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Ein Patzer des LG Köln könnte die Abmahnwelle erst ermöglicht haben.

Neue Entwicklungen zur erstmaligen Abmahnung von Streaming-Konsumenten in Deutschland. Die Abmahnung zehntausender Internetuser, die auf dem Videoportal Redtube Pornofilme angesehen haben sollen, könnte unrechtmäßig gewesen sein – aufgrund eines Versehens des zuständigen Gerichts.

IP-Ermittlung mit "GLADII"

Bei WBS Law wird die Vorgehensweise der Beteiligten aufgeschlüsselt. Offenbar wurden die IP-Adressen der Surfer im Auftrag des Rechteinhabers The Archive AG mit einem Tool namens "GLADII" ermittelt, wie aus dem Auskunftsantrag des zuständigen Anwalts Daniel Sebastian – der auch im Rahmen von Filesharing-Abmahnungen bereits in Erscheinung getreten ist – hervorgeht. Die Arbeitsweise der Software wird nicht erläutert, sie soll jedenfalls in der Lage sein, Downloads zu erfassen.

Im Antrag an das Landgericht Köln ist jedenfalls die Rede von "Downloadportalen", welche ohne Zustimmung des Rechteinhabers geschützte Werke zum Herunterladen anbiete. Auch diese Bezeichnung ist bei Streaming nicht unbedingt zutreffend. Festgehalten werden IP-Adresse und Zeitpunkt des Abrufs, ein IT-Fachmann versichert zudem, dass "GLADII" einwandfrei funktioniere. Vom Gericht wurde gefordert, die Deutsche Telekom zur Herausgabe der Anschlussdaten der betreffenden User aufzufordern.

Aus "Downloadportal" wird "Tauschbörse"

Diesem gaben die Kölner Richter auch statt. Es wird allerdings vermutet, dass der Antrag nicht gründlich gelesen oder schlichtweg nicht verstanden wurde, denn in der vom Gericht verfassten Verfügung ist explizit die Rede von einer "Tauschbörse", über welche die Beschuldigte die Filme öffentlich zugänglich gemacht hätten – was auf Streaming-Angebot schlichtweg nicht zutreffen kann.

Gegenüber dem "Stern" hat sich mittlerweile der Pressesprecher des LG Köln, Christian Hoppe, zu Wort gemeldet. Er verweist auf Gutachten, die das "rechtmäßige Vorgehen der Software zum Sammeln der IP-Adressen bestätigen". Jedoch räumt er ein, dass der Begriff "Tauschbörse" versehentlich verwendet worden sein könnte. Dies wiederum schließt man bei WBS Law aus.

Wie "GLADII" nun konkret funktioniert, bleibt offen. Denkbar ist unter anderem, dass gezielt von den Verantwortlichen Werbebanner auf Redtube geschalten worden sind, über welche die IP-Adressen ermittelt werden konnten. Die Abmahnungen selbst wurden schließlich nicht von Sebastian verschickt, sondern von der Regensburger Kanzlei U+C.

Möglicherweise 30.000 Betroffene

Den Betroffenen nutzt der mögliche Lapsus der Kölner Richter allerdings nichts. Selbst wenn der Auskunftsanfrage zu Unrecht statt gegeben wurde, sind die von der Deutschen Telekom übermittelten Daten vor Gericht verwendbar. Ob es sich beim Abruf der Streams tatsächlich um ein Vergehen nach aktueller Rechtslage handelt, bleibt fraglich. Einen Präzedenzfall gibt es noch nicht. Bei WBS schätzt man die Anzahl der abgemahnten Nutzer mittlerweile auf 20.000 bis 30.000.

Trittbrettfahrer

Mittlerweile versuchen auch Trittbrettfahrer von der Abmahnwelle zu profitieren. Wie U+C auf seiner Homepage schreibt und auch von einer WebStandard-Leserin berichtet wurde, werden von Unbekannten E-Mails mit gefälschten Mahnschreiben verschickt. Die Kanzlei weist darauf hin, dass man diese jedoch ausschließlich postalisch zustellt. (gpi, derStandard.at, 10.12.2013)