Ein Bonobo-Baby wie dieses startet mit vergleichbaren Voraussetzungen wie ein neugeborener Schimpanse ins Leben. Später werden ihre Wege jedoch auseinandergehen.

Foto: MPI f. evolutionäre Anthropologie/ C. Ziegler

München - In jüngster Zeit hat sich ein wenig das Klischee eingeschliffen, dass unter unseren allernächsten Verwandten Schimpansen die aggressive und Bonobos die friedliche Variante darstellen. So eindeutig schwarz-weiß sieht es zwar nicht aus - auch Bonobos machen beispielsweise Jagd auf andere Affen. Doch tendenziell herrscht in Bonobo-Gruppen tatsächlich ein geringeres Aggressionslevel.

Dabei starten die Neugeborenen beider Spezies mit vergleichbaren Voraussetzungen: Bonobos und Schimpansen unterscheiden sich bei der Geburt kaum in ihrem Verhalten, wie die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften berichtet. Im Lauf der Jahre wachsen jedoch die Unterschiede: So sind männliche Bonobos weniger aggressiv als gleich alte Schimpansen, pflegen freundschaftliche Beziehungen zu Weibchen und sind zeitlebens auf die Unterstützung durch ihre Mütter angewiesen. Männliche Schimpansen hingegen nutzen eine Mischung aus Kooperation und aggressivem Verhalten, um sich in der Hierarchie ihrer Gruppe durchzusetzen.

Die möglichen Ursachen des Bonobo-Lifestyles

Als mögliche Ursache gilt die dominante Rolle von Weibchen in der Bonobo-Gesellschaft. Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und der königlich-belgischen Gesellschaft für Zoologie in Antwerpen glauben jedoch, dass der Hormonspiegel der Männchen den Unterschied macht. Die Forscher haben die hormonellen Veränderungen von rund 200 in Zoos lebenden Bonobos und Schimpansen im Alter zwischen einem und 56 Jahren mittels Urin-Analysen untersucht. Dabei stellten sie fest, dass Schilddrüsenhormone wie Triiodthyronin (T3) bei Schimpansen ganz wie bei uns Menschen nur in der Kindheit und Jugend hohe Werte aufweisen; nach der Pubertät sinkt der Hormonspiegel ab. Bei Bonobos hingegen bleibt der T3-Wert bis weit ins Erwachsenenalter hinein auf dem hohen Jugendniveau.

"Unsere Studie ergab, dass männliche Bonobos, die für ihr gering ausgeprägtes aggressives Verhalten bekannt sind, höhere Schilddrüsenhormonwerte hatten als Weibchen", sagt Verena Behringer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Hohe Schilddrüsenhormonwerte reduzieren möglicherweise die Aggression bei männlichen Affen." Möglicherweise bevorzugen die Bonobo-Weibchen Männchen mit hohem Schilddrüsenhormonpegel als Paarungspartner.

Frühreife oder Spätzünder

Schilddrüsenhormone spielen eine wichtige Rolle bei der Gehirnentwicklung, dem Körperwachstum und der Fortpflanzung. Eine unterschiedliche hormonelle Entwicklung würde also auch zu psychologischen Studien passen, denenzufolge die kognitive Entwicklung bei Bonobos im Vergleich zu Schimpansen verzögert ist. Von Schimpansen ist bekannt, dass im Alter von zehn Jahren sowohl das Wachstum des Gehirnvolumens als auch das Knochenwachstum abgeschlossen sind. Der spätere Abfall der Schilddrüsenhormone im Urin der Bonobos könnte also darauf hindeuten, dass sich ihre geistigen Fähigkeiten später entwickeln.

Unklar ist jetzt noch, welche der Spezies in ihrer hormonellen Entwicklung näher am letzten gemeinsamen Vorfahren liegt. Behringer: "Da der Schilddrüsenhormonabfall des Menschen zwischen dem von Bonobos und Schimpansen liegt, ist noch offen, welche der beiden Arten den ursprünglicheren Schilddrüsenrhythmus präsentiert. Mit anderen Worten, ob der Schimpanse frühreif oder der Bonobo ein Spätzünder ist." (red, derStandard.at, 26. 12. 2013)