"En garde" Alatriste! Hauptdarsteller mit zwei Degen.

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15 Folgen zu je 52 Minuten etnstehen derzeit.

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Zu sehen voraussichtlich ab Herbst 2014 auf Arte.

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Budapest - Filmemachen kann so langweilig sein! Nachtaufnahme. Eine Tür. Dahinter Licht. Die Tür wird aufgestoßen, eine finstere Gestalt stürzt heraus, hält inne, schaut grimmig von links nach rechts, läuft energisch weiter, verschwindet hinter einer dunklen Ecke. Ihm entgegen wanken ein paar Gestalten, die einen Wagen schieben. "Cut!" Das war's. "Das Ganze wird jetzt sechs Mal wiederholt", erklärt Jose Manuel Lorenzo, Produzent von Alatriste. Am Rande sitzen Statisten im Dunkeln und warten auf ihren Einsatz.

Filmemachen kann so aufregend sein! Auf 6000 Quadratmetern erstreckt sich der Set des Mantel- und Degenspektakels in den ungarischen Korda-Studios nahe Budapest. Das halbe Madrid des 17. Jahrhunderts wurde nachgebaut. Ein ganzes Theater gehört dazu, Weinschenke, Königsgemächer samt flauschiger Bettstatt innen, meterhohe Palastwände und geräumige Plätze außen erlauben mehr Klotzen als Kleckern. Landkarten wurden ebenso nachgemalt wie ein Wandgemälde von Diego Velasquez. Die Bücher sind echt, ebenso der Staub am Boden, den heute, am Tag der letzten Szene, ein Gebläse aufwirbelt. Die Schauspieler husten.

Allerlei Intrigen und Degengefechte

15 Folgen zu je 52 Minuten entstehen hier, zu sehen auf Arte, voraussichtlich ab Herbst 2014. Die Geschichte: Der strahlende Antiheld Diego Alatriste (Aitor Luna) ist Söldner und Bodyguard des Prinzen von Wales (Constantin von Jascheroff). Dem protestantischen Thronfolger steht der Sinn nach einer Heirat mit der spanischen Infantin (Diana Gomez), nach katholischer Auffassung ist das ein unerhörtes Vorhaben, an das sich allerlei Intrigen und Degengefechte anschließen.

Hinter der 14 Millionen schweren Produktion steht der slowakische Filmrechtehändler Jan Mojto. Auf Alatriste stieß er über den gleichnamigen Bestseller und einen Film, der in Spanien die Kinokassen klingeln ließ. Als Mojto das Buch las, wusste er: "Das könnte etwas Größeres werden." So kam es mit DLO Producciones, Mediaset España, Beta Film und Arte zu einer deutsch-spanisch-französischen Koproduktion, einer Form der europäischen Verschränkung für die Mojto bekannt ist und die der 65-Jährige virtuos am Laufen hält.

Wahrhaftigkeit

Im Köcher hat er etwa eine Serie über Hitler als feigen Soldaten im Ersten Weltkrieg und dessen anschließende Versuche der Geschichtsfälschung. Oder die deutsch-belgische Krimiserie Salamander. "Borgia" entstand zusammen mit ORF, ZDF und dem französischen Canal+, ein dritte Staffel ist im Werden. Agnieszka Holland dreht "Burning Bush" über die Selbstverbrennung des tschechoslowakischen Studenten Jan Palach 1969. Dazu weitere Geschichtsstoffe, wie "Alexander der Große" und "Maximilian". Besonders am Herzen liegt ihm die Serie "Gomorrha" nach Roberto Savianos gleichnamigem Enthüllungsbuch. "Darin steckt große Wahrhaftigkeit", sagt Mojto. "Wahrhaftigkeit" sei bei politischen Stoffen besonders wichtig. Er schätzt sie aber auch so.

Als Rechtehändler wirkt Mojto am schwierigen Terrain der Digitalisierung: "Der Markt ist fragmentierter", sagt er. "Wir verkaufen kürzere Laufzeiten, weniger Ausstrahlungen für weniger Geld. In Summe ist das nicht schlecht, aber viel kleinteiliger und aufwendiger. Für die gleiche Anzahl von Filmen müssen wir fast das Doppelte an Verträgen machen."

Niedrigere Produktionskosten und Steuervorteile locken immer mehr internationale Produzenten nach Ungarn. Showtimes The Borgias, das US-Pendant zu Mojtos Borgia, wurde hier gedreht. Vom Set blieb ein Gebäude erhalten. Mehrfachverwertung ist das Gebot der Stunde. Eben abgedreht ist Houdini, ein US-Mehrteiler über den Entfesslungskünstler, gespielt von Adrien Brody.

Arbeitsplätze schaffen

Ein Problem mit der rechtsextremen ungarischen Regierung hat Mojto nicht. Film schaffe Arbeitsplätze, das käme den Menschen zugute. Insgesamt sind 2500 an der Serie beteiligt.

Und dass es jetzt, nach "Borgia", "The Borgias", "Tudors" vielleicht endlich genug sein müsse mit der TV-Renaissance? Mojto findet das nicht: "Da geht es doch um Figuren und um Menschen auf ihrem Weg in moderne Zeiten." Der Konflikt zwischen Katholizismus und Protestantismus schlägt hier einen abendfüllenden und jugendfreien Graben. Das "Spanish Match", so zeigt sich nach Ansicht einer fertigen Folge, gerät zackig, aber züchtig. So wirkt Alatriste wie eine Mischung aus gestiefeltem Kater und Dirty Harry.

Acht Monate haben sie hier gedreht, am 21. Dezember ist Schluss. Die Aufbauten bleiben. Schließlich kommt bestimmt bald die nächste Renaissance-Serie. Filmemachen kann so langweilig sein. Und gleichzeitig aufregend. (Doris Priesching, DER STANDARD, 14./15.12.2013)