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Die mehr als 3000 Jahre alte Naveta des Tudons, eine prähistorische Grabanlage bei Ciutadella, gehört zu den wenigen gut erforschten Megalithen auf Menorca.

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Der Torre d'en Galmés ist eine steinzeitliche Siedlung im Süden Menorcas.

Flüge von Wien nach Mahón mit einem Zwischenstopp, zum Beispiel mit Iberia oder Air Berlin. Menorca ist seit 1993 Biosphärenreservat – schon aus diesem Grund sollte man vor Ort Öffis anstelle eines Mietwagens in Betracht ziehen; Fahrplan-Info: www.tmsa.es

Auf Menorca gibt es kaum Massentourismus. Die Insel ist ganzjährig grün, hat unspektakuläre Dörfer mit vielen Käsegeschäften, ein paar Bilderbuch-Städtchen, Buchten und Strände mit Feriensiedlungen sowie wenige Landstraßen. Die höchste Erhebung ist der Monte Toro mit 358 Metern. Aktivitäten: Wandern, Radfahren, Reiten, Segeln, Tauchen – und besonders gut: Nichtstun.

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Landhotel Alcaufar Vell bei Sant Lluís. DZ mit Frühstück ab 90 Euro

Fincahotel Sant Joan de Binissaida bei Es Castell. DZ mit Frühstück ab 120 Euro. Mindestaufenthalt drei Nächte

Hotel Carlos III in Es Castell (direkt am Meer). DZ mit Frühstück ab 60 Euro

Weitere Unterkünfte zum Beispiel unter: www.menorcalive.de

Hilfreiche Infos zur Gastronomie, zu Museen, Veranstaltungen und (öffentliche) Verkehrsmittel bekommt man über das Spanische Fremdenverkehrsamt unter www.spain.info oder per E-Mail: viena@tourspain.es

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Die prähistorischen Fundstätten sind über die ganze Insel verteilt, liegen vor allem aber im Westen, Süden und Osten. Der Norden ist weniger fruchtbar und windiger. Empfehlenswert sind Naveta des Tudons (bei Ciutadella), Talatí de Dalt (bei Mahón) - im Bild, Torre d'en Galmés (bei Alaior), Talayot de Trebalúger (bei Es Castell) und Torralba d'en Salort (bei Alaior). Bei manchen wird Eintritt verlangt. Passende Broschüren unter: www.menorcamonumental.net.

Geführte Wanderungen zu den Fundstätten, allerdings nur auf Spanisch, Englisch und Italienisch: Menorca Arqueologica

Menorca klingt nach Ewigkeit, besonders wenn man im Türstock eines uralten Steinhauses steht. Draußen wiegen sich die Gräser im lauen Winterwind, und in den wilden Olivenbäumen zwitschern die Drosseln. Tritt man über die steinerne Schwelle, fällt der Blick auf den Boden. In einer Ecke sieht man Rußspuren eines lange nicht mehr rauchenden Feuers. Es ist wohl vor 3000 Jahren erkaltet.

Wir stehen im Tempel von Torre d'en Galmés, einer steinzeitlichen Siedlung im Süden Menorcas. Sie ist eine der besterhaltenen und größten der Insel. Bis zu 40 Großfamilien haben hier über mehrere Jahrhunderte gelebt. Sie waren vermutlich einer der einflussreichsten Clans ihrer Zeit. Metallene Püppchen, Ziegenknochen und leere Weinamphoren erzählen von Ritualen und Feiern. In der Mitte der Tempelruine, die heute kein Dach mehr hat, steht eine jener Taules, die Menorca einzigartig machen. Ein riesiger T-förmiger Megalithenbau aus einem vertikalen und einem quer darauf gelegten Stein. Tonnenschwer, meterhoch. Aber warum steht das T da? War es die Dachstütze oder war es ein spirituelles Symbol? Niemand weiß es.

Erforschen und erwandern

Dieses und andere Geheimnisse will Menorca jetzt lüften. 2016 bewirbt sich die Insel bei der Unesco um einen Welterbe-Status. 25 Steinzeitmonumente will sie unter Unesco-Schutz stellen lassen, dadurch internationale Ausgrabungen ermöglichen und Kulturtouristen anziehen. Das Erwandern erforschter und ausgewiesener prähistorischer Stätten zu Fuß oder mit dem Rad wäre zumindest etwas, das Urlauber auch in den milden Wintern auf die Balearen-Insel locken könnte.

Menorca hat viele alte Steine. Die Ureinwohner waren passionierte Steineaufschichter. Auf 700 Quadratkilometern Fläche sind mehr als 1400 archäologische Kulturdenkmäler registriert. Sie repräsentieren das sogenannte Talayotikum, eine Kulturepoche, die auf Menorca von etwa 2200 bis zur Ankunft der Römer 123 vor unserer Zeitrechnung währt. Statistisch gesehen hat die Insel zwei prähistorische Reste pro Quadratkilometer: Dörfer mit Häusern und Ställen, Vorratskellern, Tempeln und Türmen, Säulen, Opfertischen und Grabbauten sind erhalten. Sie wurden aus großen, groben Steinen gebaut, ohne Verfugungsmittel aufeinandergelegt - es ist brachiale, monumentale Steinarchitektur.

Die Zeugen der Frühgeschichte sind für Menorca Reichtum und Last zugleich. "Je älter eine Fundstätte, desto schwieriger ist sie zu entziffern", sagt Joana Gual. Die Archäologin arbeitet bei der Inselregierung. Dort ist sie mit einer Kollegin zuständig für die Koordination von Ausgrabungen und die Pflege aller archäologischer Fundstätten. Gestresst wirkt sie nicht. Die meisten Orte wurden noch nie untersucht. Sie stehen einfach da. Sedimente füllen ihr Inneres nach und nach auf und verbergen, was sie vom Leben vor tausenden Jahren erzählen könnten.

Erst seit den 1970er-Jahren wird auf der Insel überhaupt systematisch geforscht und gegraben. Auf Guals Schreibtisch liegen Anträge aus Barcelona oder Boston, von Archäologenteams, die im Sommer mit Studenten kommen wollen. Auch der Freundeskreis des Museums von Menorca koordiniert: Rund 100 Hobbyarchäologen vergeben seit 1995 Stipendien und finanzieren Ausgrabungen. Menorca selbst hat kein wissenschaftliches Forscherteam.

Für Wissenschafter lange tabu

"Eins", sagt Joana Gual, wenn man sie fragt, auf welcher Stufe die Erforschung der Insel stehe. "Die Materialmenge ist enorm, wir wissen gar nicht, was noch auf uns zukommt." Während des Bürgerkriegs und unter der Franco-Diktatur (1936-1975) hat in Spanien niemand gegraben. Denn alles, was mit Menschheitsgeschichte zu tun hatte, war der biblischen Genese untergeordnet und deshalb für Wissenschafter tabu. Zuvor gab es einzelne Ausgrabungen. Im 18. Jahrhundert haben Forschungsreisende erstmals Menorcas Taules - die T-förmigen Säulen -, Navetas - langgestreckte Pyramiden - und Talaiots oder Torres - Türme - als "einzigartig" beschrieben: Aus deren Berichten stammt nun auch das Motto für die Unesco-Bewerbung: "Única al món" - einzigartig auf der Welt.

Nicht jeder Besuch der 25 Stätten ist heute ein einzigartiges Erlebnis. Folgt man den Markierungen auf einer von der Denkmalbehörde fotokopierten Landkarte, findet man sich zwischen Feldern und Bauernhöfen wieder, hinter Start- und Landepisten oder am Rand von Gewerbeparks.

Der dicke Turm von Torelló ist ein trauriges Beispiel für den Umgang mit dem Erbe. Sein Umfang misst 22 Meter, seine Steinplatten sind so groß wie Plasmafernseher. Alles an ihm ist imposant. Doch leider haben ihm die Menorquiner einen Propeller und eine rote Lampe aufs Dach montiert. So steht er nun da, neben dem Flughafengelände. Alle kennen Torelló, den Turm mit der Lampe. Man findet ihn im Namen von Restaurants oder Straßen. Für die Menorquiner ist er Teil des Alltags. Sie lieben ihn, aber sie verstehen ihn nicht.

Ein anderer Rundbau, der von Cornia Nou, wurde so zugebaut, dass man den Weg zu ihm kaum findet, zwischen Brachland, Industriehallen und Parkplätzen. Steht man vor dem zehn Meter hohen Steinkonstrukt am Rand eines Gewerbegebietes, macht sich aber wieder Menorcas ewige Stille bemerkbar. In der Ferne bellt ein Kettenhund, ein Auto lässt den Motor an, und die Steine schweigen beharrlich. Seine Geschichte behält der Talaiot für sich. Schnell dreht man um, sucht das Weite. Eine Welterbe-Kommission möchte man nicht hierher schicken.

Mit 44 geschützten Stätten oder Gütern ist Spanien eines der bestvertretenen Länder im Unesco-Register. Das wird immer länger. Schon ist von inflationärer Vergabe des Labels und von einer Musealisierung der Welt die Rede. "Wir wollen Menorca nicht die Käseglocke überstülpen" , sagt Maruja Baíllo, Inselrätin für Kultur und Denkmalpflege, "im Gegenteil, es geht um die Dynamisierung unseres Erbes." Als Vorbild dient der Politikerin die katalanische Stadt Tarragona. Seit dem Jahr 2000 stehen deren Reste aus der Römerzeit unter Unesco-Schutz. "Die Besucherzahl hat sich seitdem verdreifacht", sagt sie. Menorca habe die Auszeichnung verdient, meint sie, denn kaum sonst wo stünden auf so geringem Raum so gut erhaltene und beeindruckende Monumente in der Landschaft.

Die Siedlung Torre d'en Galmés gehört zu den schönsten. Sie liegt auf einem Hügel, zu ihren Füßen breitet sich Menorcas Südseite zum Meer hin aus. Gual erzählt gerne die Geschichten des Dorfes, denn sie handeln vom Leben im Paradies. Die ältesten Funde datieren von 1400 vor unserer Zeitrechnung. "Im ersten Jahrtausend vor Christus war Menorca dicht besiedelt", sagt sie. Sie zeigt auf die Markierungen, die ihre Landkarte übersähen.

Große Weide ohne Ackerbau

Menorca ist praktisch eine einzige große Weide. Die Insel ist flacher als Mallorca und regenreicher als Ibiza. Hier lebten Menschen in streng strukturierten Gruppen, die die Insel untereinander aufgeteilt hatten. Sie betrieben keinen Ackerbau, waren Jäger und Sammler, hielten aber große Ziegenherden. Und sie trieben Handel mit anderen Mittelmeervölkern, tranken importierten Wein und hatten kleine Votivfiguren, Menschen und Stiere, die sie vermutlich gegen Felle oder Käse tauschten. Die Ur-Menorquiner kannten kein Gold, kein Silber, kein Geld. Sie hatten kaum materiellen Besitz. Und sie schlossen untereinander Nichtangriffspakte. "Wir haben weder Waffen noch eingeschlagene Schädel gefunden", sagt Gual. Knochenfunde in Navetas, den großen, schiffsrumpfförmigen Grabbauten, bezeugen fast immer einen natürlichen Tod.

Warum die Kraftakte mit Steinen? Warum war alles so groß? Weil sie einen starken Glauben an die Natur hatten, sagen die einen, und ihr entsprechend huldigen wollten. Weil sie einen großen Gemeinschaftssinn hatten, sagen die anderen. Oder - weil sie einfach viel Zeit hatten: keine Kriege, keine Vertreibungen, keine Feldarbeit.

Der Hobbyarchäologe Mateu Martínez vom Freundeskreis des Museums von Menorca, zieht aus den aufgehäuften Steinen andere Schlüsse: "Diese Menschen haben sich ihrer Umwelt angepasst und sie uns intakt hinterlassen", sagt er. "Dieselbe Verantwortung haben auch wir." (Brigitte Kramer, DER STANDARD, Album, 14.12.2013)