Dank Laserscans der Topografie erkennen die Wissenschafter eventuelle Gefahrenzonen im Gebirge.

Foto: alpS

Seit drei Jahren steht am Vorkogel in Tirol auf 2055 Meter Seehöhe eine Fotovoltaikanlage. Der Strom, den sie ins Netz einspeist, bringt unter anderem den Gerloser Schlepplift zum Laufen, den jährlich etwa 160.000 Touristen benutzen.

Fotovoltaikanlagen im Gebirge sind ertragreicher als jene in Talnähe: Aufgrund der dünneren Luft, der geringeren Temperaturen und der Lichtreflexion des Schnees nehmen die Solarpaneele mehr Energie auf. Der Vergleich mit einer Zwillingsanlage in Absam auf etwa 700 Meter Seehöhe macht das deutlich.

Bei den Fotovoltaikunternehmen Hilber Solar und Colexon war man sich dieser Tatsachen schon lange bewusst. Allerdings hatte man keine Detailstudien über die idealen physikalischen und klimatischen Bedingungen für einen optimalen Einsatz der Fotovoltaik vorliegen - weil es die bisher schlicht nicht gab. Da spielt nämlich der Sonneneinfallswinkel genauso eine Rolle wie der Schnee, der auf der Anlage liegt. Sogar der Pollenflug im Frühjahr kann die Energiegewinnung negativ beeinflussen.

Optimierte Energiegewinnung

All diese Daten werden nun im Rahmen des Forschungsprojekts SolClim gemessen und dokumentiert. Schließlich sollen die Zahlen in ein Programm einfließen, mit dem man die Fotovoltaikanlagen aufgrund dieser Erfahrung bestmöglich planen und ausrichten will.

Energieforscher der Europäischen Akademie Bozen und der Universität Innsbruck sind an diesen Analysen beteiligt. Wissenschafter und Techniker des Innsbrucker Kompetenzzentrums alpS betreiben und leiten das Projekt. AlpS beschäftigt sich seit 2002 mit den Folgen des Klimawandels im Gebirge, mit den damit verbundenen Risiken und dem bestmöglichen Umgang damit. Gerade im Alpenraum müsse man sich dieser Herausforderung stellen, sagt alpS-Geschäftsführer Eric Veulliet. Gebirgsräume erwärmen sich nämlich schneller als andere Regionen, unter anderem, weil sie mehr Fläche für den Temperaturanstieg bieten.

Zehnmal mehr Autos

"Daran haben wir selbst auch unseren Anteil", sagt Veulliet. Der Kfz-Bestand in der Region habe sich seit 1945 verzehnfacht. Damit steuere man zwar nur einen Bruchteil der täglichen weltweiten Ölverbrennung bei (laut alpS sind das ca. 14 Milliarden Liter), man sei aber weit davon entfernt, sich selbst als Insel der Seligen bezeichnen zu dürfen. Daher versucht man bei alpS die Forschung auch öffentlich zu machen, um die Sensibilität für das Thema Klimawandel zu steigern. Das Projekt Morexpert hat es zum Beispiel recht oft in die Medien geschafft: Hier wird gemeinsam mit Wissenschaftern der Universität Salzburg, der TU München und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) das Auftreten von Steinschlag oder Felssturz am Kitzsteinhorn (3203 Meter Seehöhe) überwacht. Veulliet erzählt von spektakulären Bildern, von gespannten Seilen, eigens entwickelten Sensoren und findigen Technikern im Gebirge.

In einem anderen, weniger abenteuerlichen Projekt mit der Uni Innsbruck scannt man die komplexe Topografie der Gebirgsräume mittels Laser ab. In der Folge werden in einer Software, die die Bilder dreidimensional umsetzt, eventuelle Gefahrenzonen aufgrund des Klimawandels deutlich gemacht. Die Mitarbeiter von alpS gehen aber auch in Schulen, um über den Klimawandel und die notwendige Energiewende zu sprechen. Im Projekt ActAdapt werden in drei Gymnasien in Innsbruck, in Volders und in Zams Workshops angeboten und die Schüler zu Forschungsarbeiten angeregt.

Klimabildung in Schulen

In der HLW Feldkirch wird Sechzehn- bis Siebzehnjährigen eine Fächerkombination aus Ernährung, Physik, Wirtschaft und Religion - im Sinne eines Ethikunterrichts - angeboten. Warum gerade das? "Weil all diese Fächer zum Verständnis des Klimawandels beitragen", sagt Stefan Neuner, einer der alpS-Projektmitarbeiter. Er erklärt die hinter diesem inhaltlichen Mix stehenden Fakten: Nicht nur das täglich sicht- und spürbare Wetter ändert sich, auch die Voraussetzungen für den Ertrag der Bauern und einen wirtschaftlich rentablen Tourismus. Letztlich spielt dabei auch eine ethische Frage, wie die eines nachhaltigen Umweltschutzes, eine Rolle. Aber auch die Überlegung, ob man wirklich aus fernen Ländern angeliefertes Obst kaufen und so oft wie bisher einen Rinderbraten essen muss.

Das ist auch der umfassende Ansatz, mit dem Veulliet und sein Team in einem der aktuellen Projekte arbeiten wollen. Dabei werden Modellregionen völlig umgestellt und unter das Leitbild des umfassenden Klima- und Umweltschutzes gestellt. Eine dieser Pilotregionen wird derzeit in Tirol ausfindig gemacht. Hier würde dann nicht nur ein elektrisch betriebener Bus die Bergstraße hinauffahren. Hier müssten auch die Gasthäuser ihre Speisekarten anpassen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 4.12.2013)