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Das einzigartige Süßwassersystem auf Yucatán wird auch als Touristenattraktion vermarktet. Umweltschützer fordern, die Höhlen zum Unesco-Weltkulturerbe zu erklären und so zu retten.

Foto: AP/Valdes

Bei Gabriel Masón liegt der Eingang zur Unterwelt nur ein paar Schritte von seiner Hütte entfernt hinter hohen Bäumen. Eine Höhle mit kristallklarem Wasser, gespickt mit Seerosen: ein sogenannter Cenote. Teil des riesigen, unterirdischen Süßwassersystems der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Ein Schatz, den schon Masóns Vorfahren, die Mayas, kannten und hüteten.

In manchen Höhlen wurden Gebeine und wertvolle Opfergaben aus jener Zeit gefunden und unter Mitarbeit von Unterwasserarchäologen aus Kiel klassifiziert und datiert. Ohne das unter dem Karstboden gehortete Trinkwasser wäre Yucatán kaum zum Herz des Maya-Reiches geworden. Doch kämen seine Urväter heute zurück, so Masón, "würden sie beim Anblick dessen, was wir mit Mutter Erde machen, weinen." Denn der Schatz ist in Gefahr, Schuld trägt der Tourismus.

7,5 Millionen Urlauber

Yucatán hat in den vergangenen 40 Jahren einen Boom ohnegleichen erlebt: 84.000 Hotelbetten, im Hinterland Wohnsiedlungen für Angestellte. 7,5 Millionen Urlauber pro Jahr sorgen für einen Umsatz von rund 5,3 Milliarden US-Dollar (3,85 Milliarden Euro).

Die öffentliche Infrastruktur kann mit dem Tempo nicht Schritt halten. "Nur 30 Prozent des Abwassers werden behandelt, und auch nur primär, indem feste Bestandteile herausgefiltert werden", sagt Meeresbiologe Roberto Iglesias von der Autonomen Universität von Mexiko. All das sei völlig legal. Umweltschützer fordern zwar seit langem strengere Auflagen und mehr Anreize für nachhaltige Projekte, doch sie beißen auf Granit.

Iglesias überwacht das zweitgrößte Korallenriff der Erde, das gerade einmal einen halben Kilometer vom Ufer entfernt ist. Dort findet er neben Fäkalien und allerlei Plastikmüll auch Spuren von Drogen und Kunstdünger - je nach Menge, kann er sagen, ob Haupt- oder Nebensaison ist. Nicht nur Fische und Korallen ersticken am Müll, auch die Uferwälder aus Mangroven, einst ein wichtiges Pufferökosystem, sind inzwischen stark dezimiert.

Im Süßwassersystem wiederholt sich das Szenario: Wenn der Höhlentaucher und Umweltaktivist Luis Leal in der Nähe von Siedlungen taucht, sieht er manchmal mit seiner Taschenlampe, wie aus den Felsen über ihm eine dunkle Brühe ins kristallklare Wasser einsickert. Er hat Proben gemacht und die Verschmutzung durch Fäkalien dokumentiert. Zusammen mit anderen Umweltaktivisten hat Leal beantragt, das einzigartige Höhlensystem zum Weltkulturerbe erklären zu lassen. "Aber die Unesco verweist nur auf die mexikanische Regierung, und die stellt sich taub", klagt Leal.

Gabriels romantischer Cenote liegt in Muxiimbal, eine halbe Stunde nördlich von Tulum, und ist nur auf einer staubigen Piste zu erreichen. Trotzdem sind auch bei ihm schon Investoren aufgekreuzt, die den Weg betonieren und Touristen in Busladungen ankarren wollen. Sie haben ihm ein paar tausend Dollar geboten - viel Geld für jemanden, der in einer Lehmhütte mit Strohdach lebt. Doch der 39-jährige Familienvater hat abgelehnt. Er entwickelt lieber sein eigenes Projekt des sanften, interkulturellen Tourismus. "Nur materieller Reichtum ist nichts wert. Reich ist, wer Wissen und Kultur mit anderen teilt." (Sandra Weiss aus Tulum, DER STANDARD, 31.12.2013)