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Bedenklich auch die Entwicklung des Eigenkapitals: Es sank von 2006 auf 2011 um etwa 1,5 Milliarden Euro.

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Grafik: DER STANDARD

Wien - Für ÖBB-Holding-Chef Christian Kern ist der am Donnerstag dem Parlament zugeleitete Rechnungshofbericht "ein klarer Arbeitsauftrag" und zugleich Bestätigung für die bereits eingeleiteten Anstrengungen. "Heute machen wir Gewinne", sagte Kern am Mittwoch.

Die frühere grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser nennt die 165 Seiten Offenbarungseid - und eine Bestätigung, dass die von Schwarz-Blau durchgeführte ÖBB-Reform über weite Strecken negative Folgen für die Staatsbahn gezeitigt habe - und die Reform der Reform unter Rot-Schwarz zu spät eingeleitet worden sei.

Amtlich ist mit dem Befund der staatlichen Buchprüfer jedenfalls, dass die Staatsbahn im Prüfungszeitraum mehr als eine Milliarde Euro Verlust produziert hat, einen Eigenkapitalvernichtungskurs gefahren ist, der insbesondere die ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) an den Rand des Konkurses führte. Abgesehen von dicken Brocken an Altlasten wie Spekulationsverlusten, Pflegegeldnachzahlungen und Rückzahlung von Fahrbegünstigungen für ÖBB-Mitarbeiter - allein diese drei belasteten die Ergebnisse des ÖBB-Konzerns mit rund 420 Millionen Euro.

Außerordentliche Abschreibungen

Weitere 640 Mio. Euro waren an außerordentlichen Abschreibungen beziehungsweise Wertberichtigungen (Impairments) von Vermögensgegenständen wie Lokomotiven und Bussen zu verdauen. Letzteres war freilich auch durch die auf die Finanzkrise folgende Wirtschaftskrise bedingt, die Auslastung brach ein, Ertragserwartungen mussten revidiert werden, was die Absatzgesellschaften (Personen- und Güterverkehr), mit voller Wucht traf.

Den größten Brocken an Belastung stellte freilich der Erwerb der in Rail Cargo Hungaria (RCH) umgetauften MávCargo durch Rail Cargo Austria (RCA) dar. Mit der ungarischen Güterbahn holte sich die ÖBB-Gütersparte nicht nur einen handfesten Korruptionsskandal ins Haus, weil allein unter dem Titel "Aktivierte Nebenkosten" 14,1 Millionen Euro an Honoraren für Berater und Investmentbanken geflossen sind. Insgesamt schlug MávCargo 2008 mit 533,2 Mio. Euro Anschaffungskosten zu Buche, von denen bis 2011 rund 350 Millionen wertberichtigt werden mussten.

Die Folgen für die Eigenmittelausstattung des RCA-Konzerns waren dramatisch: Das RCA-Eigenkapital reduzierte sich (gemäß Unternehmensgesetzbuch) von Ende 2006 bis Ende 2011 von 906 auf 115 Mio. Euro - und konnte zum Teil nur durch Maßnahmen wie den Verkauf von Güterwagen an die eigene Tochter Industriewaggon stabilisiert werden. Das Eigenmittelstärkungsprogramm geht übrigens weiter, zuletzt wurden Güterterminals und Logistikcenter von RCA an den für Bahnbau und -betrieb zuständigen Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur verkauft - der Standard berichtete exklusiv. Insgesamt errechnete der RH einen Eigenkapitalverlust im Konzern von 1,5 Milliarden Euro oder 52 Prozent. Im Teilkonzern Personenverkehr war der Schwund mit 32 Prozent nicht so dramatisch, das Eigenkapital reduzierte sich von 1,336 Milliarden auf 904 Millionen Euro.

Womit klar ist, dass die Staatsbahn die "Entwicklung der Vermögenswerte" - eine der wenigen expliziten Strategievorgaben des Eigentümervertreters Verkehrsministeriums für das Milliardenuniversum ÖBB - kaum Erfolg zeitigte. Wiewohl der RH die Sanierungsanstrengungen des Mitte 2010 eingesetzten Managements rund um Christian Kern würdigt: Fehlende oder unscharfe strategische Vorgaben, die kaum überprüft würden seitens des Eigentümers kritisiert der RH trotzdem.

Nebel im Ausland

Angriffsfläche bieten auch Auslandsbeteiligungen wie Rail Cargo Italia. Der Dauerverlustbringer Linea Spa bei Venedig fuhr pro Jahr im Schnitt 2,5 Mio. Euro Miese ein und brauchte allein bis Ende 2011 Zuschüsse von 7,8 Mio. Euro oder 166 Prozent des Anschaffungswerts. Ermöglicht wurde dies durch "grobe Mängel in Buchführung und Bilanzierung" und Manager ohne ausreichend Kenntnis in Rechnungswesen, Controlling. Korruptions- und andere Vorwürfe gibt es gegen Speditionstöchter (Exif) in Rumänien, Polen, Türkei, Griechenland, Schweden und Österreich, wo unter anderem Unregelmäßigkeiten bei Immobiliendeals vermutet wurden. Bis Ende 2011 wurden 21 Geschäftsführer abgelöst oder entlassen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben kaum Anklagen. (ung, DER STANDARD; 29.11.2013)