Über die Schwierigkeit, den anderen für voll zu nehmen: James Gandolfini und Julia Louis-Dreyfus in der Romantic Comedy "Genug gesagt".

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Wien - Auf einer Party, auf der man niemanden für attraktiv hält, findet man im besten Fall jemanden Unattraktiven, der sich nach eingehender Betrachtung als attraktiv herausstellt. Ungefähr so ließe sich die romantische Erzählung von Genug Gesagt / Enough Said, dem kleinen, stimmigen und vor allem einnehmend gespielten Film der US-Amerikanerin Nicole Holofcener (Walking and Talking, Please Give) zusammenfassen, gäbe es dann nicht doch noch einen entscheidenden äußeren Faktor: eine dritte Person, welche die Unvoreingenommenheit im Blick der zentralen Protagonistin so stark beeinträchtigt, dass sie ihrem Urteilsvermögen immer mehr misstraut.

Holofcener, die ihr Handwerk unter anderem als Assistentin von Woody Allen gelernt hat, nimmt sich hier dezidiert der Perspektive einer gut situierten, altersmäßig schon fortgeschrittenen Mittelklasse von Los Angeles an. Die durch die Serie Seinfeld bekannt gewordene Julia Louis-Dreyfus verkörpert die mobile Masseurin Eve, die sich mit dem TV-Bibliothekar Albert (James Gandolfini) zu verabreden beginnt. Es handelt sich übrigens nicht um den letzten größeren Kinopart des diesen Frühsommer viel zu früh gestorbenen Charaktermimen, auch Animal Rescue, eine Dennis-Lehane-Adaption wurde noch fertiggestellt.

Die beiden Figuren verbindet, dass sie ihre Töchter demnächst ins College verabschieden. Der Einsamkeit, die dann folgen könnte, gilt es vorzubeugen. Eve findet Albert allerdings, einmal abgesehen von seinen "paddelgroßen Händen", nicht schön, doch schon beim ersten Date erweist er sich als aufmerksamer und humorvoller Mann. Mit pointierten Dialogen und einem großzügigen Angebot an charakterlichen Facetten - kleinere Macken der Figuren inklusive - bereitet der Film die anwachsende Intimität zwischen den beiden auf; eine Nähe, der sie selbst am allermeisten misstrauen. Kontraproduktiv dagegen: die aufgepfropfte süßliche Musik.

Die schon erwähnte Blickverschiebung verursacht eine Kundin von Eve, die von einer der Stammschauspielerinnen Holofceners, Catherine Keener, mit divenhaftem Schwung gespielt wird. Die Lyrikerin wird zum Rollenvorbild Eves, nicht nur was die Inneneinrichtung ihres Hauses betrifft. Bald dämmert dem Zuschauer, dass der Ex-Mann, der in diesen erlesenen Dekors keinen Platz mehr hatte, Albert ist. Für Eve kein Grund, die Beziehung zu ihr abzubrechen.

Die daraus resultierende Übertragung einer kritischen Perspektive auf Albert führt Genug gesagt vielleicht ein wenig zu ausführlich aus. Dennoch hält Holofcener die gar nicht so unstrapaziöse Balance aus geistreichen Spitzen und einem aus Einfühlungsvermögen gewachsenen Wissen um die Unmöglichkeit von Menschen, sich einen eigenen Blick zu bewahren. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 20.12.2013)