Laut Anklage wurden im Rahmen der "sehr umfangreichen und zeitaufwändigen Ermittlungen zahllose Geschäftsvorgänge untersucht, Geschäftsmodelle durchleuchtet (...) und analysiert".

Foto: Regine Hendrich

Wien - Wer sich mit der Causa Yline beschäftigt, muss (nach heutigen Zeitmaßstäben) schon beinah Wirtschaftshistoriker sein. Vor etwas mehr als zwölf Jahren, am 25. September 2001, ist die New-Economy-Gesellschaft pleitegegangen - das Ermittlungsverfahren hat fast gleich lang gedauert. Jetzt aber ist es so weit: Die Anklage gegen den Ex-Yline-Chef Werner Böhm und neun weitere Involvierte, darunter Aufsichtsratsmitglieder, ist rechtskräftig. Die Liste der Vorwürfe ist imposant, es geht um Untreue, betrügerische Krida, schweren Betrug, Bilanzfälschung, Insiderhandel. Richterin Marion Zöllner wird sich der Causa im kommenden Jahr widmen; es gilt die Unschuldsvermutung.

Im Kern geht es in der Causa mit blauem Hintergrund (die FPÖ hatte Yline einst einen Auftrag über 1,7 Mio. Euro für ihren Werbeauftritt gegeben, FP-naher Aufsichtsratschef) um einen Deal, den Böhm 2000 mit IBM abgeschlossen hat. Laut Anklage, die dem Standard vorliegt, war dieses Geschäft "außergewöhnlich gewagt" und von "enormem wirtschaftlichen Risiko" geprägt: Yline kaufte 30.000 PCs von IBM, um 25,2 Mio. Euro. Ausgemacht waren "übermäßig hohe Ratenzahlungen" von insgesamt 11,7 Mio. Euro, die bei IBM landeten. 3,6 Mio. Euro seien zudem auf ein Treuhandkonto geflossen. Letztlich konnte Yline die offene Rate im Jänner 2001 nicht mehr bezahlen. In den Augen des Staatsanwalts war Yline schon im Jänner 2001 insolvent. Böhm habe damit Krida begangen, er habe das wirtschaftliche Risiko des Deals gekannt. Die Computer hat Yline über News vertrieben, "um Internetkunden (User) zu akquirieren".

Bei Vorstandskollegen und Aufsichtsrat sei Böhm mit dieser Idee "zunächst auf wenig Begeisterung gestoßen, weil (...) Zweifel an der Umsetzbarkeit bestanden", heißt es in der Anklage. Er habe den Vertrag daher "in einem Alleingang" abgeschlossen. Der Aufsichtsrat habe den Deal dann zwar genehmigt, die Mitglieder seien dabei aber "vor vollendete Tatsachen" gestellt worden.

Sargnagel PC-Deal

"Das IBM-PC-Geschäft konnte nicht mit Gewinn betrieben werden. Vielmehr kam es dadurch - nicht nur aufgrund der monatlichen IBM-Raten - zu einem enormen Liquiditätsabfluss für Yline." Laut Böhms Aussagen habe schon die Zustellung der Computer Probleme gemacht und zusätzliche Kosten verursacht. Auch die auf diesem Wege angeheuerten Kunden brachten nicht das erhoffte Geschäft: "Die gewonnenen Kunden ,surften' entgegen den Erwartungen größtenteils nur die vereinbarte Mindestzeit, womit kaum zusätzliche Onlinegebühren verrechnet werden konnten", schreibt der Staatsanwalt.

Böhm, der Yline bis an die Brüsseler Börse gebracht hatte, weist die Vorwürfe zurück; zum Kurier sagte er vor kurzem, der IBM-Deal sei "der Nukleus" von Yline gewesen, "ohne ihn hätte es die Yline nicht gegeben". Der Streit zwischen Yline und IBM habe "zum Untergang" geführt. Abseits dessen wirft der Staatsanwalt Böhm und Aufsichtsratsmitgliedern vor, einen "zu hohen Aufwand" betrieben zu haben. Sie hätten einen "zu großen Mitarbeiterstab" gehalten, für den die Yline allein 2000 rund 5,7 Mio. Euro lockergemacht habe.

Jene 55,5 Mio. Euro, die sich die Gesellschaft von 1999 bis Mai 2001 durch zwei Börsengänge und Kapitalerhöhungen holte, waren schnell dahin. Laut Anklage verbrauchte die Gesellschaft "die flüssigen Mittel in teils atemberaubender Geschwindigkeit". Im September 2001 war Schluss, in den Augen der Justiz war das "kridaträchtige" IBM-Geschäft für die Pleite "(mit)ursächlich". (Renate Graber, DER STANDARD, 18.12.2013)