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Wien - Die österreichischen Unternehmen emanzipieren sich zusehends vom Bankensystem. Machten Bankkredite (kurz- und langfristig) 2003 noch knapp die Hälfte der gesamten Verbindlichkeiten der heimischen Firmen aus, waren es im zweiten Quartal 2013 nur noch knapp unter 37 Prozent, geht aus den jüngsten Daten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hervor. Johannes Turner, der Direktor der Statistikabteilung der OeNB, hat am Montag vor Journalisten Zahlen und Fakten zur Finanzierungs- und Investitionssituation in Österreich präsentiert. Im Fokus stand dabei gerade auch die internationale Verflechtung.

Demnach nimmt etwa die Rolle der Anleihemärkte für die Finanzierung "massiv" zu, so Turner. In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Volumen der "Corporate Bonds" fast verdoppelt (siehe Grafik). Dabei spielen aber gerade die staatsnahen Betriebe wie ÖBB oder Asfinag eine zentrale Rolle. Sie vermarkten ihre Anleihen vor allem an internationale Investoren. Insgesamt sind knapp zwei Drittel der Unternehmensanleihen im Ausland platziert.

Heimische Haushalte hingegen halten gerade jene Bonds, die von den knapp 200 privaten Emittenten begeben wurden. Auch bei den rein privaten Unternehmen hat sich die Rolle des Kapitalmarkts bei der Fremdkapitalversorgung fast verdoppelt. Insgesamt hat sich der Anteil der Anleihen von fünf auf neun Prozent der Gesamtverbindlichkeiten erhöht.

Europaweiter Anleihetrend

Die Bedeutung der Anleihenmärkte ist vor allem auf Sicht der vergangenen Jahre gewachsen. Fast schon jeden zweiten Euro an zusätzlichem Finanzierungsbedarf holen sich die heimischen Unternehmen auf dem Anleihenmarkt. Seit Jahresbeginn 2011 haben österreichische Unternehmen ihre Finanzierung um knapp 37,5 Mrd. Euro aufgestockt, alleine auf den Bondmarkt entfielen dabei 15,8 Mrd. Euro.

Österreich steht mit diesem Trend zur Anleihe aber nicht alleine da. Auch europaweit verzeichnet der Kapitalmarkt für Unternehmen einen neuen Rekord. Laut Daten von Dealogic, die dem Standard exklusiv vorliegen und bis zum 2. Dezember reichen, sind 2013 über 1230 neue Unternehmensanleihen begeben worden, so viele wie noch nie. 570 Milliarden Euro sind seit dem Jahresbeginn erlöst worden, das zweitstärkste Jahr aller Zeiten.

Ratingagenturen wie Fitch betonen, dass es für Unternehmen so einfach wie schon lange nicht mehr ist, am Anleihemarkt zu neuen Finanzierungen zu kommen: "Die aufgehellte Stimmung hilft, die Zinsen und Risikoaufschläge auf geringere Niveaus zu drücken", schreiben die Fitch-Analysten rund um Monica Insoll in einem aktuellen Bericht. Das Kapitalmarktumfeld für Unternehmen wäre daher "verlockend". Doch in Österreich werden aktuell weniger Schulden gemacht, sondern Forderungen aufgebaut.

Das zeigt zumindest die Nettovermögensposition. Diese Kennzahl gibt an, ob das Vermögen der Österreicher größer oder kleiner ist als die Forderungen, die das Ausland gegenüber heimischen Schuldnern hat. Österreich ist seit 2012 Nettogläubiger und hat zuletzt seine Nettovermögensposition auf knapp neun Milliarden Euro verbessert, schätzt die OeNB. "Ein Großteil dieser Entwicklung geht auf den Exporterfolg zurück", sagt Turner. Insgesamt belief sich das im Ausland gehaltene Finanzvermögen per Ende Juni auf 835 Mrd. Euro, knapp 45 Prozent davon war im Euroraum veranlagt.

Treue Aktieninvestoren

Die Zahlen der OeNB zeigen aber auch, dass sich die heimischen Sparer im Vergleich zu den anderen Sektoren wie Unternehmen oder Staat deutlich weniger ins Ausland wagen. Das hatte in der Krise durchaus auch negative Folgen. Denn nach wie vor machen die Aktien heimischer Unternehmen den Großteil auf den Depots österreichischer Anleger aus, knapp 50 Milliarden Euro. Europäische oder gar internationale Aktien machen zusammen nur knapp die Hälfte davon aus. Laut OeNB-Statistik-Chef Turner "bleiben die Anleger der österreichischen Börse treu". Diese Treue hatte aber in der Krise ihren Preis: Während die Bewertungsverluste bei internationalen und europäischen Aktien zwischen 18 und 28 Prozent liegen, sind heimische Aktien seit 2007 im Schnitt noch über 40 Prozent unter Wasser. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 3.12.2013)