Hilfe für Kinder, die unbetreut sind, die auf der Straße leben oder aufgegriffen wurden: Concordia ermöglicht ihnen den Schulbesuch und, später, eine Berufsausbildung.

Foto: Concordia

STANDARD: Sie sind heuer mit den Concordia-Sozialprojekten in den Medien sehr präsent. Läuft es mit den Spenden nicht so gut?

Konrad: Wir bemerken schon einen Rückgang gegenüber früheren Jahren - auch bei den Großspendern. Wir müssen also dranbleiben, gut kommunizieren und auf uns aufmerksam machen. Dann kommen auch jedes Jahr neue Spender dazu.

STANDARD: Kennen Sie Ihre Spender? Wer spendet?

Konrad: Hauptsächlich Menschen aus Österreich, aber wir haben auch Spender aus Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz. Viele Spender sind sehr treu, sie engagieren sich auch teilweise über die Geldspende hinaus. Sie kommen etwa bei uns vorbei, um zu helfen, wenn wir Hilfstransporte beladen oder Pakete schnüren.

STANDARD: Wissen eigentlich alle Spender, dass sie für Roma-Hilfsprojekte spenden?

Konrad: Ich denke, das ist ihnen schon bewusst. Wir haben das nie explizit kommuniziert, wir sprechen ja immer von "unseren Kindern", und das sehen wir auch so. Die Kinder, die Spender, wir, das Personal - wir sehen uns als eine Familie, die Concordia-Familie.

STANDARD: Viele Menschen in Europa haben aber starke Vorurteile gegen Roma. Insofern ist es doch erstaunlich, dass Concordia erfolgreich seit 20 Jahren läuft.

Konrad: Ich denke, unsere Spender haben diese Vorurteile nicht. Die sehen, was auch wir sehen: Kinder, denen man eine Zukunft bieten kann - egal welcher Ethnie. In Bulgarien betreuen wir fast ausschließlich Roma-Kinder, in Rumänien sind es 15 bis 20 Prozent. In Moldau betreuen wir in den Suppenküchen vor allem ältere Menschen, dort gibt es auch keine starke Roma-Minderheit.

STANDARD: Ihr Stiftungsvorstand ist Hans Peter Haselsteiner, die Strabag, die er gegründet hat, ist Ihr wichtigster Großspender. Man könnte unterstellen, die Strabag mache gute Geschäfte im Osten Europas und wolle nun mithilfe des Vereins Concordia ihr Image als Baukonzern aufmöbeln. Ist das nicht problematisch?

Konrad: Das sehe ich ganz und gar nicht. Hans Peter Haselsteiner ist persönlich sehr engagiert. Die Kinder kennen ihn, und er kennt unsere Kinder. Das ist ihm persönlich sehr wichtig. Die Strabag-Agenden hat er übergeben, und im Übrigen sind die Spenden von dieser Seite vor allem Sachspenden: etwa Hilfe bei unserer Lohnverrechnung oder Beratung beim Bau unserer Häuser.

STANDARD: Sie sind sozialpädagogische Vorständin des Vereins, Pater Sporschill hat sich aus der Concordia zurückgezogen. Ist ihm die Aufgabe über den Kopf gewachsen?

Konrad: So würde ich das nicht sehen. Pater Georg und Ruth Zenkert sind absolute Pioniere, die können gut die Dinge anpacken, Projekte auf die Beine stellen, Spenden auftreiben. Im Laufe der Jahrzehnte ist das Projekt immer größer geworden. Wir betreuen momentan 1000 Kinder und Jugendliche aus tristen Verhältnissen. Viele davon sind traumatisiert, man muss sie auch psychologisch betreuen. Pater Markus Inama und ich sind nun da, um nach der Pionierphase die Professionalisierungsphase zu betreuen. Georg Sporschill bleibt dem Projekt aber sehr verbunden.

STANDARD: Wäre es nicht an der Zeit, stärker zu fokussieren - entweder nur auf Roma-Kinder oder nur auf Ältere wie in Moldawien? Besteht nicht sonst trotz alledem die Gefahr, dass das Projekt zu groß wird?

Konrad: Die Suppenküchen hoffen wir langsam an die Gemeinden übergeben zu können. In Moldau wird auch gerade das Pensionssystem überarbeitet, unser gemeinsames Ziel ist, dass die Kommunen das bald selbst betreuen können. Das ist entstanden, weil uns die Kinder in Moldau zu diesen vergessenen alten Leuten geführt haben, denen niemand hilft. Aber was die Kinder betrifft, arbeiten wir nach dem Prinzip der Inklusion. Wir picken uns nichts und niemanden heraus. Unsere Zielgruppe sind Kinder ab drei Jahren, die unbetreut sind, auf der Straße leben, aufgegriffen werden. Wir betreuen sie bis ins junge Erwachsenenalter, entlassen sie in betreute Wohnungen, helfen ihnen bei der Eingliederung in die Gesellschaft. Wir setzen niemanden mit 18 Jahren vor die Türe.

STANDARD: Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote?

Konrad: Gute Frage. Ehrlicherweise kann ich sie momentan nicht exakt beantworten. Das ist eines der Projekte, an denen wir gerade arbeiten. Im kommenden Jahr wollen wir unsere Datenbank fertig haben. Wir versuchen herauszufinden, wie treffsicher unsere Angebote sind. Wir haben ja viel aufgebaut diesbezüglich: Das reicht vom therapeutischen Angebot mit Biografiearbeit für die Kleinen bis hin zu Berufsfindung und -beratung für die Größeren. Bis Ende 2014 steht auch unser pädagogisches Konzept.

STANDARD: Kooperieren Sie mit der "Drehscheibe" der Wiener Magistratsabteilung 11, die Kinder betreut, welche in Wien beim Betteln oder Stehlen aufgegriffen werden?

Konrad: Ich habe vor einiger Zeit Kontakt zum Drehscheibe-Leiter Norbert Ceipek geknüpft, er hat auf mein Angebot zur Zusammenarbeit eher zurückhaltend reagiert. Aber wir kooperieren mit der Wiener Notschlafstelle der Caritas.

STANDARD: Im Rahmen des EU-Roma-Programms gibt es viele Initiativen, um die Diskriminierung und Armut von Roma in Europa zu bekämpfen. Tatsächlich ändert sich an der Situation der Roma jedoch seit Jahrzehnten wenig. Warum das?

Konrad: Ich glaube, dass viele Programme falsch aufgesetzt sind. Man spricht nicht mit den Menschen vor Ort, man macht sich kein Bild, wie sie leben - und wie sie leben wollen. Wenn beispielsweise die meisten Roma in Rumänien in kleinen Häusern mit Gemüsegärten leben, macht es keinen Sinn, ihnen Appartmenthäuser zu bauen und sie dort ansiedeln zu wollen. Das wird nicht funktionieren, das passt nicht zu ihnen. Wir haben unser "Lernhaus" in Mimiu den Bedürfnissen der Menschen vor Ort angepasst. Wir wollen es vielleicht als Pilotprojekt in Brüssel einreichen.

STANDARD: Sie betonen immer, dass Sie mit den Kindern "auf Augenhöhe" kommunizieren. Was meinen Sie damit?

Konrad: Genau das. Ich war Mitglied in einigen Opferschutzkommissionen und war zutiefst erschüttert, dass in vielen Kinderheimen und Internaten genau das nicht passiert ist. Niemand hat dort mit den Kindern gesprochen. niemand hat sie gefragt, wie es ihnen geht. Hilfe von oben herab wird aber nicht funktionieren. Es geht um permanente Beziehungsarbeit, es geht auch darum, Erzieher und Erzieherinnen aus der Roma-Community auszubilden und einzusetzen. Man muss auf die Leute zugehen und mit ihnen reden. Als wir etwa in Mimiu waren, haben wir dort elende Hütten und vermüllte Straßen und Vorgärten gesehen. In einer dieser Hütten war eine Frau mit ihrer 13-jährigen Tochter, Flori. Flori hielt sich immer die Hand vor den Mund. Wir fanden heraus, dass sie das tat, weil sie sich für ihre Hasenscharte schämte. Das war auch der Grund, warum sie nicht in die Schule ging. Wir haben die Familie in unsere "Stadt der Kinder" eingeladen, damit sie an unserem Programm teilnehmen kann. Das haben sie getan, und wir konnten Flori auch medizinisch helfen. Seither geht sie zur Schule. Das ist ein schöner Erfolg, denn jetzt hat sie eine Zukunft. So etwas gelingt Ihnen nicht, wenn Sie den Kindern nicht zuhören. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 27.12.2013)