La Thi Tám fand und entschärfte unzählige Bomben.

Foto: Vietnamese Women's Museum / Hausbichler

Im Abschnitt "Frauen in der Geschichte" wird die Zeit der Kämpfe gegen den Kolonialismus beleuchtet.

Foto: Vietnamese Women's Museum / Hausbichler

Die Straßenverkäuferinnen von Hanoi.

Foto: Vietnamese Women's Museum / Hausbichler

Eine riesige goldene Statue einer Frau, die ein winkendes Kind auf der Schulter trägt, begrüßt die Besucher des Frauenmuseums in Hanoi. Wie so viele Statuen, Plakate und Denkmäler in Vietnam ist auch sie im Stil des sozialistischen Realismus gehalten und nimmt dementsprechend Raum ein. An Platz wird generell nicht gespart. Über drei Stockwerke verläuft das in der Hauptstadt beheimatete Museum.

"Frauen in der Familie" werden auf der ersten Ebene beleuchtet, und man bleibt dabei sehr an den traditionellen Rollen für Frauen orientiert: Dass Frauen innerhalb ihrer Familien für die Zubereitung des Essens zuständig sind, für die Erziehung und jegliche Arbeiten innerhalb des Hauses – diese Arbeitsteilung früher wie heute überrascht vermutlich die Besucher aus den meisten Teilen der Welt wenig. Inwieweit sich die Rollenverteilung hier möglicherweise gewandelt hat, bleibt außen vor.

Harter Schnitt

Doch der Szenenwechsel von Bildern samt Erläuterungen über Stillende, Gebärende, Kochende, Verlobungs- und Hochzeitszeremonien hin zur mittleren Ebene des Museums könnte sich kaum radikaler gestalten: Hier ist von klassischen Frauenrollen keine Spur. Im Abschnitt "Frauen in der Geschichte" wird vor allem die Zeit der Kämpfe gegen den Kolonialismus sowie während des Französischen Krieges (1946-1954) und des Amerikanischen Krieges (1964-1975) beleuchtet. Im Kampf für die Unabhängigkeit Vietnams und gegen den Kolonialismus bildeten sich zahlreiche Gruppierungen, in denen sich Frauen organisierten: Die Women's Association for Liberation, die Women's Anti-Imperialistic Association, die Women's Association for National Safety oder die Vietnam Women's Union sind nur einige Beispiele. Frauen waren auch ein wesentlicher Teil der Guerilla des Viet Minh, die gegen die französische Okkupation kämpfte.

In diesem Abschnitt des Museums wird das Vietnam des 20. Jahrhunderts und insbesondere die Zeit der Teilung Vietnams 1954, der Bürgerkrieg in Südvietnam und die Wiedervereinigung 1975 beleuchtet und mit Geschichten einzelner Frauen verknüpft. Etwa die von La Thi Tám, die, noch keine 20, Bomben während des sogenannten Vietnamkriegs auf den Straßen von Dong Loc lokalisierte. Allein in 200 Tagen in Nui Moi Hills fand sie über 1.200 Bomben, die sie auch half zu entschärfen. Nur eine von vielen Heldinnen-Geschichten, die hier angeführt werden.

Frauen im Hier und Jetzt

Wiederum ein harter Szenenwechsel bietet der dritte und letzte Abschnitt der Ausstellung, in dem man sich der Mode zuwendet. Zahlreiche Trachten und Gewänder aus verschiedensten Zeiten samt Schmuck sind ausgestellt.

Nur ein kleiner Nebenraum beleuchtet schließlich Frauen in ihrem Alltag im Hier und Jetzt, ein im Frauenmuseum insgesamt benachteiligtes Thema. Wie gestalten sich die Geschlechterverhältnisse im 21. Jahrhundert? Wer profitiert von dem enormen wirtschaftlichen Aufschwung in Vietnam? Wie leben Frauen heute in Vietnam? Einiges beantwortet das Video von Rolf Jensen "Street Vendors: Their Voices", in dem er die in den Städten sehr präsenten Straßenverkäuferinnen interviewt.

Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse

Die Einblicke, die diese Frauen in ihre Leben gewähren, geben nicht nur ein paar rare Antworten auf Fragen nach den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie sprechen indirekt auch Kritik an den herrschenden Strukturen aus. Denn obwohl ein Museum über Frauen doch nahelegt, auch Analysen über Zusammenhänge zwischen der Situation von Frauen, dem politischen System und ökonomische Entwicklungen anzustellen, schweigen die Begleittexte dazu. Es sind dann vor allem die Schilderungen der Straßenverkäuferinnen, die über diese Relationen Auskunft geben: Die Landbevölkerung profitiert von den steigenden Wachstumsraten kaum. Die Straßenverkäuferinnen kommen in die Stadt, um ihre Familien zu ernähren, weil sie mit ihren agrarischen Produkten nicht mit den globalen Märkten konkurrieren können. Gegen drei Uhr früh machen sich die Straßenverkäuferinnen zum Markt auf, nach einer Nacht in einem gemieteten Bett in einem Schlafraum, in dem zehn andere Frauen übernachten. Vom Markt aus starten sie ihre Verkaufstouren durch die hektische Stadt Hanoi, die auch bis spätabends dauern können. Was sie dabei verdienen, reicht trotzdem kaum zum Leben oder für den Schulbesuch der Kinder.

Mehr Einblicke dieser Art in das Leben von Frauen in der Volksrepublik würden dem Frauenmuseum guttun. Doch das sozialistische Einparteiensystem macht auch vor den Museumstüren nicht halt, man stellt vor allem den Fleiß von Frauen in die Auslage, der aber freilich zu keinem besseren Leben verhilft.

Trotzdem ist ein Besuch im Frauenmuseum ein Pflichttermin für Hanoi-Besucher, erfährt man insgesamt doch sehr viel über die bewegte Geschichte des Landes. Außerdem ist ein dreistöckiges, einzig der Geschichte der Frauen gewidmetes Museum in unseren wie in dortigen Breitengraden alles andere als selbstverständlich, und man sollte es allein schon deshalb gesehen haben. Auch wenn es nicht die ganze Geschichte ist. (Beate Hausbichler aus Hanoi, dieStandard.at, 30.12.2013)