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Oberflächenspannung und wasserabweisende Härchen sorgen dafür, dass Wasserläufer nicht untergehen. Im Bereich der Bionik überlegen sich Forscher, wie man die herausragenden Eigenschaften der Natur nutzen kann.

Foto: APA/Steffen

Die Hausfassaden der Zukunft könnten nach dem Vorbild von Fledermausflügeln gebaut sein. Die Flughaut macht die Säugetiere nicht nur zu wendigen Luftakrobaten, sondern hilft mit ihrem mehrschichtigen Aufbau und den eingelagerten Blutgefäßen auch, ihren Temperaturhaushalt zu regulieren. Ein multifunktionaler, textiler Schichtverbund an der Hausfassade nach Vorbild einer solchen Flughaut könnte, ergänzt mit Farbstoffsolarzellen an der Außenseite, aus beheizbaren und isolierenden Schichten bestehen.

Den Prototyp, den Peter Piccottini, Leiter des englischsprachigen Masterstudiengangs Bionik / Biomimetics in Energy Systems an der Fachhochschule Kärnten, beschreibt, reiht sich in eine Vielzahl von Entwicklungen, bei denen die unschlagbare Energieeffizienz der Natur als Vorbild dient. Die Aufgabe besteht darin, Vorgänge wie Fotosynthese, Stoffwechsel, Wärme- und Wasserkreisläufe, die gesamte Energetik der belebten Natur mit dem menschengemachten technologisch-ökonomischen System zu verknüpfen. Speicherung und Transformation von Energie, die Nutzung des Wassers und der Sonne, Kühlung und Heizung sollen durch bionische Innovationen revolutioniert werden.

Experimente im Kindergarten

Bis die Energieverschwender, die die heutige Technik zustande bringt, durch bionische Systeme ersetzt werden können, die mit Energie so sparsam wie ein lebender Organismus umgehen, wird noch viel Zeit vergehen. Mehrere Jahrhunderte sind verstrichen zwischen Leonardo da Vincis Flugapparat, der den Vogelflug imitieren wollte, und den ersten verlässlich einsetzbaren Flugmaschinen. Natur wurde lange Zeit als Opposition zu Technik verstanden, weniger als ihre Grundlage. Mittlerweile kann die Forschung aber die Prozesse der Natur so weit nachvollziehen, dass das Imitieren ihrer Erfolgsrezepte keine reine Utopie mehr ist.

Peter Piccottini packt seine Vorstellungen von Energiebionik in komplexe Vorträge für seine Studenten. Das zugrunde liegende Prinzip - abstrahieren, was die Natur macht - kann aber jedes Kind im Kindergartenalter verstehen. Und genau diese Zielgruppe soll auch ein vom Verkehrsministerium unterstütztes Nachwuchsförderungsprojekt der Fachhochschule Kärnten schließlich erreichen (siehe Wissen unten).

Im Rahmen des Projekts "Bionik-Kids" erarbeiteten sich zuerst Schüler der Bundes-Bildungslehranstalt für Kindergartenpädagogik und der HTL Lastenstraße aus Klagenfurt in Workshops verschiedene Experimente, die die "Natur ins Labor" bringen, wie Günther Pfeifhofer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der FH Kärnten, erklärt.

Die 16- bis 17-jährigen Pädagogikschülerinnen und -schüler haben gemeinsam mit Gleichaltrigen aus der HTL Tornados in der Flasche erzeugt, schwimmende Münzen mit Zitronensäure versenkt und untersucht, ob Brokkoliblätter einen Lotuseffekt aufweisen. Im Lauf des Schuljahrs sollen die Pädagogikschüler und -schülerinnen das Wissen wiederum zu eigenen Lehreinheiten aufbereiten, die sie dann im nächsten Jahr in Kindergärten und Volksschulen weitergeben. "Je einfacher die Experimente sind, desto besser ist das natürliche Prinzip dahinter zu verstehen", sagt Pfeifhofer. Die FH-Studenten erarbeiteten deshalb Versuche, die elementarste Phänomene veranschaulichen. Warum geht ein Wasserläufer nicht unter? Was bewirkt die Oberflächenspannung des Wassers? Warum perlt Wasser an manchen Blättern ab? Warum wird es von anderen aufgesogen? Und welche Funktionen stecken hinter der Konstruktion eines Kastanienblatts?

Die "Leichtbauweise" von Blättern verfüge über äußerst intelligente Strukturen, sagt Pfeifhofer, elastisch, stabiler und dabei leichter als jene, die derzeit gebaut werden. "Die Natur hatte in der Evolution genug Zeit, sich zu optimieren. Der Mensch hat diese Zeit nicht." Eine neue Denkweise sei notwendig, um die Herausforderungen zu meistern. Projekte wie jenes der "Bionik-Kids" sollen beitragen, dass sich junge Menschen diese neue Denkweise aneignen.

Sind die Fünfjährigen einmal erwachsen, gehören die bionischen Fassaden, die sich den Umwelteinflüssen anpassen und Energie aus Wind und Sonne gewinnen, vielleicht schon zur Standardausstattung von Bauwerken. Die künftigen Wissenschafter unter den Kindern arbeiten dann vielleicht an einem sich selbst organisierenden Energieverteilungssystem, das sich an der Nährstoffverteilung des Waldbodens orientiert. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 11.12.2013)