gleich alles über den Haufen. Und sie jammern weniger als Europäer."

Mit seinem Salär ist der Servicemann "zufrieden", er bekommt ein Fixgehalt, es wird in Yen ausbezahlt. Das ist halt dieser Tage und Jahre eher ein Pech. "Ich hab mit einem Wechselkurs von 100 begonnen, jetzt liegt er bei 140." Die Springer sind den Yen und seine Sprunghaftigkeit gewohnt. "Die meisten Japaner", berichtet Gruber, "sind bei Firmenteams angestellt. Und wenn sie im Weltcup etwas gewinnen, dann wird das von der Firma verdoppelt."

Und Golf

Kasai springt für das Wohnungsbauunternehmen Tsuchiya Holdings aus Hokkaido. Dass er so sein Auslangen findet, ist mit ein Grund für die Dauer der Karriere, Ähnliches gilt für Takanobu Okabe, der mit gar 43 noch springt, in Oberstdorf allerdings in der Quali scheiterte. "Aber vor allem springen sie", sagt Gruber, "weil ihnen das Springen immer noch Spaß macht." Das sei vor allem ein Verdienst von Cheftrainer Tomoharu Yokokawa, der darauf achtet, dass die Mannschaft nicht wie früher den gesamten Winter in Europa verbringt.

In den Wettkampfpausen wird vor allem auch dem Golfspiel gefrönt. "Praktisch alle sind ganz narrisch drauf", sagt Gruber. Wirklich gute Golfer sind Miyahira (Handicap 2) und Okabe (5). Ein neues Schlägerset könnte auch Gruber (13) beflügeln, die Olympiamedaille auf der Großschanze traut er Kasai jedenfalls zu. "Er ist und bleibt einer der weltbesten Flieger." Auch bei der Tournee, wo Kazuyoshi Funaki 1998 für den einzigen japanischen Gesamtsieg sorgte, könnte mit Kasai noch zu rechnen sein. Vor dem Neujahrsspringen liegt er 7,4 Punkte zurück. Und er hat in Garmisch-Partenkirchen bereits zweimal gewonnen - 1993 und 2001. (Fritz Neumann, DER STANARD, 31.12.2013)