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Protest gegen das US-Gefangenenlager Guantánamo im Mai dieses Jahres vor dem Weißen Haus in Washington.

Foto: REUTERS/Joshua Roberts

Djamel Ameziane als junger Mann auf einer undatierten Aufnahme. Der heute 46-jährige Algerier war seit 2002 in Guantánamo inhaftiert. Am 5. Dezember wurde er gemeinsam mit einem zweiten Algerier gegen seinen Willen in sein Herkunftsland gebracht.

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Der Guantánamo-Häftling Djamel Ameziane wurde Ende vergangener Woche gegen seinen Willen gemeinsam mit einem zweiten Insassen nach Algerien abgeschoben. Ameziane wurde 2001 in Pakistan festgenommen und ein Jahr später in Guantánamo inhaftiert. Die Vorwürfe gegen ihn wurden 2010 fallengelassen. Das US-Gefangenenlager auf Kuba konnte er trotzdem nicht verlassen. Aus Angst vor politischer Verfolgung wollte der 46-Jährige nicht in sein Heimatland Algerien, das er bereits in den 1990er-Jahren während des Bürgerkrieges verlassen hatte, zurückkehren. Und ein Aufnahmeland ließ sich bis zuletzt nicht finden. Ameziane befürchtet, in Algerien inhaftiert und gefoltert zu werden. Das Stigma eines ehemaligen Guantánamo-Häftlings würde ihm ebenfalls zum Nachteil gereichen und eine Reintegration erschweren.

"Nummern in einer Tabelle"

Die Abschiebungen werden als weitere Anstrengung des US-Präsidenten Barack Obama gesehen, das Versprechen der Schließung des Gefangenenlagers voranzutreiben. Das US-Außenministerium verteidigt die Rückführung der beiden. "Wir vertrauen darauf, dass Algerien sich weiterhin an seine gesetzlichen Verpflichtungen halten wird", sagt US-Außenministeriumssprecher Ian Moss zur "New York Times". Bisher wurden 14 ehemalige Häftlinge nach Algerien gebracht. Damit sinkt die Zahl der Guantánamo-Insassen auf aktuell 162.

"Für das State Department sind diese zwei nur Nummern in einer Tabelle", sagt Wells Dixon vom Center for Constitutional Rights, einer der Anwälte Amezianes, der "New York Times". "Das Außenministerium kümmert es nicht, ob sie das Leben der Betroffenen ruinieren."

Ausgang in Algerien ungewiss

Ameziane muss sich derzeit einer zwölf Tage dauernden Evaluation der algerischen Behörden unterziehen. Der Ausgang dieses Vorgangs ist ungewiss. "Im schlechtesten Fall versucht Algerien, ihm eine Straftat anzuhängen", sagt Manfred Nowak, Professor in der Abteilung für Völkerrecht und Internationale Beziehungen an der Universität Wien, am Telefon zu derStandard.at. Nowak ist mit dem Fall vertraut und auch mit den Anwälten Amezianes in Kontakt. Immer wieder hat sich Nowak, der zwischen 2004 und 2010 UN-Sonderberichterstatter über Folter war und in dieser Funktion wiederholt Guantánamo kritisiert hat, für die Aufnahme ehemaliger Guantánamo-Häftlinge in Europa eingesetzt.

Koch in der Wiener Innenstadt

Im Fall Amezianes wäre auch Österreich eine naheliegende Option als potenzielles Aufnahmeland gewesen: Ameziane hat nach seiner Flucht aus Algerien Anfang der 1990er-Jahre in Wien gelebt und in einem Restaurant in der Wiener Innenstadt gearbeitet. 1995 wurde sein Visum in Österreich nicht verlängert. Daraufhin stieg er in einen Flieger nach Kanada. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, und Ameziane zog weiter nach Afghanistan. Dann krachten am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Center in New York. Kurz danach begann die US-Invasion in Afghanistan. Erneut war Ameziane auf der Flucht. An der Grenze zu Pakistan wurde er gestoppt und den US-Truppen übergeben. 2002 wurde er nach Guantánamo überstellt.

Nowak fordert Aufnahme in Österreich

"Österreich hat hier eine Verantwortung", sagt Nowak. Eine Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen kam allerdings nie infrage. Das Sicherheitsrisiko wäre zu groß, hieß es wiederholt aus dem Innenministerium. Aber nicht nur Österreich weigert sich, ehemalige Häftlinge aufzunehmen. Nur eine Handvoll europäischer Länder hat sich bisher dazu bereiterklärt – darunter Deutschland, Portugal und die Schweiz.

Gemeinsam mit Ameziane wurde der 51-jährige Bensayah Belkacem nach Algerien gebracht. Die beiden teilen ein ähnliches Schicksal: Bensayah wurde 2001 in Bosnien festgenommen und war seit 2002 in Guantánamo. Die Vorwürfe gegen ihn wurden 2009 fallengelassen – aus Angst vor Verfolgung verweigerte er eine Rückkehr nach Algerien. Auch Bosnien verweigerte die Aufnahme. (mka, derStandard.at, 10.12.2013)