Rolf Wüstenhagen: "Versorgungssicherheit sollte uns etwas wert sein."

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Zu teuer sei der Ausbau erneuerbarer Energien, lautet die Kritik. Der Nutzen, den sie stiften, wird häufig unterschlagen. 

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STANDARD: Was läuft falsch mit der Energiewende, dem Umbau von einem fossilen auf ein überwiegend von erneuerbaren Energien angetriebenes Wirtschaftssystem?

Wüstenhagen: Es ist diese Fixierung auf das Kostenargument, die rundum zu beobachten ist, insbesondere auch in Deutschland. Das ist eine einseitige Verkürzung der Diskussion.

STANDARD: Warum?

Wüstenhagen: Weil gänzlich ausgeblendet wird, welchen Nutzen Wind- und Sonnenenergie stiften. Es geht zum Beispiel unter, welchen Beitrag sie zur Senkung der Treibhausgase leisten können. Wir sind ja noch weit davon entfernt, die Klimaziele zu erreichen, zu denen uns die Wissenschaft eindringlich rät. Die nächsten ein, zwei Jahrzehnte sind entscheidend. Dieses Zeitfenster sollten wir nutzen.

STANDARD: Erreichen wir die Klimaziele halt nicht, denken sich einige. Finanziell wird das kein Nachteil sein?

Wüstenhagen: Das ist ein typisches Allmendeproblem. Kurzfristig kann jeder darauf bauen, dass es ihn schon nicht treffen wird. Ausbaden müssen es dann unsere Kinder.

STANDARD: Wo sehen Sie noch Nutzen vor Kosten bei Erneuerbaren?

Wüstenhagen: Versorgungssicherheit sollte uns etwas wert sein, und das geht direkt mit einer Minderung der Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten einher. Erneuerbare helfen uns Geld sparen, das sonst nach Russland oder Saudi-Arabien fließen würde. Allein die kleine Schweiz muss jedes Jahr rund zehn Milliarden Franken (8,2 Mrd. Euro) für fossile Brennstoffe ans Ausland abführen, was etwa der Hälfte des Umsatzes der Schweizer Uhrenindustrie entspricht. Und das ist eigentlich der Exportschlager.

STANDARD: Neben Verbrauchervereinigungen beklagen insbesondere Industrieverbände die steigenden Kosten aus der Erneuerbaren-Umlage?

Wüstenhagen: Was mich erstaunt, zumal sehr viele Unternehmen von der Umlage befreit sind.

STANDARD: Welche Strategie kann dahinter stecken?

Wüstenhagen: Schwer zu sagen. Für die Großverbraucher in der Industrie ist die Situation, wie sie derzeit mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) in Deutschland besteht, vorteilhaft. Es gibt einen Ausbau der Erneuerbaren, aber sie müssen ihn nicht bezahlen. Dann gibt es jene, die sich noch wenig mit der Materie beschäftigt haben und Mühe haben sich vorzustellen, wie sie in Zukunft noch zuverlässig Strom beziehen können. Das mag ein Grund sein, warum die bremsen.

STANDARD: Und die Betreiber konventioneller Kraftwerke?

Wüstenhagen: Die haben ein direktes Interesse, sich auf die Hinterfüße zu stellen. Je langsamer der Umbau geht, desto länger können sie noch Geld mit ihrem alten Geschäftsmodell verdienen. Aus deren Sicht ist es zumindest kurzfristig rational zu sagen, lasst uns das Ganze langsam angehen.

STANDARD: Ist der CO2-Preis der Hebel für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende?

Wüstenhagen: Jein. Mit Preisen von vier bis fünf Euro je Tonne CO2, wie wir sie derzeit haben, kann man das vergessen. Ein deutlich höherer Zertifikatepreis könnte einiges bewirken. Das ist aber derzeit politisch chancenlos. Darum scheint mir ein Bündel an Maßnahmen, in dem auch die Förderung Erneuerbarer weiter Platz hat, der einzig realistische Weg.

STANDARD: Die Förderregime stehen fast überall auf dem Prüfstand. Was spricht für Einspeise-, was für Quotenmodelle?

Wüstenhagen: Vieles spricht für Einspeisetarife, kaum etwas für Quoten. Das Beispiel England zeigt: Wenn man Quotenmodelle wirksam machen will, sehen sie am Ende ähnlich aus wie Einspeisemodelle. Und noch etwas kann man beobachten: Dort, wo ein System durch ein anderes ersetzt wurde, hat sich jahrelang gar nichts getan. Die Investoren blieben aus Verunsicherung weg.

STANDARD: Österreich hat ein Einspeisemodell mit Deckel. Finden Sie das gut?

Wüstenhagen: Der Deckel ist charmant für Politiker, die die Kosten unter Kontrolle haben möchten, schafft aber das Gegenteil von Investitionssicherheit. Ich denke, ein guter Weg sind atmende Deckel, wie man sie in Deutschland gemacht hat. Nach einer vorab bekannten Formel werden die Vergütungen justiert, je nachdem, wie viel neu dazugebaut wurde. Bei Zielüberschreitung gibt es in der nächsten Periode entsprechend weniger Vergütung. Das ist sinnvoller als die Stop-and-Go-Politik einer starren Deckelung.

STANDARD: Was sollte unbedingt erhalten werden vom EEG?

Wüstenhagen: Womit Deutschland in der Vergangenheit einmaligen Erfolg hatte, waren Planbarkeit und Investitionssicherheit. Man sollte einen Mittelweg finden zwischen Planbarkeit und Investitionssicherheit auf der einen und Marktfähigkeit der Erneuerbaren auf der anderen Seite.  (Günther Strobl, DER STANDARD, 9.12.2013)