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Elina Garanca über Opernpremieren: "Sechs Wochen Proben braucht man nicht."

APA/HANS KLAUS TECHT

Wien - Noch keine 40 Jahre alt, hat Elina Garanca also ein Buch über ihr Leben und Wirken herausgebracht - und nennt das "keinesfalls zu früh". Immerhin "blicke ich auf 15 Karrierejahre zurück und finde den Zeitpunkt gerade richtig. Außerdem schreibe ich lieber selbst etwas auf, bevor es jemand anderer tut", so die lettische Mezzosopranistin, die für ihre Erinnerungen auf keine Tagebucheintragungen zurückgreifen konnte. "Ich führe kein Tagebuch. Da wären zu persönliche Erlebnisse dabei, und ich könnte ja plötzlich sterben, mit dem Flugzeug abstürzen. Dann bekäme das womöglich jemand Unbefugter zwischen die Finger. Mir könnte es natürlich egal sein, ich wäre ja nicht mehr da. Aber für meine Leute wäre das wohl nicht so angenehm."

Daraus den Schluss zu ziehen, in Wirklich wichtig sind die Schuhe (Ecowin) würden nur unverbindliche Petitessen ausgebreitet, wäre falsch. Garanca, 1976 in Riga geboren, ist einer der recht unverblümten Opernstars der Gegenwart - zur Überprüfung muss man sie nur auf Opernregisseure und Probenzeiten bei Premieren ansprechen: "Sechs Probenwochen braucht man nicht, keiner der heutigen Topsänger braucht das. Nach drei, vier Wochen sind wir fertig, in der fünften und sechsten wird nur gedehnt, gedehnt ... Besonders qualvoll sind die sechs Wochen mit unvorbereiteten Regisseuren."

Immer Fragen stellen

Solche kämen nicht so oft vor, aber Auseinandersetzungen seien wiederum nicht so selten: "Das ist nicht immer angenehm. Ich frage jedenfalls dennoch nach, wenn mir etwas nicht klar ist - ich versuche zu verstehen. Es kann ja sein, dass ich falsch liege."

Grundsätzlich könne man sich natürlich - zur Verhinderung größerer Qualen - vorinformieren: "Man besucht eine Inszenierung, um zu sehen, was der Regisseur macht. Man bestellt DVDs von seinen Produktionen und befragt Kollegen. Dann vermag man zu entscheiden, ob die Zusammenarbeit Sinn macht. Das hat nichts mit der überheblichen Position als Star zu tun. Es ist eine Investition für dich selbst, um zu sehen, was dich erwarten könnte."

Wäre Kollegin Anna Netrebko bei einer Produktion dabei, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Garanca ohne Vorrecherche zusagt, allerdings recht groß. Der Sopranistin widmet Garanca in ihrem Buch einige, auch sehr komplimentpralle, Zeilen - es gab zudem manches aufzuklären. "Wir pflegen ein normales Verhältnis, das wollte ich klarstellen. Wir sind ja angeblich Rivalinnen, würden einander hassen. Andererseits heißt es, wir seien Herzensfreundinnen, die zweimal die Woche telefonieren. Beides ist falsch." Sicher ist, dass beide auf der Bühne voneinander profitieren: "Ich kann nur besser werden, wenn ich mit sehr guten Leuten zusammensinge. Es gibt Kollegen, die mit Schwächeren arbeiten, um der alleinige Star zu sein. Das finde ich langweilig."

Garanca brauche "einen Anreiz, jemanden, der mich fordert, provoziert, jemanden, der das Allerbeste aus mir herausholt. Und Anna ist nun einmal eine unglaublich starke Sängerin und Schauspielerin. Mit ihr zu singen macht Freude, durch sie werde ich besser. Was sollen wir durch Rivalität auch beweisen wollen? Dass sie einen längeren Applaus bekommt? Sie hat Fans und Leute, die sie hassen - so wie ich auch."

Besser, reifer sei ihre Stimme auch durch ihre erste Schwangerschaft geworden. "Die Stimme ist runder, weiblicher, und auch mein Repertoire verändert sich in diese Richtung. Meine Erfahrungen mit Cherubino und anderen Buben habe ich gemacht, jetzt bin gleichsam reif für die Frauenrollen, etwa Eboli."

Klar, man könnte "ein Leben lang seine Intonation und seinen Ausdruck bei Mozart polieren, aber es muss Spaß machen. Ich jedenfalls kann nicht zehn Jahre dieselbe Partie singen, ich langweile mich. Ich brauche Herausforderungen." Es läuft also alles in Richtung mehr Dramatik, wobei es auch um eine innere Dramatik geht: "Man kann auch mit 45 einen glaubhaften Buben spielen, aber man muss davon überzeugt sein. Ich bin es nicht mehr - es ist einfach die Wahrheit", so Garanca, die sich zurzeit in ihrer zweiten Babypause befindet.

Man hört sie wieder auf Stift Göttweig (2. Juli 2014) und bei den Salzburger Festspielen (24. August 2014), wo es zuletzt eine Diskussion um zu viele Proben und Sängerbezahlung ging. Garanca hat das nicht intensiv mitverfolgt, also bleibt sie grundsätzlich: "Wenn es Probleme gibt, kann sich wohl nur etwas ändern, wenn sich die 15 Topsänger zusammentun und etwas unternehmen." Eine von diesen wäre dann aber natürlich auch sie selbst. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 24.12.2013)