Werner Faymann stellt sich den Parteifreunden: Die Kritik am Koalitionspartner musste am Mittwoch der Kanzler ausbaden.

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Wien - Schlechte Stimmung in der SPÖ: Die Funktionäre sind mit dem Verlauf der Koalitionsgespräche nicht zufrieden. Zunehmend verfestigt sich der Eindruck, Parteichef und Kanzler Werner Faymann bekomme die sozialdemokratischen Anliegen beim angestrebten Koalitionspartner nicht durch. Die Erhöhung der Familienbehilfe wurde bereits abgesagt, Vermögenssteuern sind ebenfalls kein Thema mehr, eine Steuerentlastung kleiner und mittlerer Einkommen scheint unwahrscheinlich. Zusätzlich nervt die ÖVP mit ihrem Beharren auf einem radikalen Sparkurs und dem Wunsch nach einer rascheren Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters. Faymann ist im Erklärungsnotstand. Am Mittwoch versuchte er, in den Parteigremien die Wogen zu glätten. Erst im Präsidium, dann im Vorstand.

Faymann musste der Runde berichten, dass es in den Verhandlungen "ordentlich getuscht" habe, wie das ein ÖVP-Verhandler umschreibt. Zwischen den beiden Regierungsparteien war der Streit um die Budgetkonsolidierung eskaliert, am Dienstag war stundenlang verhandelt worden. Aus Sicht der ÖVP ohne befriedigendes Ergebnis. Die SPÖ fühlt sich hingegen von der ÖVP provoziert: Ihr gehe es nur darum, Angst zu verbreiten und die SPÖ als Blockierer dastehen zu lassen.

Oberösterreichs neuer SP-Chef Reinhold Entholzer zeigt sich erzürnt: "Ich halte es für untragbar, was die ÖVP macht. Sie kommt mit einer Grauslichkeit nach der anderen", sagt er zum Standard und meint damit vor allem die Debatte über das Frauenpensionsalter. Entholzer sieht die Chancen, dass sich vor Weihnachten noch eine Koalition ausgeht, deutlich gesunken: "Offenbar will die ÖVP die Regierung so schlecht wie möglich machen, um den Weg zu Neuwahlen freizumachen." Von der Forderung seines Vorarlberger Kollegen Michael Ritsch, die Anhebung der Familienbeihilfe zur Koalitionsbedingung zu machen, hält der Oberösterreicher aber wenig: "Ich als Verhandler würde mir auch nicht vorschreiben lassen, wie ich zu agieren habe."

Auch die roten Gewerkschafter machen Druck und fordern die Reichensteuer ein, das war immerhin Werner Faymanns Renner im Wahlkampf. Die Arbeitergewerkschaft "pro-ge" beschloss ein Programm, das eine Steuer ab einem Nettovermögen von 700.000 Euro vorsieht, um eine umfassende Lohnsteuersenkung zu finanzieren.

Faymann selbst war bemüht, den Ball flach zu halten. Am Wichtigsten sei, dass man die Seelen der beiden Parteien nicht überfordere, sagte er. Er sei immer noch zuversichtlich, dass bei Weihnachten die Regierung stehen könne, auch wenn das von der ÖVP bezweifelt werde. Faymann ganz pragmatisch: "Fertig ist man am Schluss."

Keine Arbeitsplätze

Und zwar ohne vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters, das stellte der Kanzler noch einmal klar. Für ältere Frauen seien überhaupt keine Arbeitsplätze vorhanden. Auch sonst seien keinerlei Einschnitte bei den Pensionen geplant, die bereits eingeleiteten Reformen sollten erst einmal reichen. Ein Bonus-Malus-System für Betriebe, die besonders viele oder eben wenige ältere Arbeitnehmer beschäftigen, kann sich Faymann aber gut vorstellen.

Bis Ende der Woche sollen alle Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen abliefern, über das Wochenende wollen die Koordierungsgruppen diese Papiere durcharbeiten. Viel Einspruch gab es im SP-Vorstand gegen die dabei diskutierte Idee, den Ländern die volle Verantwortung für die Lehrer zu überlassen.

Nicht reibungslos ging eine Personalie über die Bühne: Josef Cap wurde zum geschäftsführenden Präsidenten des Renner-Instituts bestellt, wodurch er wieder auf sein bisheriges Klubchef-Gehalt von 14.000 Euro kommen sollte. Laut Standard-Informationen soll es im Parteipräsidium nicht nur einige Enthaltungen, sondern auch zwei Gegenstimmen gegeben haben: Von Michael Ritsch und Gerhard Reheis, SP-Chefs von Vorarlberg und Tirol. (burg, jo, ker, völ, DER STANDARD, 28.11.2013)