Eigentlich hätte das hier ein Uhrenvergleich werden sollen. Weil es, monierte ein Bekannter, nicht einzusehen sei, dass hier immer die Lauftracks von der Webplattform eines Herstellers stünden. (Der Bekannte arbeitet, das nur nebenbei, beim Mitbewerber. Also einem anderen Lauf- und Outdoor-Uhrenhersteller).

Doch dann kam - unterwegs - alles anders. Der Testbericht muss warten. Dafür wird er um ein paar Details und Geräte und den hier ohnehin stets eingeforderten prinzipiellen Cui-Bono-Aspekt erweitert werden.

Der Anfang verlief noch nach Plan: Ein kurzer, ruhiger Lauf hätte es werden sollen. Einer, bei dem es weder um Strecke, Tempo oder Pace geht, sondern nur um die Unterschiede: Suunto gegen Polar - das, sagte der Bekannte, sei nicht nur wahre innerfinnische Brutalität, sondern auch Dienst am laufenden oder sich sonstwie bewegenden Volk: Die '"Ambit 2"...

Foto: Thomas Rottenberg

... gegen die "RCX5" - im direkten Vergleich. Zwei Spitzengeräte, die beide weit mehr können als der Normalo-Läufer im Alltag je braucht. Aber halt doch ganz gerne hat. Oder hätte: Es geht ums Potenzial. So wie bei Autos oder Computern. Oder Fahrrädern. (Aber: PSSSST! Als mir mein Apple-Händler einst "Du hast dir gerade einen Formel-1-Boliden gekauft, und wirst damit nie weiter als zum Billa fahren" zurief, läutete das das Ende einer langen Beziehung ein. Die zu dem Menschen. Eh klar.)

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Mit Elektronik behängt - wie ein durchschnittlicher NSA-Mitarbeiter auf dem Weg in ein beliebiges Amtsgebäude - war ich die Alte Donau entlang getrabt. Und vor lauter Knopferldrücken auf der Suche nach irgendeinem total signifikanten und alles entscheidenden Unterschied in Performance und Leistung der Geräte bemerkte ich erst spät, - am Weg unter der Tangente nämlich - dass ich dabei war, das Wichtigste zu übersehen: Wie wunderschön es ist, an einem solchen Tag draußen sein zu dürfen.  

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"Und? Läufst ein Stück mit uns?" fragte die Bekannte, die auf der Hauptallee meinen Weg kreuzte. "Kennt ihr einander?" - "Nein." - "Nein." Als ich nicht mehr als "Hi" sagte, kam der Nachsatz: "Gerald Klug ist übrigens unser Verteidigungsminister, Du Ex-Innenpolitik-Redakteur."

Der Minister trug es mit Humor: Er sei ja auch sonst fast ausschließlich zivil unterwegs. Und jetzt auch noch im Sportgewand... Ich entschuldigte mich: Mein letzter politischer Kontakt mit dem Bundesheer war eine Presseeinladung gewesen, bei der der legendäre Robert Lichal Journalisten am Truppenübunsplatz Großmittel einreden wollte, dass Granatbeschuss der Landschaft und der Vegetation nütze. Weil die Trichter qua Nord- und Südexpositionen mehr Vielfalt ermöglichten. "Und die Grundwehrdiener bekommen die Schönheit der heimischen Pflanzenwelt direkt vor Augen gehalten," ergänzte Marlies Flemming. Sie war Umweltministerin. Die beiden meinten das ernst. Damals. Heute lachte auch Klug.

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Laufen, erklärte der Minister dann, während wir gemütlich die Hauptallee entlang trabten, sei ein idealer Ausgleich zum Büroalltag. Dreimal die Woche, je eine Stunde. Um den Kopf frei zu bekommen. Von, aber auch für das, was ihm beruflich um die Ohren flöge. Er laufe, sagte Gerald Klug, ohne Ehrgeiz. Respektive, korrigierte er sich selbst, ohne den Ehrgeiz, irgendjemandem außer sich selbst etwas zu beweisen. Oder besser: "zu zeigen". Darum - aber auch, weil das Zeitmanagement anderes kaum zulasse - könne er "nur" Halbmarathonrennen vorweisen. Dass dieses "nur" der Absage an den Ehrgeiz widerspräche, sahen wir dann beide ein.

Aber ganz ohne Ehrgeiz, gab der Minister zu, träte doch niemand an: "Ja, zuallererst läuft man gegen sich selbst." Aber eben doch nicht nur: "Mein größter Erfolg war ein Halbmarathon in der Südsteiermark. Es hatte 34 Grad, aber ich in durchgekommen." Pause. Lächeln. Nachsatz. "Der Martin Bartenstein war auch dabei. Bei der Zwischenzeit war er vor mir. Aber er hat aufgeben müssen." Der Minister zwinkert fröhlich: Auch wenn jeder von uns weiß, dass so etwas jedem passieren kann - ein Triumph ist ein Triumph ist ein Triumph.

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Auch Minister haben das Recht, privat unterwegs zu sein. Erst recht am Wochenende. Nach meinem Geständnis, zur Untauglichkeit dereinst ein bisserl getrickst zu haben (Felix Krull war hilfreich. Totenblass, übermüdet und zitternd aber gleich zu fordern, "in allen Waffengattungen und im Nahkampf" ausgebildet zu werden. - "Weil das später, privat, auch immer wieder nützlich sein wird", dürfte Wunder gewirkt haben), lasse ich den gut gelaunten Gerald Klug die Kapelle von Maria Grün bewundern - und biege ins Gemüse ab. Und frage mich, ob ich mich im Datum geirrt habe.

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Doch auch wenn es sich so anfühlt: Es ist keineswegs Frühling. Heute ist Samstag. Der erste im Advent. Winter. Klingeling. Schlittenzauberschneegestöberzeit. Aus den bergigen Regionen flattern die ersten Erzählungen von Skitouren und Pulverschnee herein.

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Aber um die Illusion von unberührter Natur zu erleben, muss man gar nicht über die Baumgrenze hinaus oder dort unterwegs sein, wo die Lifte noch nicht laufen: Im Prater reicht es, ein paar Meter abseits der ausgetrampelten Pfade unterwegs zu sein.

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Und wer die Augen offen hält, und nicht nur stupide vor sich hin joggt, der entdeckt auch hier immer wieder etwas Neues.

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Was das Laufen in Wien - und so vielen anderen Städten - so unendlich fein macht, ist die Vielzahl an Bühnen, Szenen und Schaufenstern, durch die man da kommt. Binnen kürzester Zeit und ohne wirklich große Mühe. 

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Von der (relativen) Einsamkeit der Beinahe-Trails in den noch nicht einmal abgelegenen Ecken des Auwaldes mitten hinein ins adventsamstägliche Weihnachtsmarktgetöse in der City ist es (beinahe) nur ein Katzensprung. Und abgesehen vom Panoptikum: Der Slalom durch die sich von Minute zu Minute verdichtende Menschenmenge macht sogar Spaß. Die Aufgabe lautet: Nie stehen bleiben - aber auch niemanden zu berühren.

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Auf der Mariahilfer Straße steppt auch um diese Zeit schon der Einkaufsbär: Erster Weihnachtseinkaufssamstag, knapp vor zwölf. Wer Wien kennt, der weiß aber, dass das erst die Aufwärmrunde ist. Nicht nur für die Shopper - auch für die, die da ein kleines, stilles Fragezeichen in die Konsumseligkeit setzen.

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Wofür genau die Demonstranten  von "Achtsame-Wirtschaft.de" stehen, weiß ich nicht. Aber die Idee, lediglich durch betont langsames Gehen - ganz ohne Worte, Transparente oder gar skandierte Slogans - die hektischen Weihnachtsshopper aus ihrem Rhythmus zu reißen, funktioniert. Jedes Jahr. Und allein dieses "denkt doch mal eine Sekunde nach, welchen Werten ihr gerade nachhechelt", macht mir die Schlenderdemonstranten sympathisch.

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Doch vor lauter Nebengeschichten habe ich ganz aus den Augen verloren, was diesmal eigentlich Ziel, Absicht und Aufgabe dieser Kolumne hätte sein sollen. Sorry. Diesmal dazu halt nur soviel: Beide Finnen haben ihren Job bestens erledigt. Autonom. Ohne jegliches Zutun von außen. Alles Weitere ist eine Frage von Präferenzen, Gewohnheiten und dann doch schon recht speziellen Bedürfnissen - und wird demnächst nachgereicht. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 4.12.2013)

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