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Aug in Aug mit dem Klimawandel: eine Orientalische Süßlippe im maledivischen Riff.

Foto: Corbis / Scubazoo / Science Faction

Das Wachstum eines großen Riffs dauert Jahrtausende. Ist es zerstört, kommen schnellwüchsige Pionierarten als Erste zurück. Sie alleine bilden aber noch kein komplexes Ökosystem. Foto O Christian Fischer

Foto: Christian Fischer

Anreise & Unterkunft

Anreise: Zum Beispiel mit Turkish Airlines von Wien nach Male mit Zwischenstopp in Istanbul .

Unterkunft: Auf der Insel Kurumba: Villas mit Süßwasserpool im Freien.

Auf der Insel Kuramathi gibt es zudem ein Spa und eine erkleckliche Zahl an Wasserbungalows.

Grafik: DER STANDARD

Den schönsten Blick auf das Inselparadies gibt es von oben. Nach langem Flug über monotone Wassermassen kommt beim Sinkflug auf Male, den Hauptort der Malediven, plötzlich Farbe ins Spiel. Das Dunkelblau, das aus der Tiefe des Ozeans zu kommen scheint, changiert in ein helleres Farbgemisch, das wiederum einem unglaublich intensiven Türkis weicht. Das Farbenspiel wiederholt sich, egal wohin man schaut. Als ob sich ein Maler ausgetobt hätte und nur darauf warte, dass die Farben trocknen. Rund um die Inselchen kringeln sich weiße Streifen, an denen Wellen lecken. Mittendrin grüne Flecken und noch mehr Türkis und Blau und Weiß. Atolle vom Feinsten.

Was aus der Ferne wie ein grüner Punkt im Blau des Ozeans ausgesehen hat, stellt sich bei näherer Betrachtung als Blätterdach von stramm stehenden Palmen heraus. Die weißen Streifen entpuppen sich als Korallensandstrände. Wenn die Prognosen halten, die von der Wissenschaft mit zunehmend größerer Übereinstimmung vorgelegt werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es mit dem Farbenspiel vorbei ist. Und schlimmer noch: Die Lebensgrundlage hunderttausender Inselbewohner droht im wahrsten Sinn des Wortes wegzuschwimmen. Wenn der Meeresspiegel weiter steigt wie bisher, haben die Malediver keine Chance. Ihre Inseln liegen im Schnitt nur eineinhalb Meter über der Wasseroberfläche.

Schon jetzt bestehen die Malediven zu mehr als 90 Prozent aus Wasser, bewohnbares Land gibt es nur minimal. "Das ist meine Heimat, hier bin ich geboren. Einige Inseln werden fast jedes Jahr überschwemmt. Ich mache mir Sorgen." Mohamed ist 28. Er stammt aus dem nördlichen Teil der Malediven, hat dort die Schule besucht, seine Familie lebt noch dort. So wie viele seiner Landsleute arbeitet er in der Hotelindustrie. "Fischerei oder Tourismus, mehr gibt es hier nicht", sagt Mohamed und zuckt mit den Schultern.

Vor drei Jahren hat es ihn nach Kurumba verschlagen, knapp zwei Flugstunden von zu Hause entfernt. Die Hauptstadt Male, seit über 800 Jahren das Zentrum der Inselgruppe, eine heute Beton gewordene Festung, für deren Umrundung man keine halbe Stunde benötigt, ist in Sichtweite. Mit dem Speedboat dauert es 15 Minuten dorthin. Die wenigsten Touristen, die auf Kurumba urlauben, nutzen den Transfer. Sie kommen direkt von der benachbarten, künstlich verlängerten Flughafeninsel und wollen nur Sonne, schnorcheln, tauchen. Es hat sich herumgesprochen, dass Male außer Staub, Lärm und unglaublich dichtem Auto- und Mopedverkehr nichts zu bieten hat. Nur wer sich für Politik interessiert und zuletzt das Gezerre um die Präsidentenwahl aus der Nähe mitbekommen wollte, musste nach Male. Auf den Hotelinseln bekam man von den Demonstrationen und Gegendemonstrationen so gut wie nichts mit.

Mohamed ist verantwortlich, dass die Wasseraufbereitung auf Kurumba klaglos funktioniert und das Abwasser gereinigt wieder dem Boden zugeführt wird. "Hier dreht sich alles ums Wasser, im Guten wie im Schlechten", sagt Mohamed. Mit "hier" meint er nicht Kurumba allein, wie er auf Nachfrage hinzufügt. Damit meint er "hier bei uns, auf den Malediven".

Fluch und Segen

Malediven bedeutet in der lokalen Sprache "Inselkette" . Südwestlich von Indien und Sri Lanka gelegen, erstreckt sich diese in einer Länge von 870 Kilometern von Nord nach Süd. Kurumba heißt Kokosnussdorf und ist die Wiege des Tourismus auf den Malediven. 1972 kamen die ersten Touristen. In der Zwischenzeit hat sich die Tourismusindustrie zum wichtigsten Devisenbringer des Inselstaats entwickelt, noch vor der Fischerei. Etwa 800.000 Gäste besuchen jedes Jahr die rund 100 Hotelinseln, die über 16 Atolle verstreut sind.

Rein wirtschaftlich betrachtet ist der Tourismus auf den Malediven eine Erfolgsstory. Wie in kaum einer anderen Region aber liegen Fluch und Segen auch so nah beieinander wie hier. Davon kann man auf Kuramathi, einer Insel im westlichen Rasdhoo-Atoll, ein Lied singen. Dort gibt es seit 1999 eine meeresbiologische Station, mit Österreich-Bezug.

Initiator der Station war Reinhard Kikinger, ein Meeresbiologe aus Wien. Sein Geist ist immer noch präsent, auch wenn er nur mehr selten vor Ort ist. Interessierten Gästen wird im Öko-Center erklärt, dass der Anstieg des Meeresspiegels nicht das Hauptproblem der Malediven sei. Die Korallen würden nach oben wachsen, die Riffe könnten die Inseln bis zu einem gewissen Grad schützen. Die größere Gefahr gehe von zu warmem Wasser aus.

"1998 haben wir das Phänomen El Niño hier extrem stark gespürt", erzählt Helmuth Steuber. Der gebürtige Steirer leitet seit gut 20 Jahren eine Tauchbasis auf den Malediven. Schildkröten, Rochen, Pfeilhechte, Tunfische, besonders aber Hammerhaie haben es ihm angetan. "Das Wasser war ganz warm. An der Oberfläche hatte es bis zu 38 Grad statt der üblichen 28 Grad, in 20 Meter Tiefe hatte es immer noch 32 Grad Celsius" , erinnert sich Steuber. "Beim Tauchen ist uns der Schweiß in die Maske geronnen, so warm war es." El Niño habe die Korallenriffe in bleiche Mondlandschaften verwandelt, bis zu 70 Prozent aller Korallenarten seien abgestorben. Inzwischen ist das Leben zurückgekehrt auf das Hausriff. Davon kann man sich beim Schnorcheln überzeugen - auf den ersten Blick zumindest.

Unwissen und Ignoranz

"Auf den zweiten Blick sieht es leider nicht so gut aus", sagt Ulrike Harant. Die aus dem Mariazellerland stammende Meeresbiologin hat sechs Monate auf Kuramathi verbracht und musste "so manchen Kampf mit wenig einsichtigen Touristen ausfechten", wie sie selbst sagt. Vielen fehle das nötige Gespür, "dass man zum Beispiel nicht auf Korallen herumtrampelt, weil es immens lange dauert, bis sie wieder nachwachsen". Andere wollten das gar nicht wissen, aus Ignoranz.

Den neuen Korallen fehle die Farbe. "Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass etwa 90 Prozent schnell wachsende Pionierarten drin sind. Die sind weniger widerstandsfähig und sterben früher." Es sei schon auch richtig, dass die Inseln wachsen. Der Meeresspiegel steige jedoch schneller. "In den nächsten 50 bis 75 Jahren werden bis zu 75 Prozent aller maledivischen Inseln unter Wasser sein", glaubt Harant. "Dann haben wenigstens die Korallen wieder ihren Frieden."

Auch Shakir arbeitet im Öko-Center von Kuramathi. Aufklärung liegt ihm am Herzen. "Wir müssen viel mehr informieren, müssen den Gästen sagen, wie alles mit allem zusammenhängt." Klimawandel? "Ja, ein großes Problem ist das, für uns eine Existenzfrage", sagt der 34-Jährige. Die Regierung unternehme zu wenig, sei seit langem zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Und dennoch hat sich einiges verändert. Auch andere Resorts beschäftigen inzwischen Meeresbiologen und erproben nach dem Vorbild von Kurumba und Kuramathi eine umweltverträglichere Form des Tourismus. Als der frühere Präsident Mohamed Nasheed 2009 mit der gesamten maledivischen Regierung abtauchte, um sechs Meter unter der Wasseroberfläche zwischen Korallen und Fischen den Vertrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu unterzeichnen, war dies im übertragenen Sinn ein - unhörbarer und ungehörter - Hilfeschrei an die internationale Staatengemeinschaft. "Vielen Zirkeln war Nasheed zu radikal", sagt Shakir - sprach's, und ist schon wieder im Wasser bei seinen Freunden, den Fischen. (Günther StrobL, DER STANDARD, Rondo, 13.12.2013)