Pater Douglas sitzt in seinem Büro in der Katholischen Schule von Ankawa, dem christlichen Bezirk der nordirakischen Stadt Erbil. Noch vor ein paar Jahren hatte er eine Pfarre in Bagdad mit 3000 Familien. Doch dann fiel die Kirche einem Bombenanschlag zum Opfer. Viele verließen das Land. Die Resoluten übersiedelten in eine andere Kirche. Doch die wurde mit Raketen beschossen. Die Familien erhielten Drohungen, Geschäfte wurden niedergebrannt; Erpressungen, Erschießungen, Enthauptungen.

Laut Schätzungen sind bisher 60 Kirchen gesprengt und etwa 2500 Christen ermordet worden, zusätzlich zu einer unbekannten Zahl an Verletzten und Entführten. In Bagdad blieb wirklich nur, wer keine Optionen hatte. Pater Douglas blieb.

Mit verbundenen Augen

Es wurde auf ihn geschossen, eine Kugel steckt immer noch in seinem Bein. Doch er kehrte an seinen Posten zurück. Dann wurde er entführt. Zehn Tage mit verbundenen Augen und in Handschellen. Keinen seiner Peiniger hat er zu Gesicht bekommen. Aber er lernte, sie nach ihrem Geruch zu unterscheiden. Gruppe eins fragte ihn, ob er sie für Sunniten oder für Schiiten hielt. "Ich antwortete, dass ich sie für Menschen halte, die in ihrem Leben nie eine Chance gehabt haben." Gruppe zwei waren "bessere Leute". Sie rochen nach Rasierwasser und Lederjacken. Sie waren gnadenlos. Zertrümmerten seine Nase, malträtierten ihn mit einem Hammer, schlugen ihm die Zähne aus. "Nichts davon hat mir etwas ausgemacht. Nicht weil ich so stark bin, sondern weil ich mich aufgegeben hatte. Ich war schon tot."

Dennoch kehrte er nach Bagdad zurück. "Du musst an deinen letzten Ort zurückkehren. Nur dort kannst du den Faden wieder aufnehmen." Aber irgendwann gab es keine Gemeinde mehr, die er hätte betreuen können. Also folgte er seiner Pfarrgemeinschaft ins Exil nach Kurdistan.

Flüchtlingsbischof Warda

Im Nordirak gibt es viele christliche Siedlungen, hier mischen sich Neuankömmlinge unter Familien, die seit Urgedenken hier leben. Über sie wacht Erzbischof Bashar Matti Warda, selbst ein Flüchtling aus Bagdad. Zwei Aufgaben hat er: die Pflege guter Beziehungen mit der kurdischen Elite; und seine Schäflein zum Hierbleiben zu bewegen. Regelmäßig fungiert Warda als Telefonseelsorger für Heimwehkranke, die in Schweden leben, aber wieder zurück wollen. Sie waren emigriert, um ihren Kindern eine Zukunft bieten zu können.

Hier muss er mithalten können, deshalb hat er vor drei Jahren eine katholische Volks- und Mittelschule errichtet. Und bis der erste Jahrgang maturiert, muss die katholische Universität fertig sein. Den Standort gibt es, die Finanzierung sieht gut aus. Ein Geschäftsmann und "guter Katholik" hat angeboten, ein Einkaufszentrum zu räumen und in Klassenzimmer umzufunktionieren. "Ich bin keiner, der jammert", sagt Warda. Geld, das er für neue Kirchen bekommen hat, verwendet er lieber für Wohnungen für junge Paare. Und da zählt Warda auf die Toleranz der Kurden, vor allem auf Premier Nechirvan Idris Barzani. Der 47-jährige Neffe von Präsident Massud Barzani sieht die Christen als "Bürger unseres Landes. Sie haben wie alle anderen Anspruch darauf, dass ihr Premierminister ihre Rechte verteidigt".

Auch radikalere Ideen

Die tausenden Flüchtlinge belasten die Staatskassa, und es droht der Zorn islamischer Extremisten. Laut Bischof Warda nimmt Barzani sie dennoch mit Großzügigkeit auf, gewährt ihnen Wohn- und Arbeitsrecht und nötigenfalls auch Sozialhilfe.

Doch die Verfolgung hat auch radikalere Ideen hervorgebracht: Intellektuelle treffen sich in konspirativen Gruppen und entwickeln so etwas wie einen christlichen Zionismus. Was Israel für die Juden, ist in ihren Augen der Irak: das historische Heimatland. Die Idee ist wohl schon ziemlich weit gediehen. Es gibt Kundgebungen, White Papers, Arbeitskreise, sogar eine Miliz. In der volatilen Region Ninive bilden Ex-Offiziere junge Freiwillige aus. Es schwebe ihnen eine Art "Christian Special Forces" vor, erläutert ein Sympathisant.

Die Idee eines christlichen Staates klingt abstrus; doch sie ist nicht gänzlich unfundiert. Die kurdische Verfassung, die nächstes Jahr zur Abstimmung gelangen soll, enthält die Möglichkeit autonomer Subregionen. Flüchten, standhalten oder gar einen eigenen Staat gründen? (Cheryl Benard aus Erbil, DER STANDARD, 24.12.2013)