"The Stanley Parable" ist eines der diesjährigen Vorzeigewerke der Indie-Szene.

Foto: The Stanley Parable

Spricht man von Independent, denken viele an die Musik- bzw. Filmindustrie. Da wie dort sind Produktionen abseits des Mainstreams fixer Bestandteil der gesamten Szene. Die digitale Revolution brachte aber auch der Game-Industrie ein entsprechendes Segment, das in doppelter Hinsicht als Spielwiese dient. Und für ein "wachsendes Publikum" interessant wird, wie Spieledesigner Eric Zimmerman glaubt.

Gerade die Erschließung der digitalen Distribution hat dazu viel beigetragen, erläutert der Professor für Game-Design an der New York University der APA. "Zu Beginn meiner Karriere, Mitte der 90er-Jahre, existierten die Erlösmodelle, Verbreitungskanäle und der Designraum dafür einfach nicht." Heute müssten Spielehersteller nicht mehr zwangsweise um einen Platz im Regal kämpfen.

Stärkerer Einfluss denn je

Ähnlich sieht es Spieleexperte Robert Glashüttner von FM4, obwohl es durch die enorme Angebotsvielfalt auch schwieriger sei, Aufmerksamkeit zu generieren. "Aber natürlich hat die Indie-Games-Welt einen noch viel stärkeren Einfluss als vor vielleicht fünf Jahren." Wodurch sie auch für große Konzerne interessant wurde. "Da werden die Indies teils verhätschelt, zumindest die erfolgreichsten."

Ein Beispiel dafür wäre "Spelunky", ein simples Höhlen-Abenteuer, das nach einer Freeware-Version auch auf Xbox 360 oder Playstation 3 landete. Der Schwede Markus Persson hat mit "Minecraft" wiederum gezeigt, was mit einem Early-Access-Modell möglich ist. Dabei wird mit einer frühen Testversion bereits der Markteintritt gewagt, in diesem Fall zwei Jahre bevor es zur regulären Veröffentlichung über einen Vertrieb kam. Der Erfolg gab Persson Recht.

Problem Übersättigung

Gerade im Online- und Mobile-Bereich tut sich also einiges, wobei natürlich Titel wie "Angry Birds" oder "Candy Crush" viel überdecken. "Das sind aber auch einfach Ausreißer", verweist Glashüttner auf deren Erfolg, der nicht zuletzt gelungenem Marketing zu verdanken sei. Problematisch sei nämlich ein zunehmender Preisverfall bei Mobile-Games. "Vielleicht wird noch jedes tausendste Spiel bemerkt und verkauft sich dann so, dass es Gewinn abwirft", urteilt GameStandard-Journalist Rainer Sigl angesichts des überbordenden Angebots.

Das erzeugt natürlich Druck auf Erlösmodelle. Eine Form wäre etwa das Prinzip des Free-to-play, bei dem zwar das Spiel selbst kostenlos ist, aber nachträglich Geld investiert werden kann. Sei es, um schneller das nächste Level zu erreichen oder für "kosmetische Änderungen", wie es Sigl ausdrückt. Abgezielt wird dabei auf eine ungleich größere Zielgruppe als noch vor einigen Jahren. Viele Menschen würden Spiele am Smartphone gar nicht bewusst als solche wahrnehmen, glaubt Glashüttner. "Die werden benutzt wie andere Apps auch, aber es findet keine aktive Identifikation statt", man sehe sich nicht als "Gamer".

Spiele als Teil der Kultur

Zimmerman zufolge sind Games als Kulturform heutzutage jedenfalls breiter akzeptiert als früher. "Vor 20 Jahren ging es noch um den Zusammenhang von Videospielen und Gewalt, und der Großteil der Gesellschaft sah in Spielen eine Junk-Food-Jugendkultur. Das hat sich heute stark verändert." Künstler würden Spiele außerdem vermehrt als "Medien für sozialen Wandel und persönlichen Ausdruck" nutzen.

An ein Aussterben von Triple-A-Titeln wie "Grand Theft Auto" glaubt allerdings keiner der drei Experten. Der US-amerikanische Game-Designer sieht darin "das Äquivalent zu industriegefertigten Boybands". Und Sigl ortet "totale Stagnation. Es ist ja kein Zufall, dass die bestverkauften Spiele alle eine Zahl im Namen haben."

Aufblühen der Szene

Abseits davon gebe es aber "ein Aufblühen der Ränder", so Zimmerman. "Viele Akteure der Indie-Szene erkunden, was die relativ neue Form der Videospiele alles sein kann und wie ein Bezug zur Gesamtkultur hergestellt werden könnte." Und Sigl hofft auf ein Aufbrechen des "Ghettos": "Mit jeder Mutti, die anfängt, 'Angry Birds' zu spielen, wird der Prozentsatz von Hardcore-Gamern kleiner. Die weinen, ich freue mich." (APA, 1.1.2014)