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Pussy-Riot-Aktivistin Maria Aljochina gab sich auch nach ihrer Freilassung kämpferisch: "Glauben Sie mir, ich habe vor nichts mehr Angst."

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Tolokonnikowa will ein "Russland ohne Putin".

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Moskau/Wien - Sollte die russische Justiz geglaubt haben, dass man junge Frauen, die sich gegen Präsident Wladimir Putin gestellt haben, mit monatelanger Lagerhaft brechen kann, dann hat sie sich gründlich getäuscht: Nicht demütig-erleichtert, sondern kämpferisch-trotzig machten Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa ihre ersten Schritte in die Freiheit. Aljochina diktierte am Freitagmorgen in die Mikrofone der zahlreichen Journalisten, sie hätte Putins Amnestie am liebsten abgelehnt und ihre Haft regulär bis März abgesessen. Nun werde sie die Gelegenheit nützen und sich für bessere Haftbedingungen in Russland einsetzen, so die 25-jährige Mutter eines sechsjährigen Sohnes.

Nur wenige Stunden später wurde Tolokonnikowa freigelassen. Auch bei ihr keine Spur von Einschüchterung, geschweige denn Reue: "Russland wurde nach dem Vorbild einer Strafkolonie errichtet", sagte die 24- jährige Mutter einer vierjährigen Tochter selbstbewusst und forderte - so wie in den Tagen, Wochen und Monaten vor ihrer Verhaftung im März 2012 - ein "Russland ohne Putin".

Mit ihren ersten öffentlichen Auftritten in Freiheit unterschieden sich Aljochina und Tolokonnikowa deutlich von Michail Chodorkowski: Der ehemalige Oligarch hatte sich am Sonntag betont zurückhaltend gezeigt und wollte nicht zugeben, für Putin Hassgefühle zu empfinden.

Jahrelanger Protest

Der Unterschied mag auch in den Biografien der handelnden Personen zu finden sein. Während Chodorkowski nicht von Anbeginn an ein Gegner des Systems Putin war, sondern dieses zumindest zeitweise nützen konnte, um zu Reichtum zu kommen, waren die Aktivistinnen der Punkband Pussy Riot schon jahrelang in der Protestszene aktiv; sei es in der aktionistischen Künstlergruppe Woina (Krieg) oder sei es durch publizistische Tätigkeit.

Pussy Riot erregte bei den Behörden spätestens im Präsidentschaftswahlkampf 2011/12 Aufmerksamkeit, als Putin nach dem Intermezzo von Dmitri Medwedew wieder Präsident wurde. In der Öffentlichkeit freilich blieben ihre Aktionen oft unbemerkt - einfach weil die russischen Medien kaum davon Notiz nahmen.

Mit der Amnestierung von Chodorkowski, Aljochina und Tolokonnikowa ist für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International noch längst nicht alles ins Lot gebracht worden. Zwar freue man sich über die Freilassung, so Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, doch "Amnestien sind kein Ersatz für rechtsstaatliche Verhältnisse. Tatsächlich ist dieser Schritt so kurz vor den Winterspielen in Sotschi ein weiterer Beweis für die Politisierung der Justiz in Russland." Man bleibe dabei: Die Frauen von Pussy Riot seien zu Unrecht verurteilt worden. Die gegen sie gerichteten Vorwürfe müssten zurückgenommen, die Aktivistinnen rehabilitiert und für die Haftzeit entschädigt werden, fordert Patzelt.

Die beiden Aktivistinnen sehen das offenbar sehr ähnlich: "Ich glaube nicht, dass es ein humanitärer Akt ist", sagte Aljochina kurz nach ihrer Freilassung. Es handle es sich um einen "PR-Trick".

Aljochina saß in Nischni Nowgorod rund 450 Kilometer östlich von Moskau im Gefängnis, während Tolokonnikowa erst kürzlich in ein Straflager im 4400 Kilometer von Moskau entfernten Krasnojarsk in Ostsibirien verlegt worden war. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 24.12.2013)