Die Filmkomödie "Fack Ju Göhte" mit Elyas M'Barek und Karoline Herfurth hat Publikumsmassen mobilisiert.

Foto: Constantin Film

Wien - Lehrer ist einer der Berufe, in denen keine Frauenquote nötig ist. Eher im Gegenteil, wie die im deutschsprachigen Raum derzeit äußerst erfolgreiche Komödie Fack Ju Göhte von Bora Dagtekin suggeriert. Es braucht einen Mann, der einmal so richtig aufräumt in den anarchischen Klassenzimmern. Am besten einen Bankräuber, Ex-Knacki und Zuhälter wie Herrn Zeki Müller, der nur deswegen Aushilfslehrer an der Goethe-Gesamtschule wird, weil er an sein darunter vergrabenes Geld heranwill.

Herr Müller (Elyas M'Barek, bekannt aus der Sitcom Türkisch für Anfänger ) ist eine natürliche Autorität, weil er ein Arsch ist. Das Projekt von Fack Ju Göhte ist, daraus einen "Arsch mit Herz" zu machen. Das gelingt auch, und zwar so erfolgreich, dass sich inzwischen bald 4,3 Millionen Besucher das ansehen wollten. Das ist ein Einspielergebnis, bei dem auch die Feuilletons noch einmal nachzudenken beginnen.

So schickte Die Zeit ihren Autor Moritz von Uslar ins Kino: Es ist "die Wucht, die Härte, der Bums, die absolute Zeitgemäßheit und Gegenwärtigkeit der Sprache", die für das einschlägige Publikum, die "Überzwölfjährigen", so attraktiv sind, während die Bildungsbürger amüsiert darüber staunen können, was es wohl bedeuten mag, wenn junge Leute einander als "Opfer" ansprechen. Die Zeitgemäßheit des Jargons ist tatsächlich ein ungewöhnliches Phänomen in der deutschen Komödienlandschaft, die sprachlich bisher kaum als kreativ aufgefallen ist.

Aggressives Kunstdeutsch

Darin liegt ein wichtiger Unterschied zur amerikanischen Komödie, die in ihrer neueren Ausprägung immer auch kreativ mit dem Idiom umgeht. Eine Sitcom wie Seinfeld hat das moderne Beziehungsleben mit Begriffen wie "pop-in" ("unangemeldeter Besuch") oder "conjugal visit sex" (Sex unter erschwerten Bedingungen) bereichert, und eine adoleszente Heldin wie Juno in der von Diablo Cody geschriebenen Komödie macht ihr sprachschöpferisches Talent geradezu zu einer Überlebensfrage. In Deutschland aber sprachen Teenager meist ein zahmes Pennälerdeutsch; in Fack Ju Göhte sprechen sie, als wären sie selbst fleischgewordene, von Emoticons durchschossene Textnachrichten.

Es ist ein aggressives Kunstdeutsch, bei dem entscheidend ist, dass der Lehrer es noch stärker spricht als die Schüler: "Ihr seid Abschaum", sagt Zeki Müller einmal, und man hört förmlich das erleichterte Aufseufzen einer Öffentlichkeit mit, die meint, dass überall Rütlischule ist - so heißt die kurzzeitig in Misskredit geratene Neuköllner Bildungsanstalt, die eine Weile für das vermeintliche Versagen eines ganzen Systems herhalten musste.

Bei aller "brutalen Direktheit des Ausdrucks" (von Uslar) kommt gerade darin die eigentliche Message des Films zum Ausdruck: Es ist eine lupenreine Autoritätsfantasie, die sich hier zu erkennen gibt, ein Traum von einem durchtrainierten Asozialen, der den nervösen Frauen, die den weitaus größeren (und durchweg unvorteilhaft gezeichneten) Teil des Lehrkörpers ausmachen, zeigt, wie man mit "Abschaum" umgeht. Dass sich das alles schließlich in Wohlgefallen auflöst, erarbeitet sich Fack Ju Göhte nicht als Komödie, sondern als "kitschiger Wunschtraum".

Die harten ersten zwei Drittel aber machen das Attraktionsmoment des Films aus: Hier tut Zeki Müller alles, was gute Pädagogen mit natürlicher Autorität nicht machen - sich ranschmeißen und das Niveau so lange senken, bis auch die Faulsten sich nicht mehr anstrengen müssen. Dass man auf diese Weise die Besuchermassen mobilisieren kann, zeugt weder von schlechten Schulen noch von gutem Kino, sondern davon, dass es zwischen Anarchie und Happyend keinen Zusammenhang mehr gibt. Gute Komödien stiften diesen Zusammenhang. Fack Ju Göhte feiert den Zerfall. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 14.12.2013)