Steckt die Lehre in der Sackgasse? Es diskutierten (v. li.): Renate Römer (WKO), Karl Fakler (AMS NÖ), Willibald Steinkellner (AK Wien), Christian Friesl (iv) und Bernhard Reisner (Miba AG).

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"Die Lehre", sagt Christian Friesl, Bereichsleiter Gesellschaftspolitik in der Industriellenvereinigung (iv), "ist existenziell, auch wenn sie derzeit diesen Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung nicht hat." Und, ergänzt er, sie sei ein Erfolgsmodell nicht wegen, sondern trotz des Bildungswesens. Dennoch klagt die Industrie über die Qualität der Lehrabschlüsse, über einen auch darüber angetriebenen Fachkräftemangel. Friesl plädiert dafür, aufzuhören vom "Image der Lehre" zu sprechen, denn schlecht, so sagt er, sei lediglich der Status, den dieses Berufsbild habe.

Den Ausführungen des Jugendforschers Bernhard Heinzlmaiers zufolge verstehen viele Junge eine Lehre fast als Drohung - im Sinne von: Wenn du nichts lernst, dann musst du eine Lehre machen. Schließlich sei es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass dann jene, so Heinzlmaier weiter, die schließlich in einer Lehre "landen", "einen minimalen Input im Job geben, dafür aber einen maximalen Output im Leben erwarten." "Minimax-Generation" nennt er jene Jungen, die keine Berufs-, sondern eine Freizeitidentität haben. Das wahre Leben spiele sich für diese Teile der jungen Generation außerhalb der Arbeit ab, sagt er, "dort geht es um Geld, nicht um Ideale". Die Jungen selbst tragen also ein Gutteil zur vergleichsweise schiefen Optik auf die Lehre bei. Aber auch das System, in dem - eher erfolglos - versucht werde, die Lehre, auch in ihrer überbetrieblichen Form, weiterzuentwickeln. Unternehmen, vor allem große, wünschen sich an dieser Stelle mehr Raum für selbstständiges Handeln respektive Ausbilden.

Schleppende Entwicklung

Dafür plädiert auch Bernhard Reisner, Vice President Human Capital bei Miba AG: "Die Lehrberufe müssen sich rascher weiterentwickeln können und sich an die technologischen Entwicklungen und Bedürfnisse der Märkte anpassen." Denn auch die Lehre stehe in einem internationalen Wettbewerb. So wurde in den vergangenen Jahren in zahlreichen Betrieben in China duale Ausbildungen in sehr hoher Qualität gestartet. Hierzulande fehle es an der nötigen Flexibilität, sagt er.

25 Prozent der heutigen Miba-Belegschaft haben als Lehrlinge begonnen, zurzeit bilde man 120 Lehrlinge in Österreich und 40 Lehrlinge in der Slowakei aus. In der Weiterentwicklung der Lehre stecke man in Österreich fest. Reisner: "In der österreichischen, politischen und sozialpartnerschaftlichen Realität sind wir bei den laufend notwendigen Anpassungen signifikant zu langsam."

An sich, so Renate Römer, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich, sei das österreichische Ausbildungssystem, die duale Ausbildung, ein "Exportschlager". Sie bestätigt aber den mehr oder weniger existierenden "Stillstand" in der Weiterentwicklung der Ausbildung der Ausbildner. Willibald Steinkellner, Vizepräsident der Arbeiterkammer Wien, unterstreicht dabei die Verschränkung von Berufsschule und der praktischen Tätigkeit als zentral. Bedauerlich sei, so der allgemeine Tenor, dass beim Thema der Lehre zu viele verschiedene Interessen gegeneinanderlaufen und damit den Jungen nicht dienen können.

Qualitäten der Lehren

Problematisch seien in jedem Fall die unterschiedlichen Qualitäten der Lehren selbst, die auch oder vor allem mit der Größe der Unternehmungen zu tun habe, in denen Lehrlinge ausgebildet werden, sagt Karl Fakler, Landesgeschäftsführer des AMS Niederösterreich. Ganz allgemein, meint Lorenz Lassnigg vom Institut für Höhere Studien - auch in seinem Vortrag -, müsse die Wissensbasis über die Lehre verbessert werden. Die Forschung darüber jedenfalls sei zu politisch getrieben, sagt er, sie habe sich dadurch von der Realität weitgehend entkoppelt, so Lassniggs Kritik. Angesichts der zögerlichen Entwicklung und des schlechten Images der Lehre könne aus einem Lehrlingsmangel nur ein Fachkräftemangel resultieren, so Rainer Münz, Leiter der Forschungsabteilung der Erste Group Bank AG und Senior Fellow am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Es sei zentral zu kommunizieren, dass eben nicht nur der Hochschulabschluss, sondern auch ein Lehrabschluss vor Arbeitslosigkeit schütze. (haa, DER STANDARD, 7./8.12.2013)