Stadtrat Christian Oxonitsch: "Es besteht in der Öffentlichkeit das Bild, dass Wien eine überaltete Stadt ist. Tatsache ist, dass Wien immer jünger wird."

Foto: Christian Fischer/DER STANDARD
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STANDARD: Die neue Regierung hat sich für ein zweites kostenloses verpflichtendes Kindergartenjahr ausgesprochen. Kann sich Wien das überhaupt leisten?

Oxonitsch: Wir fördern den Kindergarten für Null- bis Sechsjährige, für Wien hat das keine Auswirkungen. Ich bin froh, dass die Elementarpädagogik in den Regierungsverhandlungen eine wichtige Rolle gespielt hat. Das bekommt auch im Bewusstsein der Bevölkerung eine Stärkung.

STANDARD: Die Nachfrage nach Betreuung für Kinder wird immer größer. Nur jedes dritte Kind unter drei Jahren erhält in Wien auch einen Platz. Was gedenken Sie zu tun?

Oxonitsch: Wir schaffen pro Jahr zwischen 1500 und 4000 neue Plätze für Null- bis Dreijährige. 350 Millionen Euro von der Regierung für diesen Bereich sind eine wichtige Unterstützung für die Bundesländer, das Ausbauprogramm fortsetzen zu können. Wir haben mit etwa 39 Prozent bei den Kleinkindern den höchsten Versorgungsgrad aller Bundesländer. Dennoch: Wir brauchen mehr. Es ist eine klare Rechnung: Wir wollen einen Versorgungsgrad von 50 Prozent erreichen, haben aber 100 Prozent Kinder.

STANDARD: Arbeitssuchende, die sich um einen Krippenplatz für ihr Kind bewerben, werden bei der ersten Anmeldephase abgewiesen. Ist die Platznot so groß?

Oxonitsch: Eltern, die berufstätig sind und eine Betreuungsnotwendigkeit haben, sollten zuerst einen Platz für ihr Kind bekommen. Für Arbeitssuchende ist das keine befriedigende Maßnahme. Aber sie sind von Krippenplätzen nicht ausgeschlossen. Sie sind nur in der ersten Phase nicht dabei.

STANDARD: Bis wann soll das Ziel von 50 Prozent erreicht werden?

Oxonitsch: Wenn man davon ausgeht, dass man rund 2000 Plätze pro Jahr ausbauen kann, sollte es  in fünf Jahren möglich sein.

STANDARD: Auch vor dem Hintergrund, dass Wien in den nächsten Jahren rasant wachsen wird?

Oxonitsch: Ja. Wir haben uns in den letzten vier Jahren von 25 Prozent auf rund 39 Prozent gesteigert. Aber das war auch notwendig, muss man dazu sagen.

STANDARD: Die Bevölkerung in Wien soll um 25.000 Menschen pro Jahr zunehmen. Bildungsexperten sagen, dass der Mangel an Pädagogen in Kindergärten und Schulen mit dem Bevölkerungswachstum dramatisch werden wird.

Oxonitsch: Es ist eine Herausforderung, das stimmt. Es besteht in der Öffentlichkeit das Bild, dass Wien eine überaltete Stadt ist. Tatsache ist, dass Wien immer jünger wird. Das stellt den gesamten Bereich der sozialen Infrastruktur vor Herausforderungen, wie auch den Wohnbau oder den Verkehr. Es wäre eine große Unterstützung, wenn man im Bereich der Schulbauten die strengen Maastricht-Kriterien  nicht anwenden müsste. Es ist nicht einsehbar, dass Investitionen in Bildung und Gesundheit im laufenden Budget schlagend werden. Dabei habe ich eine Schule über 40 Jahre in Betrieb und sollte sie über diesen Zeitraum auch abschreiben können.

STANDARD: Im Ganztagesmodell Campus Gertrude Fröhlich-Sandner betreuten zu Schulbeginn statt 21 Freizeitpädagogen nur 14 etwa 400 Schulkinder. Haben Sie jetzt schon zu wenige Pädagogen?

Oxonitsch: Es gibt zu wenige Pädagogen, das stimmt. Das betrifft alle Bundesländer. Aber jetzt gibt es das Berufsbild und seit 2012 die Ausbildungslehrgänge, die wir jahrelang gefordert haben. Die Lehrgänge werden gestürmt. Aber wie in so vielen Sozialbereichen suchen wir qualifiziertes Personal. Jeder Pädagoge, den wir derzeit auftreiben und finden können, ist eine Unterstützung.

STANDARD: Wie viele Schulen sind in den nächsten Jahren geplant?

Oxonitsch: Wir haben ein Gesamtvolumen von 700 bis 800 Millionen Euro für elf Schulneubauprojekte bis 2023. Dazu sollen bestehende Schulen ausgebaut werden. 10 Projekte sind bis 2015 beschlossen, bis 2025 wird es an 100 Standorten zu Aus- oder Neubauten kommen müssen.

STANDARD: Wann wird das Stadthallenbad wieder für die Öffentlichkeit aufgesperrt?

Oxonitsch: Dann, wenn wir sichergehen können, dass es ordnungsgemäß in Betrieb gehen kann. Die Testbefüllung läuft. Dass jetzt Wasser rein kann, an dem haben wir lange genug gearbeitet. Dass es noch in diesem Winter aufsperrt, halte ich für ausgeschlossen.

STANDARD: Im Sommer wurde eine mögliche Eröffnung im Sommer/ Herbst 2014 verkündet. Ist eine erneute Verzögerung denkbar?

Oxonitsch: Ja, wenn das Becken nicht dicht ist.

STANDARD: Experten sagen, die Sanierung sei eine Fehlentscheidung gewesen. Man hätte einen Neubau machen müssen.

Oxonitsch: Solche Experten erzählen auch, man hätte das Happel-Stadion abreißen und ein neues  hinstellen sollen. Das Happel-Stadion steht unter Denkmalschutz – wie das Stadthallenbad. Gerne übersehen das sogenannte Experten. Das Stadthallenbad wird die nächsten 100 Jahre dort stehen, genauso wie das Schloss Schönbrunn. Wenn’s schon dort steht, bin ich schon dafür, es zu nützen, wofür es vorgesehen ist.

STANDARD: Seit zwei Jahren wird über ein Schwimmsportzentrum in Wien debattiert. Geblieben ist es vorerst bei Worten. Wann wird es Wirklichkeit?

Oxonitsch: Wenn der Bund bereit ist, 50 Prozent der Kosten einer neuen Schwimmhalle im Stadionbad, also zwischen 14 und 16 Millionen Euro, beizusteuern, wird das Zentrum kommen. Wir stehen zu unserer Zusage.

STANDARD: Und wenn der Bund nicht dafür aufkommen will?

Oxonitsch: Dann wird es das Zentrum auch nicht geben.

STANDARD: Im Herbst wurde das Leichtathletik-Zentrum eröffnet. Internationale Meetings können auf der Anlage nicht stattfinden. "Man kann nicht alles haben“, haben Sie gesagt. Bleibt es dabei?

Oxonitsch: Es bleibt dabei. Für alle  Meetings steht den Leichtathletik-Verbänden aber das Happel-Stadion zur Verfügung. Das ist für alle Disziplinen wettbewerbstauglich.

STANDARD: Die Laufbahn im Stadion ist aber kaputt. Warum wird sie nicht renoviert?

Oxonitsch: Sollte der Verband dort einen Wettbewerb machen wollen, dauert es genau sechs Wochen, und der Schaden bei den Ein- und Ausfahrten, die bei Konzerten entstehen, ist behoben. Die Kosten übernehmen wir, diese Zusage gibt’s von mir seit fünf Jahren.

STANDARD: Hat die Volksbefragung und das Nein zu Olympischen Spielen in Wien sportliche Impulse im Keim erstickt?

Oxonitsch: Es hätten Bundesmittel für Sportprojekte lukriert werden können. Dem ist jetzt leider nicht so. Aber das Votum ist zur Kenntnis zu nehmen. Es wäre natürlich eine Chance gewesen, Sportinfrastruktur auszubauen. (David Krutzler, DER STANDARD, 16.12.2013)